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Ingmar Jung: Nur das Ziel zu verfolgen hohe Gebühren auszulösen ist unfair

Rede zum Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs. Ich will mit der Frage beginnen, was denn eigentlich unfairer Wettbewerb ist. Unfairer Wettbewerb besteht dann, wenn zum Beispiel rezeptpflichtige Arzneimittel ohne Rezept vertrieben werden, wenn Kosmetikprodukte mit verbotenen Inhaltsstoffen vertrieben werden, wenn Glücksspiele ohne behördliche Erlaubnis betrieben werden. Das sind die klassischen Fälle, für die wir das UWG haben, und in diesen Fällen hat es sich bewährt. Dass Marktteilnehmer auf dem Wege von Abmahnungen und Unterlassungserklärungen selbst gegen unfairen Wettbewerb vorgehen können, lautere Zustände schaffen können, daran wollen wir nichts ändern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Ich wusste nicht, dass ihr da schon klatschen wolltet.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unfair wird dieser Mechanismus aber dann, wenn professionelle Abmahnvereine, professionelle Abmahnanwälte massenhaft gegen Vereine, gegen Kleinunternehmer vorgehen und gar nicht das Ziel verfolgen, wettbewerblich lautere Zustände herzustellen, sondern nur das Ziel verfolgen, hohe Gebühren auszulösen, hohe Vertragsstrafen möglicherweise auszulösen, aber gar nicht mehr im Sinne des Wettbewerbs handeln. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben, und dafür schafft dieser Gesetzentwurf eine gute Grundlage.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Alle, die sich näher mit diesem Thema beschäftigen, kennen den Fall der Unternehmerin aus Bonn, die einen Pullover angeboten und als Material „Kaschmir und Wolle“ angegeben hat. Das war falsch, sie hätte „50 Prozent Kaschmir, 50 Prozent Wolle“ angeben müssen. Das war möglicherweise tatsächlich sogar ein Verstoß. Sie wurde abgemahnt von einem Verein, der nicht abmahnbefugt war. Aufgrund der fehlenden Transparenzmöglichkeiten konnte sie das aber nicht überprüfen. Sie musste bis zum Oberlandesgericht gehen, war bis dort mit einer Vertragsstrafe von 250 000 Euro bedroht. Sie hatte keine Möglichkeit, das vorher klar zu überprüfen, weil die Transparenzpflichten, die sich in dem vorliegenden Gesetzentwurf befinden, nicht gegeben waren. Solche Fälle werden so nicht mehr vorkommen. Auch deswegen ist der Entwurf eine sehr gute Grundlage.

Wir haben eine Anhörung vor uns. Es gibt da schon einige Punkte, bei denen wir als Unionsfraktion noch mal etwas genauer nachfragen wollen.

Wenn wir die Frage der Abmahnbefugnis diskutieren, dann fällt sofort auf, dass die privatrechtlich konstituierten Landesinnungsverbände und Bundesinnungsverbände im Gesetz plötzlich nicht mehr auftauchen. Das sind nun wirklich nicht die Fälle, bei denen man einen Abmahnmissbrauch befürchten muss. Ich habe mal gehört, das sei unter den Wortlaut zu fassen; aber im Gesetz steht eindeutig „Körperschaften des öffentlichen Rechts“, da lassen sich privatrechtlich konstituierte wohl eher nicht mehr unter den Wortlaut fassen. Hier müssen wir im Rahmen der Anhörung noch einmal sehr genau hinschauen. An der Stelle müssen wir den Gesetzentwurf meiner Ansicht nach noch ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Weiterhin bleibt das Thema des fliegenden Gerichtsstands. Diesen schaffen wir nun mehr oder weniger ganz ab. Wenn es um Kennzeichnungspflichten im Internet geht, um Impressumspflichten, um möglicherweise falsche Widerrufsbelehrungen oder DSGVO-Verstöße – wenn denn überhaupt –, dann ist das absolut in Ordnung. Wir dürfen aber nicht ganz vergessen: Es gibt auch die klassisch wettbewerbsrechtlichen Verfahren, bei denen hochspezialisiert vor Gericht Wettbewerbsfragen geklärt werden. Da kann es für beide Seiten sehr sinnvoll sein, am Ende vor ein hochspezialisiertes Gericht zu kommen. Hier müssen wir noch mal überlegen, wie wir eine Abgrenzung hinbekommen, dass auch diese Fälle wie bisher vor Spezialgerichten verhandelt werden.

Für die Fälle, in denen Missbrauch betrieben wird – in denen einer massenhaft abmahnt und sich nur ein Gericht aussucht, das am Ende möglicherweise aufgrund ständiger Rechtsprechung für ihn entscheiden wird –, müssen wir diesen fliegenden Gerichtsstand abschaffen. Für die Fälle, in denen es um hochspezialisiertes Wettbewerbsrecht geht, müssen wir vielleicht versuchen, den fliegenden Gerichtsstand zu erhalten. Auch da sollten wir im Rahmen der Anhörung noch mal genauer nachfragen.

Lassen Sie mich abschließend noch auf DSGVO-Verstöße eingehen. Da – das sage ich ganz offen – sind wir nach wie vor der Auffassung, dass die DSGVO keine Marktverhaltensregel darstellt. Wir hätten uns eine andere Regelung gewünscht als die, die jetzt im Entwurf enthalten ist. Wir hätten damit leben, dass Unternehmen, die im Kern mit Datenverarbeitung ihr Geschäft machen, in diesem Bereich abgemahnt werden könnten. Im Moment haben wir aber die Abgrenzung: Klein- und Kleinstunternehmen auf der einen Seite – hier wird die Erstattungsfähigkeit weggenommen – und der Rest auf der anderen Seite und gar keine inhaltliche Differenzierung. Damit stellen wir inzident fest, dass die DSGVO eine Marktverhaltensregel ist, wenn man das ernst nimmt. Darüber müssen wir uns noch sehr genau unterhalten. Das ist ein Streit, der schon vor der DSGVO bestand. Die Frage, ob der Datenschutz die Daten schützen oder das Marktverhalten regeln soll, ist für uns noch nicht beantwortet. Darüber sollten wir noch einmal diskutieren.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)