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Ingmar Jung: Wir wollen das Problem nicht verharmlosen

Rede zur untrennbaren Verbindung des Scharia mit dem Islam

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist nicht so ganz einfach, nach einer Stunde Debatte über einen Antrag, zu dem es eigentlich nicht viel zu sagen gibt, etwas Neues zu sagen. Deswegen möchte ich einige Punkte aufnehmen, über die wir schon etwas gehört haben.

(Stephan Protschka [AfD]: Sie dürfen sich auch wieder setzen und uns fünf Minuten Zeit sparen!)

– Lassen Sie vielleicht auch einmal jemand anderen hier reden.

Ich war – das will ich zuallererst sagen – sehr gespannt auf diesen Antrag. Wir haben hier vor zwei Wochen schon einmal über Religionsfreiheit gesprochen. Damals lag uns ein Antrag auf Änderung von Artikel 18 Grundgesetz vor. Die AfD hatte hier nachhaltig behauptet, Artikel 4 des Grundgesetzes, zumindest die Religionsausübungsfreiheit, dürfe nicht eingeschränkt werden, sei vorbehaltlos gewährt, kollidiere nicht mit anderen Grundrechten und müsse daher in die Verwirkungsregelung aufgenommen werden. In Ihrem jetzt vorliegenden Antrag schreiben Sie etwas anderes, und zwar etwas, was stimmt, nämlich die Religionsfreiheit sei im Wortlaut vorbehaltlos gewährt, aber kollidiere natürlich immer mit anderen Grundrechten und könne nur so weit gewährt und ausgeübt werden, wie nicht Rechte anderer betroffen sind. Da haben Sie ein Stück weit dazugelernt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das fraktionsintern an die Rechtspolitiker weitergeben würden, damit sie denselben Erkenntnisstand haben. Von denen haben Sie heute niemanden hier reden lassen, obwohl es eigentlich ein rechtspolitisches Thema ist.

Wir haben mit Spannung auf diesen Antrag gewartet. Herr Baumann, ich verstehe ja, dass Sie ein Stück weit um Ihren Job kämpfen und sich in der eigenen Fraktion rechtfertigen müssen, aber Sie können noch hundertmal erzählen, dass Sie diesen Antrag früh genug eingereicht hätten. Am Mittwochmittag war er zumindest noch nicht hochgeladen, und alle Rechtspolitiker der AfD haben im Ausschuss unisono gesagt, dass sie keinen Antrag kennen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Der Kollege hat was anderes gesagt! – Stephan Protschka [AfD]: Ihr solltet untereinander reden! Der Kollege hat doch etwas anderes gesagt!)

Vielleicht schicken Sie ihn mal an Ihre eigene Fraktion. Wir können ihn weitergeben. Herr Kollege Sensburg hatte danach gefragt und keine Antwort bekommen.

Dann haben wir den Antrag bekommen. Ich frage mich bis heute: Was wollen Sie damit eigentlich erreichen? Einige Punkte darin stimmen: Gesetzwidrige Religionsausübung darf nicht gewährt werden. – Ja, stimmt. Hetze gegen andere darf nicht geduldet werden. – Ja, stimmt. Dann benennen Sie die repressiven Maßnahmen teilweise selbst – Herr Sensburg hat sie noch ergänzt –: § 111, § 186, § 130, § 185 StGB, das haben wir alles. Herr Sensburg hat auch die Vereinsverbote genannt. Sogar präventive Maßnahmen gibt es. Dazu hätten Sie vielleicht auch etwas vorschlagen können. Ich will sie nicht wiederholen; sie wurden ebenfalls von Herrn Sensburg und Herrn Hoffmann genannt.

Ich frage: Wo ist Ihr Vorschlag? Sechs Seiten Antrag sind einzig eine Bitte an die Bundesregierung, sie möge mal etwas vorschlagen. Wo ist denn Ihr Vorschlag? Sie machen einfach einen Antrag und schreiben auf sechs Seiten etwas zusammen.

Ich kann nur vermuten – das haben Herr Dr. Brunner und Herr Dr. Fechner schon angesprochen –, dass es Ihnen möglicherweise darum geht, den Koran zu verbieten. Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Soll man ihn verbrennen? Im digitalen Zeitalter werden Sie eh keine Schriften mehr los. Deswegen haben Sie es wahrscheinlich bewusst auch nicht so geschrieben. Mir ist nicht klar, worauf Sie eigentlich hinauswollen, meine Damen und Herren von der AfD.

Eines möchte ich, damit hier kein falscher Zungenschlag reinkommt, für die CDU/CSU-Fraktion klarstellen: Wir wollen das Problem nicht verharmlosen. Deswegen arbeiten wir ja seit Jahren daran; das haben die Kollegen schon aufgezeigt. Natürlich gibt es innerhalb des Islams fundamentalistische Bestrebungen. Natürlich gibt es dort auch Menschen, die sich auf rechtswidrige Weise auf Schriften berufen. Aber das dulden wir eben nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

An dieser Stelle möchte ich für meine Fraktion aber auch klarstellen: Die Vergleiche zum Christentum, die wir gehört haben, Herr Martens, Frau Buchholz, Frau Polat, mögen bezogen auf die Schrift richtig sein. Aber ich möchte festhalten, dass das Berufen auf die Heilige Schrift bei Straftaten seit der Aufklärung im Christentum doch etwas nachgelassen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielleicht sollten wir das auch mal sagen als christdemokratische Fraktion.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, da wir gerade beim Thema Christentum sind und Sie hier immer das christliche Abendland verteidigen: Ich habe, weil ja eigentlich schon alles gesagt wurde, gerade im „Kürschner“ nachgeschaut. Die Statistik, die wir dort lesen können, wie viele Mitglieder Ihrer Fraktion sich überhaupt zu einer christlichen Konfession bekennen, ist recht interessant – mir war das gar nicht bewusst –: Bei der CDU/CSU sind es 205 von 246 Abgeordneten, das sind 83,3 Prozent. Bei der AfD sind es 16 von 92 Abgeordneten, das sind 17,4 Prozent, also dreieinhalb Prozentpunkte weniger als bei den Grünen. Das fand ich wirklich erstaunlich.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das sind also die Verteidiger des christlichen Abendlandes. Das, finde ich, ist schon eine starke Sache.

(Stephan Protschka [AfD]: Zeigt sich der Glaube über die Zugehörigkeit zu einer Kirche?)

Insgesamt, meine Damen und Herren, kann man zu Ihrem Antrag nur sagen: Sie machen keinen Vorschlag. Aber eines ist klar – und das teilen, glaube ich, alle Fraktionen hier im Parlament –: Wer glaubt, sich außerhalb unserer Rechtsordnung bewegen zu können – das gilt nicht nur für Islamisten, sondern für alle –, der bekommt es mit dem Rechtsstaat zu tun, völlig egal, worauf er sich beruft. Das wissen offenbar auch Sie, und deswegen machen Sie keinen neuen Vorschlag. Denken Sie über Ihren Antrag noch einmal nach!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)