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„Es darf keinen Schlussstrich geben“
(Quelle: pixabay/larahcv)

„Es darf keinen Schlussstrich geben“

Gedenkstunde zur Befreiung von Auschwitz im Bundestag

Zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz hat der Bundestag in einer Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Ehrengast war der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin, der Deutschland für seine Anstrengungen im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus dankte. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beteuerte: „Wir werden nicht vergessen. Wir stehen an der Seite Israels.“

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sagte zur Eröffnung der Gedenkstunde: „Auschwitz erinnert daran, wie verführbar wir Menschen sind, wie zerbrechlich unsere Zivilisation ist, wie schnell unsere humanistische Substanz Schaden nimmt; wie angreifbar ihr ethisches Fundament bleibt, wenn wir es nicht verteidigen.“ Er gedachte der Millionen Opfer und der Überlebenden, die seelisch zerbrochen sind. Die Verantwortung, Konsequenz und Lehre aus den Gräueltaten der Nationalsozialisten zu ziehen, übernehme jede Generation neu, sagte Schäuble. 

Verantwortung für die Geschichte annehmen

Der Bundestagspräsident prangerte an, dass es immer wieder Versuche gab und erneut gibt, die Verbrechen kleinzureden oder umzudeuten. „Das wird nicht gelingen“, versprach er. Denn es gehöre zum gesellschaftlichen Grundkonsens, die historische Verantwortung für die NS-Verbrechen anzunehmen. Sie sei konstitutiv für das Selbstverständnis unseres Landes. „Wer an diesem Fundament rüttelt, wird scheitern.“

„Es darf keinen Schlussstrich geben“

Auch Steinmeier betonte, es gehöre zum Selbstverständnis aller Deutschen, die Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Seine Sorge sei aber, „dass wir die Vergangenheit inzwischen besser verstehen als die Gegenwart“. Denn der alte Ungeist sei nicht vergangen, sagte er unter Verweis auf den Anschlag von Halle, auf Anfeindungen gegen Juden, auf Drohungen gegen Politiker, auf Hass und Hetze im öffentlichen Diskurs. „Die bösen Geister zeigen sich in neuem Gewand“, warnte er und forderte: „Deshalb darf es keinen Schlussstrich geben.“ Man dürfe „nicht vergessen, was geschehen kann“. An Reuven Rivlin gewandt betonte Steinmeier: „Wir wollen zeigen, dass unser Land dem neu geschenkten Vertrauen gerecht wird.“

Gemeinsam gegen Antisemitismus und Rassismus

Für den jüdischen Staat Israel unterstrich Rivlin: „Wir wissen die Anstrengungen zu schätzen, die Deutschland seit Adenauer unternimmt, um Antisemitismus und Rassismus zu bekämpfen.“ Er selbst habe kein Patentrezept gegen beides, aber „gemeinsam müssen wir mit unseren Werten dagegen ankämpfen, dass Antisemitismus und Fremdenhass zur Vernichtung der Menschlichkeit führt“. Er wünsche sich, dass Deutschland auch in den kommenden Jahrzehnten ein Beispiel für historische Verantwortung und Toleranz sein werde. 

Deutschland und Israel als wahre Partner

Rivlin erklärte: „Ich stehe hier, um Ihnen zu sagen, dass der Staat Israel und Deutschland wahre Partner sind.“ In diesem Zusammenhang dankte er auch Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Führungsrolle, die Deutschland beim Schutz liberaler Werte weltweit einnehme. Merkel nahm wie weitere ranghohe Gäste und Überlebende der Shoah an der Veranstaltung im Bundestag teil.

Zeichen der Verbundenheit

Dass Rivlin in der Gedenkstunde des Bundestages sprach, nannte Steinmeier ein Geschenk. „Ihre Anwesenheit ist ein Zeichen der Verbundenheit zwischen unseren beiden Ländern. Ich verstehe es als Verpflichtung, uns der Hand, die Israel uns gereicht hat, würdig zu erweisen.“ Die Versöhnung sei eine Gnade, die man nicht habe erhoffen dürfen. 

Gedenken auch in Yad Vashem und Auschwitz

Steinmeier hatte bereits vergangene Woche auf Einladung Rivlins und als erster Bundespräsident überhaupt eine Rede in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gehalten. Am Montag hatten beide Staatsoberhäupter an einer Zeremonie zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz in der dortigen Gedenkstätte teilgenommen.