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Marc Henrichmann: Die politischen Stiftungen müssen sich keinem Vorwurf aussetzen lassen

Gesetz über die Rechtsstellung und die Finanzierung parteinaher Stiftungen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher! Als jemand, der eine ganze Weile die Geschäfte einer Stiftung führen durfte, bin ich fasziniert von der Stiftungsidee und ein bisschen irritiert über die schrägen Töne über den Stiftungsgedanken als solchen und insbesondere den der politischen Stiftungen. Ich weiß selber, wie hoch die Transparenz in diesem Bereich ist. Insbesondere die politischen Stiftungen müssen sich mit ihren Selbstverpflichtungen, ihren Geschäftsberichten, was Personal und Zahlen angeht, die wirklich über Gebühr veröffentlichen und prüfen lassen, hier keinem Vorwurf aussetzen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Im Gesetzentwurf der AfD wird an den Stiftungen so ziemlich alles kritisiert – wir haben es gerade gehört –: Sie bekämen zu viel Geld, sie seien nicht ausreichend demokratisch legitimiert, die Finanzierung sei intransparent, die Parteinähe zu groß, es sei eigentlich eine verdeckte Parteienfinanzierung. Die Idee der politischen Stiftungen ist, glaube ich, gar nicht verstanden worden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Linda Teuteberg [FDP])

Zum Vorwurf, die Stiftungen würden zu viel Geld erhalten. Ja, sie bekommen eine beträchtliche Summe; die Zahl ist genannt worden. Sie leisten dafür hervorragende Arbeit in der politischen Bildung im In- und Ausland. Sie werden aus den Einzeletats unterschiedlicher Bundesressorts finanziert. Wenn man schon Statistiken zitiert, dann sollte man sie auch ins Verhältnis setzen: Der Einzeletat des BMI zum Beispiel ist in der Zeit von 2005 bis 2017 um 87 Prozent gewachsen, die Stiftungszuwendungen nur um 33 Prozent. – Die Behauptung, wir würden zu viel Geld in die politischen Stiftungen investieren, muss man also sicherlich zurückweisen.

Zweiter Vorwurf: Die Finanzierung sei intransparent. – Auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil gehen Sie da ein, wo es Ihnen passt; aber genau diesen Vorwurf macht das Bundesverfassungsgericht erst mal nicht.

Drittens. Die jährlichen Zuwendungen an die politischen Stiftungen werden ja nicht im Hauruckverfahren mal eben durch das Parlament gepeitscht oder, wie Sie es gerade gesagt haben, in einer „Kungelrunde“ verabschiedet,

(Peter Boehringer [AfD]: Das haben wir schriftlich vom BMF!)

sondern sie gehen durch den Haushaltsausschuss. Ich kann gar nicht erkennen, dass die Haushaltsgesetze Gesetze zweiter Klasse sein sollen. Wir haben drei Lesungen, wir haben Beratungen. Ich glaube, eine höhere demokratische Legitimierung kann man gar nicht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Boehringer [AfD]: Das Thema war nicht im Haushaltsausschuss!)

Wenn Sie den Haushaltsausschuss offenbar für eine Kungelrunde halten, dann muss man auch einmal die Frage stellen, wer da den Vorsitz stellt. Das ist Ihr Kollege. Sie müssen mal sehen, dass Sie aus dem Haushaltsausschuss was Richtiges machen und die Gesetze dort richtig beraten, wenn Sie meinen, da würde gekungelt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch der Vorwurf der fehlenden demokratischen Legitimation geht also am Kern vorbei.

Wenn es dann heißt – Stichwort „Zuwendungsempfänger“ –, die Stiftungen würden Mittel erhalten, dann muss man sehen, dass zum Beispiel auch Forschungseinrichtungen in Deutschland Mittel ohne spezialgesetzliche Regelungen erhalten. Man muss die Debatte schon ehrlich führen und darf nicht allein die politischen Stiftungen in den Fokus nehmen.

Dann gibt es noch die verfassungsrechtliche Frage, zu der Sie gar nichts sagen, nämlich, ob die Gesetzgebungskompetenz uneingeschränkt beim Bund liegt. Seit der Föderalismusreform im Jahre 2006 gibt es die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nicht mehr. Es gibt nicht wenige Stimmen, die sagen, dass die Zuständigkeit für ein Gesetz bei den Ländern liegt, weil wir hier im Wesentlichen in den Bereich Bildung eingreifen. Insofern gilt auch da: Wenn Sie einen Gesetzentwurf einbringen, dann setzen Sie sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen bitte intensiver auseinander.

(Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Ich stelle gar nicht in Abrede, dass es auch Gründe gibt, die für ein Spezialgesetz sprechen. Aber dann muss Ihr Gesetzentwurf wirklich mehr bieten als nur dilettantische Ausführungen. Er müsste Ausführungen enthalten, die wirklich den Kern der rechtlichen Sache betreffen. Da fehlt es aber an jeder Ecke.

