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Ingmar Jung: Die Situation mit den Gaffern ist ein unerträgliches Verhalten

Redebeitrag zur Änderung des StGB – Persönlichkeitsschutz Bildaufnahmen

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich was zur Sache sage, lassen Sie mich vielleicht zunächst mal ein paar Worte zu dem sagen, was wir eben gehört haben. Wissen Sie, Herr Peterka, Sie machen das jedes Mal so: Am Ende eines Gesetzgebungsverfahrens kommen auf einmal Sachen, die man das allererste Mal hört, die im Ausschuss keine Rolle gespielt haben. Weil hier irgendwo eine Kamera ist oder man einfach was für Facebook machen will, wird irgendwas mit Migration gesagt. Da versuchen Sie jedes Mal, am Thema vorbeizureden.

Wenn es so schlimm ist, dass das, was Sie unbedingt hören wollen, in der Anhörung keine Rolle spielt, hätte ich mal einen Vorschlag: Schlagen Sie doch mal einen Sachverständigen vor. – Es war wieder keiner von der AfD benannt. Die Fragen wurden alle nicht gestellt, und hier beschweren Sie sich, dass es keine Rolle gespielt hat. Das ist doch wirklich kein legitimes Verhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Fabian Jacobi [AfD]: Dafür sind Sie verantwortlich!)

– Dafür, dass Sie keine Sachverständigen benennen, sind wir verantwortlich? Das ist ja um 0.08 Uhr – das muss ich mir wirklich merken – die Krönung der Zwischenrufe. Herzlichen Glückwunsch! Unglaublich!

(Martin Reichardt [AfD]: Intellektuelle Armut! – Weitere Zurufe von der AfD)

Ich will zu den zwei Teilen des Gesetzentwurfes auch noch was sagen.

Wir haben – das haben wir schon gehört – die Situation mit den Gaffern. Das ist ein wirklich unerträgliches Verhalten, das immer mehr zunimmt. Unterhalten Sie sich mal mit Rettungsdiensten, mit Leuten, die da vor Ort sind und bei ihrer Rettungsarbeit nach Unfällen behindert werden, die damit zu kämpfen haben, dass auf der Gegenseite kein Stau entsteht, und sich damit zu beschäftigen haben, dass sie ihre eigentliche Rettungsarbeit nicht machen können, weil die Leute lieber stehen bleiben und Fotos machen. Dass wir im Moment die Situation haben, dass Strafbarkeit nur dann gegeben ist, wenn hilflose Personen betroffen sind, aber nicht, wenn möglicherweise Tote betroffen sind, ist ein Zustand, der nicht hinzunehmen ist. Denn eines muss man doch auch mal sehen: Es ist nicht nur pietätlos, wenn man Fotos von gerade verstorbenen Personen macht und sie möglicherweise auch noch verbreitet, sondern das ist für die Angehörigen, die plötzlich in einer ganz schwierigen persönlichen Situation sind, einfach auch unerträglich. Deswegen ist es richtig, dass wir diese Strafbarkeitslücke jetzt schließen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ebenso wichtig ist der Bereich des Upskirtings und Downblousings. Da will ich jetzt nicht alles wiederholen, was Herr Dr. Fechner bereits an richtigen Sachen vorgetragen hat. Ich will aber eine Sache sagen, die uns schon sehr wichtig ist: Ich glaube, dieses Gesetzgebungsverfahren ist ein guter Beweis dafür, dass das parlamentarische Verfahren einen Sinn macht und dass auch – anders als uns gelegentlich vorgeworfen wird – die Anhörung eine echte Rolle spielt und wir Dinge daraus übernehmen.

Wir haben jetzt zum Beispiel die entsprechende Norm ins Sexualstrafrecht überführt, und da gehört sie im Übrigen auch hin. Darüber haben wir lange miteinander diskutiert. Wenn man sich länger damit befasst und sich die Betroffenen, die Sachverständigen und diejenigen anhört, die die Petition in Gang gesetzt haben – Herr Fechner hat sie angesprochen –, dann erscheint es natürlich schon logisch, dass diese Norm in den Abschnitt der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gehört.

Es mag zwar sein – das wurde in der Anhörung vorgetragen –, dass es Täter gibt, die das als Mutprobe betreiben, bei denen es darum geht, ein tolles Bild zu machen, aber wenn man es einmal aus der Opferperspektive betrachtet, dann erkennt man, dass die Opfer doch nicht deshalb betroffen sind, weil das Recht am eigenen Bild an der Stelle verletzt ist, sondern weil der höchst intime – auch sexuell intime – Bereich verletzt ist. Deswegen ist es richtig, die Norm bei den Sexualstraftaten einzuordnen. Das bringt ja auch prozessual einiges mit sich: Fragen der Privatklage und Ähnliches.

Deswegen bin ich froh, dass wir diese Änderung noch vorgenommen haben, und bitte nehmen Sie alle zur Kenntnis: Auch die Regierungsfraktionen hören gerne mal auf die Anhörungen, wenn da Richtiges vorgetragen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Marianne Schieder [SPD])

Erlauben Sie mir ein letztes Wort, weil das in den letzten Tagen öfter diskutiert wurde: Wir haben jetzt keine Regelungen in Bezug auf die einfachen Nacktaufnahmen getroffen. Das Thema hat in der Anhörung am Rande eine Rolle gespielt; darüber wurde diskutiert. Da ist auch eine Strafbarkeitslücke, aber wir waren uns am Ende einig, dass es eine andere Gesamtkonstellation ist, dass eine andere Tätermotivation dahintersteckt, dass sich die entsprechenden Situationen aus der Opferperspektive ganz anders darstellen. Und vor allen Dingen war das kein zentrales Thema der Anhörung.

Wir haben in der Anhörung aber auch über diese Problematik gesprochen und festgestellt, dass es da viele kleine Detailprobleme gibt. Deswegen lade ich alle herzlich ein: Lassen Sie uns doch vielleicht ein eigenes Gesetzgebungsverfahren betreiben, in dem wir auch für diesen Sachverhalt eine Regelung finden.

Ich darf mich abschließend auch noch mal beim Ministerium und beim Koalitionspartner für die wirklich gute Zusammenarbeit hier herzlich bedanken, und ich möchte Herrn Dr. Fechner zustimmen: In der Tat überprüfen wir bei Verschärfungen des Strafrechts immer, ob sie denn richtig sind. Auch wenn wir uns da nicht immer einig sind, glaube ich: Hier ist es sogar noch richtiger, als es bei anderen Verfahren manchmal war.

Ich schenke Ihnen jetzt etwas weniger Zeit, als ich dachte, und wünsche Ihnen allen um 0.12 Uhr einen frohen Feierabend. Gute Nacht!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])