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Horst Seehofer: "Wir brauchen diesen starken Staat"

Rede zu Rechtsterrorismus und Hass

Herr Bundespräsident! Herr Bundestagspräsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wenn es um die Bekämpfung des Rechtsextremismus geht, muss man sich zuallererst ein Bild von der tatsächlichen Lage machen, ein ehrliches, ein ungeschminktes Bild. Für Relativierung oder gar Verharmlosung gibt es bei diesem ernsten Thema keinen Raum.

Die furchtbare Gewalttat in Hanau war die dritte innerhalb von zehn Monaten; es ist eine Spur zurück über den Amoklauf in München, der heute von den Sicherheitsbehörden zweifelsfrei als rechtsextremistisch motiviert eingestuft wird, bis zur Enttarnung des NSU. Es war die dritte Gewalttat, die unzweifelhaft rassistisch motiviert und islamfeindlich war.

Darüber hinaus muss man sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass wir in den letzten Wochen zwölf mutmaßliche Rechtsextremisten verhaftet haben, die ganz offenbar konkrete Planungen hatten gegen Personen, Planungen für bürgerkriegsähnliche Zustände in der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben in den letzten Wochen eine Wohnung mit Unmengen von Sprengstoff und Handgranaten ausgehoben, eine andere Wohnung, ebenfalls in den letzten Wochen, mit vielen automatischen Waffen.

Wenn wir die Spur seit der Enttarnung des NSU bis heute und die Entwicklung in den letzten Monaten betrachten, dann, meine Damen und Herren, muss ein Innenminister davon sprechen, dass die Bedrohungslage, die Gefährdungslage durch den Rechtsextremismus in unserem Land sehr hoch ist und durch nichts relativiert werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich gibt es auch Linksextremismus. Es gibt die Reichsbürger, die sehr waffenaffin sind, und es gibt nach wie vor eine hohe Gefährdungslage beim islamistischen Terror. Aber die höchste Bedrohung in unserem Lande geht vom Rechtsextremismus aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das muss deutlich ausgesprochen werden. Man kann die Bedrohung nicht relativieren, indem man sagt: Es gibt ja auch Linksextremismus. – Der Rechtsextremismus, der Rechtsterrorismus und der Antisemitismus sind die höchste Gefährdung unseres freiheitlichen Rechtsstaates.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es beginnt mit der Verrohung der Sprache – es gibt unzählige Beispiele, die heute schon genannt worden sind –, die sich auch in Bildern ausdrückt, zum Beispiel, wenn Menschen in einem Bundesligastadion im Fadenkreuz gezeigt werden oder wenn vom Erschießen reicher Leute gesprochen wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Das alles ist die Saat, durch die die Gewalt bewusst und gewollt oder auch ungewollt entsteht. Deshalb muss man diesen Tag nutzen, um an die Disziplin, an die Mäßigung in der Sprache zu erinnern.

(Beifall bei Abgeordneten CDU/CSU und der AfD)

– Das hätten Sie hier von rechts heute übrigens praktizieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe Halle und Hanau besucht und habe oft berichtet, dass zwei Sätze, die mir dort gesagt wurden, wie ein Stich ins Herz gewirkt haben, in einer Gedenkveranstaltung, in aller Stille der Ruf eines jungen Menschen: „Ihr könnt uns nicht schützen!“, und bei einem Gespräch mit Betroffenen, mit Angehörigen die Aussage: Gibt es jetzt wieder nur Worte der Anteilnahme, oder folgen diesen Worten auch politische Taten und Maßnahmen?

Das haben wir als Auftakt betrachtet, auch im Interesse der Opfer und der Angehörigen, und eine umfassende Strategie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus entwickelt – sofort, innerhalb von zwei Tagen, mit allen 16 Bundesländern, ohne jeden politischen Streit. Das Bundeskabinett hat diese zwölf Punkte übernommen; sie sind mittlerweile weitestgehend umgesetzt.

