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Elisabeth Winkelmeier-Becker: Was müssen wir tun, um den Schutz der Meinungsfreiheit zu stärken

Rede in der aktuellen Stunde zur Meinungsfreiheit in Deutschland

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Anlass für die heutige Aktuelle Stunde sind die Geschehnisse, die uns alle wachrütteln: die Morddrohungen gegen Politiker, die eingeschlagenen Fensterscheiben – gerade in der letzten Nacht hat es auch noch unseren Kollegen Jan-Marco Luczak getroffen –, die Störung von Vorlesungen. Das ist ein Meinungsterror, der keine andere Meinung zulassen kann.

Das ist aber nicht nur ein Problem für die Politiker, sondern für jeden Nutzer im Netz. Jeder, der in seiner Blase mit der falschen Meinung daherkommt, muss mit Mobbing, Shitstorms und dergleichen leben, was auch in die reale, analoge Welt übergreift. Ich muss sagen: Das sind Ereignisse, die ich mir vor wenigen Jahren noch nicht hätte vorstellen können. Und ich weigere mich, mich daran zu gewöhnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Meinungsfreiheit ist eines der vornehmsten Grundrechte. Sie ist konstitutiv für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie und richtet sich eigentlich primär gegen den Staat, gegen Eingriffe des Staates.

(Saskia Esken [SPD]: Nur!)

Aber wir erleben nun, dass die neuen Gefahren vor allem von anderen Menschen ausgehen, die auch noch meinen, dass sie ihre Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen. Denen müssen wir sagen: Schmierereien an Politikerbüros, eingeschlagene Fensterscheiben und Drohung mit Gewalt, das ist nicht Meinung, sondern das ist ganz klar Straftat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Es sind nicht nur diese Dinge, die die Meinungsfreiheit verletzen, sondern es sind schon der Shitstorm, der Hass, die Bedrohung und die Beleidigung, die die Menschen mundtot machen – oft unter dem Deckmantel der Anonymität. Das ist eine neue Form der Zensur, die sich die Gesellschaft gleichsam selber verordnet und gegen die wir entschieden antreten müssen.

Mir fällt auf, dass sich dabei rechtes Lager und linkes Lager in ihren Extremen gar nicht groß voneinander unterscheiden. Man muss ja manchmal raten: Ist diese Fensterscheibe jetzt von einem rechten Aktivisten oder von einem linken Aktivisten zerschlagen worden?

(Michel Brandt [DIE LINKE]: Was für ein unglaublicher Blödsinn!)

– Na ja, es gibt für beides Beispiele. – Das führt zu einer Polarisierung, die selbst zur Bedrohung der Meinungsfreiheit wird.

Das zeigt sich schon in aktuellen Studien: Eine Allensbach-Studie hat gesagt, dass sich die Mehrheit der Menschen praktisch schon im vorauseilenden Gehorsam bei Tabuthemen oder bei als solchen empfundenen zurückhält, und auch eine neue Shell-Studie sagt, dass die zweitgrößte Sorge der Jugendlichen im Alter bis 25 eine wachsende Feindschaft zwischen den Lagern unterschiedlicher Meinungen ist. Sie befürchten, dass sich hier die Gesellschaft weiter spaltet.

Deshalb müssen wir überlegen: Haben wir als Staat eine neue Aufgabe? Was müssen wir tun, um hier die Meinungsfreiheit zwischen den Bürgern wieder neu auszutarieren und den Schutz der Meinungsfreiheit zu stärken?

Ein wichtiger Schritt dabei war das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Es gab anfangs ja viel Skepsis. Ich nehme sehr zufrieden wahr, dass sich die Diskussion heute eigentlich eher darum dreht, ob der Schutz ausreicht. Nach dem Attentat auf Walter Lübcke und dem Anschlag von Halle haben sich da die Parameter verschoben, und wir haben, glaube ich, mittlerweile eine große Einigkeit, dass wir hier den Schutz verbessern müssen.

Wir hatten eine Anhörung im Rechtsausschuss, in der auch das wirklich der Tenor bei der überwiegenden Zahl der Sachverständigen war. Vor allem auch die zivilgesellschaftliche Initiative „ichbinhier“ hat ganz klar gesagt, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz den richtigen Ansatz hat.

Da erwarte ich im Übrigen auch ein Umdenken bei der FDP. Die FDP will das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ja eigentlich aufheben – bis auf die Regelung zum inländischen Briefkasten, den ihr noch weiter behalten wollt. Ich glaube, das ist zu kurz gesprungen. Darüber müssen wir noch mal reden.

Aus unserer Sicht gibt es verschiedene Punkte, die hier verbessert werden müssen: Stärkung der regulierten Selbstregulierung auf der einen Seite, aber vor allem auch eine verbesserte Zusammenarbeit der Plattformen mit der Staatsanwaltschaft auf der anderen Seite. Wir meinen: Da, wo die zuständige Stelle, der Staatsanwalt, sagt: „Hier ist eine Äußerung wirklich strafwürdig; sie verwirklicht einen Straftatbestand“, darf der Deckmantel der Anonymität nicht weiter reichen.

Noch eines ist mir wichtig: Gerade wir in der Politik haben eine Vorbildfunktion. So wie wir hier unsere Debatten führen, so schallt es auch in die Bevölkerung hinaus. Wenn wir unsere Redefreiheit hier dazu missbrauchen, um die Institutionen des Staates anzugreifen und das Grundvertrauen der Bürger in diese zu erodieren, dann missbrauchen wir unsere Meinungsfreiheit. Wir müssen hier konstruktive, lösungsorientierte Debatten führen, um damit in die Bevölkerung hinein ein Zeichen zu senden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)