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Michael Kuffer: Die direkte Demokratie ist eine Bringschuld

Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie im Grundgesetz

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Das Anliegen der Linken hinsichtlich mehr direkter Demokratie halte ich für richtig. Ich habe die Sorge, dass im Verhältnis zwischen den Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite und der Politik auf der anderen Seite, gelinde gesagt, der Funke nicht mehr überspringt. Ich glaube, diesen Befund kann man nicht wegdiskutieren, auch nicht den, dass beide Seiten über weite Strecken ganz unterschiedliche Sprachen zu sprechen scheinen.

Wenn man sich die Wahlbeteiligungen anschaut, wenn man sich einzelne Wahlen anschaut, bei denen die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent liegt, also mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten die Veranstaltung boykottiert, dann glaube ich auch, dass es nicht ausreicht, dass wir uns alle Jubeljahre zu den Wahlen treffen, und ansonsten war es das gewesen.

Ich bin auch der Meinung, dass wir – passt auch zur Uhrzeit – eine Art Weckruf brauchen,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

der beide Seiten dazu zwingt, sich stärker miteinander zu beschäftigen.

(Zuruf von der LINKEN: Na, dann stimmt doch zu!)

Die Parlamentarier wären stärker gezwungen, ihre Politik zu erklären, auch zwischen den Wahlen. Aber ich will dazu sagen: Auch die Menschen draußen im Land wären stärker gezwungen, sich mit den Dingen zu beschäftigen, mit denen wir uns hier beschäftigen und an denen teilgenommen werden sollte. Die direkte Demokratie ist eine Bringschuld in dem Sinne, dass man sich mit den Dingen auseinandersetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für diesen Weg, Kolleginnen und Kollegen, tritt im Ziel die CSU auch konsequent ein.

(Zuruf von der AfD: Das glaube ich nicht!)

Wenn Sie sich den Bayernplan anschauen: Dort haben wir die Beteiligungsgarantie festgeschrieben. Wir haben den Bürgerinnen und Bürgern unser Wort gegeben, dass wir für den weiteren Ausbau der Partizipationsmöglichkeiten eintreten. Wir sind in Bayern mit einer ganzen Reihe von Beteiligungsmöglichkeiten auf Landesebene und auf kommunaler Ebene gut gefahren; ich glaube, das haben wir eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Sprechen Sie mit den Leuten draußen im Land darüber. Uns sagen die Menschen: Es ist zu einer Beschleunigung gekommen, und es ist zu einer Befriedung gekommen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das gut gemacht ist.

Damit komme ich zu dem Punkt, dass wir Erfahrungen auf Landes- und Bundesebene nicht über einen Kamm scheren können. Es gibt Anlass, sich auf Bundesebene sehr viel feiner damit auseinanderzusetzen, sich ausführlich mit der Frage zu beschäftigen, welche Instrumente hilfreich sind und welche eher kontraproduktiv sind. Wir haben auf Bundesebene nun mal Auseinandersetzungen, die sehr viel grundsätzlicher strukturiert sind. Ich glaube, dass wir Schiffbruch erleiden würden, wenn beispielsweise politische Parteien über die Hintertür plebiszitärer Elemente außerparlamentarische Opposition machen könnten. Ich glaube auch, dass komplexe Materien es nicht erlauben, dass es, heruntergebrochen auf eine einzelne Fragestellung, Verflachungen gibt. Teilweise sind auch einfach Erfindungen unterwegs. Wenn ich mir die Debatten über das bayerische Polizeiaufgabengesetz in den letzten Wochen anschaue, dann wird mir himmelangst bei der Vorstellung, dass man auf eine solche Stimmung am Ende Beteiligungen aufbauen soll, obwohl in weiten Teilen keine Bereitschaft da ist, sich mit den Details zu beschäftigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Eben schon!)

Damit schließt sich der Kreis: Es ärgert mich, dass Sie dieses an sich wichtige Thema durch Ihren Entwurf verflachen. Sie verknüpfen wahllos politische Vorhaben, die in keinem Zusammenhang miteinander stehen, und Sie gehen wieder in die ideologische Falle der urlinken Träumereien, indem Sie versuchen, die Abstimmungsberechtigung von der Staatsbürgerschaft zu entkoppeln. Ich sage Ihnen: Das weisen wir entschieden zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Kommen Sie bitte zum Ende.

Michael Kuffer (CDU/CSU):

Ein letztes Wort noch zum Vorwurf der Diskriminierung: Man kann ja wohl wirklich nicht von Diskriminierung sprechen. Wenn jemand, so wie Sie es ausdrücken, ein ganzes Leben lang in diesem Land lebt, dann hat er ohne Weiteres die Möglichkeit, die Staatsbürgerschaft zu erwerben, damit seine Bindung zu diesem Staat auszudrücken, sich zu bekennen und sich dann auch an den Abstimmungen zu beteiligen. Sie greifen völlig daneben. Schade, dass Sie dieses Thema verflachen und letzten Endes zerstreuen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rede haben Sie schon 1970 gehalten!)

Ich wünsche mir eine sinnvolle Debatte, eine ausführliche Debatte in diesem Haus.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Kommen Sie jetzt bitte zum Ende.

Michael Kuffer (CDU/CSU):

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)