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Frank Steffel: "Wer zustimmt, dient Deutschland"

Rede zum Global Compact for Migration

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde die Debatte heute wichtig und richtig. Ich finde sie übrigens auch gut und hoffe, dass viele Menschen zuschauen. Ich finde es auch richtig, dass sich der Deutsche Bundestag vor der Beschlussfassung in Marrakesch Ende November dieses Jahres noch einmal sehr ausführlich mit einem Antrag der Koalitionsfraktionen zu diesem Thema beschäftigen wird.

(Jürgen Braun [AfD]: Dank uns! Durch die AfD! Nur durch die AfD!)

Denn die Menschen haben zu Recht die Erwartung, dass wir uns mit einem so bedeutenden Thema auch hier im Bundestag beschäftigen, obwohl wir formal nicht zustimmungspflichtig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der AfD)

Meine Damen und Herren, nicht jede Abkürzung stimmt, und das stört mich auch bei dem, was wir hier heute diskutieren. Dort steht: „GCM – Global Compact for Migration“. Die eigentliche Formulierung lautet: „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“. Vielleicht sollten wir bei den Begriffen anfangen. Denn das heißt übersetzt: Globaler Pakt bzw. globale Vereinbarung für sichere, geregelte und regelgerechte, regelkonforme Migration.

(Jürgen Braun [AfD]: Verlässliche! – Beatrix von Storch [AfD]: Verlässliche Migration!)

Das ist ein großer, großer Unterschied.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Insofern hat Ihr Vorbild Lenin völlig recht: Sprache fördert Bewusstsein. Lassen Sie uns klar darüber reden, worüber wir reden; dann verstehen es die Menschen auch einfacher. Wir reden heute über sichere, geregelte und regelkonforme Migration

(Jürgen Braun [AfD]: Eigentlich geht es um illegale Migration!)

und eben nicht über ungeregelte, unsichere und nicht regelkonforme Migration, die ja in den vergangenen Jahren eines der großen Probleme auf dieser Welt und auch in Deutschland war.

Das Ziel dieses globalen Paktes für geregelte, für regelkonforme Migration ist es, dass die Menschen in allen Ländern dieser Welt in ihrer Heimat bleiben können, weil es Lebensperspektiven gibt, weil es wirtschaftliche Perspektiven gibt, weil Fluchtursachen bekämpft werden, weil Krieg und Terror bekämpft werden.

(Jürgen Braun [AfD]: Sie fördern aber das Gegenteil!)

Und wenn sie denn ihre Heimat verlassen müssen, dann sollen sie in möglichst vielen Ländern gleiche Rahmenbedingungen, bessere Rahmenbedingungen vorfinden; mein Kollege Harbarth hat in einer sehr gelungenen Rede darauf hingewiesen. Es geht um den Zugang zu Gesundheitssystemen, und zwar nicht nur in Europa.

(Beatrix von Storch [AfD]: Und das schafft der Pakt? Mein Gott!)

Wo sollen denn kranke Migranten hin, wenn in vielen Ländern der Welt der Zugang zum Gesundheitssystem für Migranten eben nicht sichergestellt ist?

(Jürgen Braun [AfD]: Das ist doch Wolkenkuckucksheim!)

Wo sollen denn Familien mit Kindern hin, wenn Kinder von Migranten in vielen Ländern dieser Welt keinen Zugang zu Bildung haben, wenn es keine Grundsicherung gibt?

(Jürgen Braun [AfD]: Alle nach Deutschland!)

Also muss doch unser Interesse sein, mit einer internationalen Vereinbarung in möglichst vielen Ländern dieser Welt sicherzustellen, dass die Rahmenbedingungen, wenn denn Migration unvermeidbar ist, besser werden und nicht alle Menschen, nicht viele Menschen nach Europa und insbesondere nach Deutschland kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Migration ist nicht unvermeidbar!)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Steffel, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Renner?

Frank Steffel (CDU/CSU):

Ich gestatte von jedem eine Zwischenfrage; selbstverständlich. – Bitte.

Martin Erwin Renner (AfD):

Danke schön, dass Sie mir das Wort erteilen. – Ich mache es ganz kurz: Ich will diesen Schwurbeleien und diesen Wortverdrehungen, die wir seit einer Stunde hier hören, gar nicht so wahnsinnig viel hinzufügen.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch noch gar keine Stunde geredet!)

Ich will einfach nur eine Frage, eine gespaltene Frage stellen: Erklären Sie doch bitte einmal, was die Grundlage Ihrer Politik in diesem Bereich ist. Ich gebe Ihnen zwei Alternativen: Ist es, weil Sie das Fremde so sehr lieben, oder ist es Grundlage Ihrer Politik, weil Sie das Eigene so sehr hassen? Bitte geben Sie darauf eine Antwort.

(Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-­Brömer [CDU/CSU]: Es wird ja immer peinlicher!)

Frank Steffel (CDU/CSU):

Ich bedanke mich sehr für Ihre Frage, Herr Kollege. – Ich will Ihnen sagen, was die Grundlage unserer Politik ist. Die Grundlage unserer Politik ist es, die großen Herausforderungen dieses Planeten nicht alleine zu lösen, sondern gemeinsam mit 200 Ländern auf dieser Welt. Das ist die erste Grundlage.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Die zweite Grundlage ist, dass wir neben diesem Compact für gesteuerte, geregelte Migration dringend einen Compact with Africa – mit Afrika – brauchen. Dafür arbeitet unser Entwicklungshilfeminister. Die Bundeskanzlerin war gerade mit elf afrikanischen Ländern dabei, dafür zu sorgen,

(Martin Erwin Renner [AfD]: Ich habe Ihnen zwei Alternativen gegeben!)

dass Krieg, Terror und Fluchtursachen bekämpft und Perspektiven geschaffen werden.

(Jürgen Braun [AfD]: Da ist die Union seit 15 Jahren dran!)

Private Investitionen in Afrika sollen dazu führen, dass Millionen und Hunderte Millionen von Menschen eine Perspektive in ihrer Heimat haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Mit zwei Generationen haben Sie nichts bewirkt!)

Übrigens: Auch dagegen ist die AfD.

(Martin Erwin Renner [AfD]: Da hat doch kein Mensch was dagegen!)

Die AfD ist auch dagegen, dass wir den Entwicklungshilfeetat ein weiteres Mal erhöhen, um Perspektiven zu verbessern und Investitionen in diesen Ländern zu stärken.

(Jürgen Braun [AfD]: Was?)

Die AfD ist auch gegen humanitäre Hilfe.

(Widerspruch bei der AfD)

Wenn Menschen richtig im Dreck sind, dann gehen Sie zu Herrn Assad und kriechen ihm in den Hintern, statt sich für humanitäre Hilfe für diese Menschen einzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)

Ich nenne Ihnen den nächsten Punkt. Wir sind – nach einer ganz schwierigen Abwägung; das gilt für jeden einzelnen Abgeordneten –

(Jürgen Braun [AfD]: Hören Sie doch auf mit dem Unsinn!)

eben auch für Auslandseinsätze der Bundeswehr, die Sie ablehnen; denn wir wollen Krieg und Terror in diesen Regionen bekämpfen und dafür sorgen, dass die Menschen in ihrer Heimat sicher wohnen können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ja, wir sind für bilaterale Abkommen. Wir glauben, dass Staaten versuchen sollten, möglichst viel miteinander zu vereinbaren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und wir sind für multilaterale Abkommen auch im Rahmen der UN, weil natürlich Staaten miteinander versuchen sollten, weltweite Standards bei Klima, bei Handel, aber auch bei Menschenrechten und Migration zu schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

Und gegen all das sind Sie. Und wissen Sie, was mein Verdacht ist? Sie sind dagegen, weil es Ihnen parteipolitisch nutzt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei Abgeordneten der AfD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau! Die Maske ist weg!)

Denn am Ende, wenn Sie das alles ablehnen, machen sich mehr Menschen auf den Weg nach Europa, auf den Weg nach Deutschland. Das führt dann dazu, dass Sie Ihre dumpfen Vorurteile weiter bedienen können und parteipolitisch davon profitieren. Das ist die eigentlich niederträchtige Schweinerei Ihrer Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der AfD)

Ich glaube, dass die Mehrheit der Menschen – insofern ist es gut, dass wir heute darüber reden – diese Politik nicht will. Wir müssen daher alle offensiver darüber reden

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das machen Sie ja eben nicht!)

und hier im Deutschen Bundestag mit Ihnen darüber streiten. Sie sollen Ihre Zwischenfragen ruhig stellen; denn auch Ihre Frage war entlarvend.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Sie haben ja nicht geantwortet!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin davon überzeugt – und auch das Thema überlasse ich nicht Ihnen –, dass diese Vereinbarung mit 180 Nationen dieser Welt im deutschen Interesse liegt und Deutschland nutzt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wer zustimmt, dient Deutschland, und wer es plump ablehnt, schadet Deutschland und widerspricht deutschen Interessen, und das ist in diesem Hause zuallererst die AfD.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)