Den Vorwurf der zu großen Parteiennähe und der verdeckten Parteienfinanzierung finde ich genauso abstrus. Sie beschweren sich darüber, dass die politischen Stiftungen zu parteinah seien, und schreiben in Ihrem eigenen Gesetzentwurf – ich darf kurz zitieren –, dass sie „juristische Personen des öffentlichen Rechts“ sein sollen und „die politische Partei beraten“ sollen. Mit der Beratungsfunktion, die die Stiftungen eigentlich gar nicht haben – sie beraten die politischen Parteien gar nicht –, würden Sie erst recht eine Parteinähe herstellen. Also konterkarieren Sie mit Ihren Plänen offenbar Ihre eigenen Ansprüche.

Dann wollen Sie die Stiftungen, die jetzt privatrechtlich organisiert sind, auch noch in Körperschaften des öffentlichen Rechts, also wenn man so will, in den öffentlichen Dienst, überführen. Der öffentliche Dienst soll sozusagen politische Parteien beraten. Was ist das denn? Also, wenn hier jemand politische Beratung braucht, dann derjenige, der diesen Gesetzentwurf formuliert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich gebe aber zu: Trotzdem habe ich den Gesetzentwurf neugierig studiert, weil ich seinen Kern verstehen wollte. Und dann bin ich auf § 9 gestoßen, nach dem politische Stiftungen Ansprüche auf Geldleistungen haben sollen, wenn sie zweimal in Folge in Fraktionsstärke in den Deutschen Bundestag einziehen oder – das gibt es bis dato gar nicht – in mindestens acht Landtagen vertreten sind.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Auf wen trifft das wohl zu?)

Bis dato ist der zweimalige Einzug in den Deutschen Bundestag Voraussetzung für Geldleistungen. Was Sie hier machen, ist eine Lex AfD.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie wollen schnell an die Fleischtöpfe, Sie wollen schnell ans Geld. Wenn Sie hier die Backen aufblasen – auch in der Debatte davor – und von Sparsamkeit und vom Griff in das Staatssäckel faseln,

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Erwischt!)

dann müssen Sie sich den Vorwurf an dieser Stelle mal gefallen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Sonja Amalie Steffen [SPD]: So ist es! – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist kein Vorwurf! Realität! – Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Die dauerhafte Wichtigkeit der politischen Grundströmung soll für die finanzielle Förderung Maßstab sein. Dauerhafte Wichtigkeit ist gekoppelt an die Ergebnisse der Bundestagswahlen. Dazu soll die wiederholte Vertretung im Deutschen Bundestag der Maßstab sein. Das ist, glaube ich, auch zielführend.

Wenn wir schon bei Scheinheiligkeit sind: In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 9. März 2018 wurde der Plan für die Parteistiftung der AfD thematisiert. Da hieß es, dass Sie mit 921 Stellen planen, so die „Süddeutsche Zeitung“. Die Konrad-Adenauer-Stiftung zum Beispiel arbeitet mit 622 Stellen. Wenn Sie jetzt also Zurückhaltung und Sparsamkeit propagieren, dann müssen Sie sich an die eigene Nase fassen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Schau mal einer an!)

Dann heißt es in dem Papier, aus dem die „Süddeutsche Zeitung“ genüsslich zitiert, auch noch, dass die Parteimitglieder in ihrer Stiftung in Zukunft behutsam auf eine einheitliche Linie gebracht werden sollen. Eine einheitliche Linie für Parteimitglieder! Wenn Sie jetzt noch Parteinähe der politischen Stiftungen kritisieren, aber Ihre eigene Stiftung die Parteimitglieder auf Linie, auf Kurs bringen soll, dann finde ich das unfassbar. Das ist der größte Widerspruch des heutigen Tages.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ein Schuss ins Knie!)

Zum Schluss. Sie verstehen in Ihrem Gesetzentwurf, wenn ich ihn so interpretiere, wie ich ihn interpretiere, die Stiftungen als Ideologievermittlung und Geldbeschaffungsmaschinerie – und genau das sind sie nicht. In Zeiten, in denen Demokratie in der Welt keine Selbstverständlichkeit ist, sollten wir uns darüber freuen, dass überall auf der Welt die politischen Stiftungen zum Beispiel an der Förderung von Demokratie mitarbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch ich finde nicht jedes Projekt der Stiftungen gut, aber ihre Vielfalt ist ein Zeichen von Pluralität. Ich kann zum Beispiel, was die Konrad-Adenauer-Stiftung angeht, mich nur überaus begeistert und lobend – das möchte ich an die Mitarbeiter der Stiftung weitergeben –

(Dr. Helge Braun [CDU/CSU]: Wer hätte das gedacht!)

über die Mitarbeiter der KAS äußern. Sie haben es verdient. Es gehört zur gelebten Subsidiarität, dass wir bei Stiftungen Eigenverantwortung zulassen, dass die Stiftungen ihre Arbeit machen können.

Wir als Union sind für sinnvolle Vorschläge sicherlich jederzeit offen. Wofür wir nicht offen sind, sind Verstaatlichung, Doppelmoral und Finanzierungsfantasien der AfD. Deswegen können wir dem vorliegenden Gesetzentwurf auch nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)