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Elisabeth Winkelmeier-Becker: Es soll erreicht werden, dass faire Lizenzverträge geschlossen werden

Rede in der aktuellen Stunde zu den Auswirkungen der EU-Urheberrechtsreform auf die Meinungsfreiheit

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der geplanten Richtlinie geht es um Grundrechte. Es geht unter anderem um Meinungs- und Pressefreiheit, um die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, und es geht um den Schutz des geistigen Eigentums. Es geht um Grundrechte von Kreativen, von Nutzern, aber auch um Rechte und Pflichten der Plattformen. Es geht darum, diese unterschiedlichen Rechte und Pflichten in einen guten Ausgleich zu bringen. Darüber wird gerade auf noch recht abstraktem Level in Brüssel verhandelt – das wird ja auch manchmal kritisiert; aber das ist bei Richtlinien immer so. Es wird dann wahrscheinlich unsere Aufgabe sein, das zu konkretisieren und einige Fragen dabei noch näher zu beantworten.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wird denn noch verhandelt?)

– Im Moment wird in Brüssel verhandelt, und wir werden die Aufgabe haben, das dann umzusetzen.

Die Rechtslage, die heute besteht, schafft diesen fairen Ausgleich, den wir an dieser Stelle brauchen, nicht. In dem Dreiecksverhältnis zwischen Künstlern, Plattformen und Nutzern hat sich ein Geschäftsmodell etabliert, das unfair ist. Denn wenn ein Künstler einen erfolgreichen Song schreibt, dann verdiente er früher daran, dass CDs verkauft wurden. Heute hat sich das gewandelt. Es werden kaum mehr CDs verkauft. Stattdessen wird ein Song auf einer Plattform hochgeladen – entweder von einem Nutzer oder in bestimmten Fällen vom Künstler selber; das kann auch sein –, und der Song kann dann umsonst gestreamt werden. Trotzdem wird damit Geld verdient, und zwar auf die Art und Weise, dass die Plattform Werbung dazu schaltet. Diese Einnahmen aus der Werbung kommen zu geringsten Prozentsätzen, wenn überhaupt, beim Künstler an, und verbleiben in der Regel bei der Plattform. Die Plattform kann sich dann darauf berufen, dass sie das ja gar nicht mitbekommen hat. Sie steht unter dem Grundsatz „Notice and take down“. Aber sie schafft es, Werbung dazu zu schalten und dafür Geld einzunehmen, und das führt zu einem doch recht merkwürdigen Ergebnis.

Wir wissen alle: Auf jedem Dorffest müssen unsere Vereine GEMA-Gebühren bezahlen. Auf der anderen Seite können sich diese Plattformen dem entziehen, weil sie den Grundsatz für sich in Anspruch nehmen, dass sie nur dann haften, wenn sie auf ein Werk hingewiesen wurden, das urheberrechtswidrig auf ihrer Plattform steht, und nur dann brauchen sie tätig zu werden. Das Ergebnis ist, dass die Künstler von ihrer Arbeit häufig nicht mehr leben können; sie bekommen den Gewinn nicht mehr. Das schränkt deren Kunstfreiheit zunächst einmal ganz schön ein, und das schränkt für uns alle auch kulturelle Vielfalt ein.

Für den Bereich der Musik gibt es dazu auch handfeste Zahlen: Man geht davon aus, dass der Marktanteil von YouTube bei den gestreamten Musikstücken etwa bei 40 Prozent liegt, aber die Einnahmen, die von dort kommen, sich im Bereich von 1 bis 2 Prozent bewegen.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Aha! So ist das also!)

Da sieht man dieses Ungleichgewicht, und wir wollen es nicht bestehen lassen. Ich glaube, das Thema ist es wert, sich darum zu kümmern.

Ich schaue auch auf die Nutzer. Wenn ein Nutzer ein Werk ohne Lizenz hochlädt, dann verstößt er heute gegen Urheberrecht. Meistens passiert nichts, aber der Nutzer setzt sich doch der Gefahr aus, dass es Abmahnungen gibt, dass Unterlassungserklärungen von ihm verlangt werden. Ich finde, das ist eine Einschränkung seiner Freiheit, sich unbefangen im Netz zu äußern.

Die Richtlinie, von der die Rede ist, soll hier Lösungen bieten, und sie zielt auf das Geschäftsmodell der großen Plattformen. Es soll erreicht werden, dass hier faire Lizenzverträge geschlossen werden, wie es andere Marktanbieter schon machen; es gibt dafür ja Beispiele. Dabei ergeben sich viele Abgrenzungs- und Auslegungsfragen. Deshalb wurden zum Beispiel Non-Profit-Plattformen aus der Regelung herausgenommen. Ein Vorteil für die normalen User wäre, dass über ihnen nicht mehr das Damoklesschwert möglicher Abmahnungen aufgrund von Urheberrechtsverletzungen schwebt.

Wir wissen aber auch, dass viele Nutzer die Sorge haben, dass sie mit ihren eigenen kreativen Ideen, mit Satire, Parodien und Zitaten, auf der Strecke bleiben. Auch da geht es um Freiheit, und es geht auch da um materielles Urheberrecht, das ihnen zusteht. Denn es gibt nicht nur den Schutz des Künstlers, sondern auch die Schranken des Urheberrechts, auf die sich Nutzer bei ihren Verfremdungen und Verarbeitungen geschützter Werke berufen können; das ist uns ebenfalls wichtig. Beides unterliegt dem materiellen Urheberrecht, beides ist geschützt, und beides muss in der Regelung, die wir hinterher auf den Weg bringen, zum Zuge kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin ganz optimistisch, dass die Lösung viel besser sein wird als das, was heute diskutiert wird. Es wird heute immer über Worst-Case-Szenarien diskutiert. Unsere Aufgabe ist es doch, einen guten Weg und einen guten Ausgleich der Interessen zu finden. Da sehe ich sehr konkrete Anknüpfungspunkte. Es ist jetzt noch zu früh, über konkrete Ideen zu sprechen.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Winkelmeier-Becker, das können wir jetzt auch nicht mehr.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):

Genau. – Wir werden Vorschläge vorlegen, für die wir kein Urheberrecht beanspruchen werden. Wir würden uns freuen, wenn es dafür große Mehrheiten gibt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)