Den Worten sind Taten gefolgt. Ich nenne sie hier nur stichwortartig: Wir haben für eine massive personelle Verstärkung des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz gesorgt. Vergleichbare Arbeitseinheiten hatten wir bisher nur bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors, aber nicht im Bereich Rechtsextremismus. Wir werden wahrscheinlich noch in dieser Woche hier im Deutschen Bundestag den Entwurf eines Anti-Hass-Gesetzes vorlegen; Frau Lambrecht wird dazu Näheres sagen. Es ist umfassend: Wenn jemand im Internet Drohungen ausstößt, Straftaten ankündigt oder begeht, ist der Provider künftig nicht nur verpflichtet, diese Inhalte zu löschen, sondern auch, sie dem Bundeskriminalamt zu melden; und wenn dort eine Straftat bejaht wird, wird die Justiz eingeschaltet. Wir haben in der vorletzten Sitzungswoche das Waffenrecht verschärft, mit dem ganz klaren Grundsatz: Waffen gehören nicht in die Hände von Extremisten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Wir haben zum ersten Mal einen Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung. Herr Dr. Klein leistet ganz hervorragende Arbeit. Ihm möchte ich bei dieser Gelegenheit auch einmal danken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe die gefährliche Vereinigung Combat 18 verboten. Wir haben jetzt eine Expertengruppe gegen Islamfeindlichkeit eingerichtet. Die Kanzlerin hat entschieden, dass wir einen Kabinettsausschuss zum Thema Rechtsextremismus bekommen. Und ich bin dabei, mit der Kollegin Giffey die Präventionsprogramme des Bundes zu überprüfen, um in der Zukunft vielleicht noch effektiver und wirksamer sicherzustellen, dass wir bereits im Vorfeld durch wirksame Präventionsprogramme manches verhindern können. Ich habe dazu gemeinsam mit Frau Giffey die besten Spezialisten der Bundesrepublik Deutschland eingeladen. Wir haben stundenlang miteinander diskutiert. Wir werden die Ergebnisse dieser Diskussionen in veränderten Präventionsprogrammen umsetzen.

Ich habe Anfang dieser Woche mit dem Präsidenten des Deutschen Fußballbundes wegen der Entwicklung in unseren Stadien, die ja oft auch einen rassistischen Hintergrund hat, Kontakt aufgenommen, um gemeinsam zu überlegen, wie wir diesen Auswüchsen und Entwicklungen entgegentreten können, ohne Aktionismus zu veranstalten, sondern mit wirksamen Maßnahmen, die den Menschen helfen.

Dieses umfassende Bekämpfungspaket ist eine Antwort auf die Frage: Gibt es nur Worte, oder gibt es auch wirksame politische Maßnahmen? Und auf „Ihr könnt uns nicht schützen!“ ist unsere Antwort die wehrhafte Demokratie, die die Errungenschaften unserer freiheitlichen Demokratie bewahrt. Dazu brauchen wir mutige Demokraten. Dazu brauchen wir aber auch und vor allem einen starken Staat, wenn es um den Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung geht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bijan Djir-Sarai [FDP])

Wir brauchen diesen starken Staat; denn man hört in der Bevölkerung oft die Fragen – auch das ist ein Argument –: Kann sich der Rechtsstaat eigentlich noch durchsetzen? Hat der Rechtsstaat genug Biss, um das, was hier an Gesetzen beschlossen wird, in der Praxis umzusetzen? Dafür müssen wir jeden Tag arbeiten, für diesen starken Staat zur Unterstützung von mutigen Demokraten.

Ich möchte heute die Gelegenheit wahrnehmen, jenen den Rücken zu stärken, die täglich für diesen starken Staat arbeiten, wenn es um den Schutz des Lebens, der Gesundheit und des Eigentums geht. Weil es oft heißt, wir wollten den gläsernen Bürger, sage ich: Das ist mitnichten der Fall. Wir bekämpfen nicht die allgemeine Bevölkerung, sondern wir bekämpfen die Straftäter. Und für diese Bekämpfung brauchen wir diesen starken Staat mit unserer Polizei und den Sicherheitsbehörden. Deshalb bitte ich das ganze Parlament, dass wir in der Zukunft noch mehr als bisher jene schützen, die uns jeden Tag schützen, die jeden Tag die freiheitliche Demokratie schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Jetzt hat das Wort der Abgeordnete Dr. Gottfried Curio, AfD.

(Beifall bei der AfD – Saskia Esken [SPD]: Messerstecherpapa! Messerstechermama! Messerstecherbambini!)