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Ingmar Jung: Wir müssen gemeinsam agieren

Rede zum Thema "Rechtsterrorismus und Hasskriminalität"Rede zum Thema "Rechtsterrorismus und Hasskriminalität"

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf als elfter Redner, wenn ich richtig gezählt habe, vor Ihnen stehen. Ich gebe offen zu: Ich bin vom bisherigen Verlauf der Debatte positiv überrascht. Nach den Zuschriften, die ich in den letzten Tagen zu diesem Gesetzentwurf bekommen habe, die teilweise außerordentlich kritisch waren, in denen vorgeworfen wurde: „Ihr wollt die Meinungsfreiheit einschränken“, „Ihr wollt als Staat zensieren“, „Ihr wollt als Staat klarmachen, dass nur eure Meinung gesagt werden darf“, bin ich überrascht, wie breit der Konsens in diesem Hause ist und dass dieser Laden an wichtigen Stellen zusammenhält und wir wissen, dass wir gemeinsam etwas tun müssen.

Meine Damen und Herren, man kann eines nicht bestreiten – wir haben einige Beispiele gehört; nehmen Sie nur den Fall um Walter Lübcke oder das, was wir in Hanau und Halle erlebt haben –: Es mögen Taten sein, bei denen kein innerer Zusammenhang besteht, aber alle diese Taten eint doch eins: Sie fußen auf einem Fundament von Hass, von Hetze, von einem gesellschaftlichen Klima, das solche Taten erst möglich macht. Da sind wir gefragt. Wir müssen gemeinsam agieren. Ich bin positiv überrascht und erfreut, wie groß der Zusammenhalt in diesem Hause ist und dass wir dieses Thema gemeinsam angehen. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich einen Punkt ansprechen, der aus meiner Sicht besonders wichtig ist. Wir haben ihn schon, ein-, zweimal gehört. Dass wir jetzt gesetzlich klarstellen, dass wir mit „Politik“ auch die Kommunalpolitik meinen, ist eigentlich ein Wahnsinn. Aber es gibt tatsächlich Rechtsprechung, die sich an der Stelle nicht so ganz sicher war. – Das ist wirklich mehr als überfällig.

Das muss man sich vielleicht manchmal vergegenwärtigen, auch gerade hier im Bundestag: Das politische Leben ist nicht immer so wie hier – mit den schönen blauen Stühlen, den tollen Büros, dem schicken Rednerpult und dem Bundesadler hier im Rücken. Die, die unser demokratisches Zusammenleben, dieses ganze System, die Repräsentation bis in die tiefste Ebene erhalten, sind am Ende andere. Und da sieht es manchmal anders aus. Wer schon mal in einer Stadtverordnetenversammlung in einer Kleinstadt war, der weiß, wie es da abläuft: meistens miefige Verhandlungsräume, fünf Stunden Tagesordnung, 25 Euro Sitzungsgeld, schwierige Themen und im Zuschauerraum die drei, die immer da sitzen.

(Heiterkeit des Abg. Uli Grötsch [SPD])

Und es gibt trotzdem welche, die sich alle drei Wochen da hinsetzen und das machen, weil sie es aus Überzeugung tun, nicht weil sie dafür irgendwas kriegen oder was wiederbekommen. Wenn es am Ende dazu kommt, dass die, die unser demokratisches Zusammenleben an der Basis aufrechterhalten, irgendwann keine Lust mehr haben, weil sie bedroht werden, weil sie Hass und Hetze ausgesetzt sind, dann haben wir was falsch gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen ist es richtig, dass wir genau an der Stelle so deutlich reagieren.

Ich gebe ganz offen zu: Natürlich gibt es in dem Gesetzentwurf noch ein, zwei Dinge, bei denen man genauer hinschauen muss. Wir haben eben von Herrn Kuhle die Frage der Meldepflicht gehört. Lassen Sie uns im Verfahren darüber reden, ob man das anders gestalten kann. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir denn auf andere Weise die Straftaten tatsächlich in die Verfolgung kriegen. Dann brauchen wir aber auch eine bessere Lösung.

Ich gebe auch zu: Bei dem einen oder anderen materiellen Straftatbestand habe ich zumindest einen gewissen Aufklärungsbedarf. Was ist denn eine Billigung von Straftaten nach § 140 StGB am Ende genau? Ist es der Klick auf den Like-Button, oder muss ich dafür noch was anderes tun? Oder: Wann erfüllt man denn jetzt den neuen Bedrohungstatbestand im Bereich der Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit oder von bedeutenden Sachwerten? Das sind Sachen, da habe ich auch noch die eine oder andere Frage.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gut, dass Sie da Fragen haben!)

Aber genau dafür ist doch dieses parlamentarische Verfahren da. Die Fragen können wir dort gemeinsam klären. Wir werden mit Sicherheit zu einer guten Lösung kommen.

Wenn Sie die Verfolgung ansprechen, dann muss ich sagen: Es ist ein wichtiges Signal, dass Herr Staatsminister Eisenreich bis eben da war und der Debatte nicht nur gefolgt ist, sondern auch als Landesminister klargemacht hat, dass wir hier nicht in die üblichen Mechanismen zwischen Bund und Ländern zurückfallen dürfen, wie es so oft bei diesen Fragen geschieht, und durch seine Anwesenheit und seine Rede hier dokumentiert hat, dass es eine gemeinsame Aufgabe ist und wir da hoffentlich nicht in die klassischen Bund-Länder-Diskussionen verfallen werden, sondern es gemeinsam angehen wollen, weil es alle so sehen und die Unterstützung der Länder da ist. Das ist eine wichtige Sache.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen, weil mich die Zuschriften, die ich dazu kriege, massiv ärgern: Es heißt da, wir wollten hier zensieren und die Meinungsfreiheit und Ähnliches einschränken, immer unter dem Stichwort: Man wird doch wohl noch mal was sagen dürfen. – Wissen Sie, was das Besondere an diesem Rechtsstaat ist? Man darf hier wirklich jeden Unsinn sagen; das sollten sich einige mal gelegentlich vergegenwärtigen. Nur, eine Grenze ist da zu ziehen, wo man andere bedroht, wo man andere einschüchtert,

(Ute Vogt [SPD]: Herabsetzt!)

sodass die am Ende vielleicht nicht mehr bereit sind, sich zu engagieren und was zu tun. Da ist die Meinungsfreiheit bedroht – so und nicht umgekehrt, meine Damen und Herren. Ich bin froh, dass der Konsens im Haus offenbar so groß ist, und freue mich auf die Beratungen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])