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Elisabeth Winkelmeier-Becker: Der Staat muss eine Schutzpflicht gegenüber dem Kind wahrnehmen

Rede zur Werbung für Schwangerschaftsabbruch - § 219a StGB

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserer Klinik fühlen Sie sich wohl. Wir haben Verständnis für Ihre Situation. Unser Team hat jahrelange Erfahrung, tagtägliche Routine. Bitte bringen Sie bequeme Kleidung und Bargeld mit. – So könnte eine Klinik auf ihrer Internetseite werben. Die Bilder würden eine junge Frau mit melancholischem Blick zeigen, ein sympathisches Ärzteteam und eine moderne Klinik.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Quatsch!)

In der Rubrik Bewertungen könnten Patientinnen schreiben: Ich war rundum zufrieden und gebe fünf Sterne.

So oder so ähnlich – so wie Kliniken in Deutschland heute zum Beispiel für Schönheitsoperationen und Nasenkorrekturen werben –

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Es waren Sie, die die Kliniken zu Unternehmen gemacht haben!)

könnte auch für Abtreibungen geworben werden, wenn wir den Gesetzentwürfen der Fraktion der Linken und der Grünen

(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

oder auch dem Gesetzentwurf der FDP folgen würden, die das Verbot der Werbung komplett abschaffen bzw. einschränken wollen; denn unsachlich oder grob anstößig wäre solche Werbung nicht.

Das zeigt, dass das, was in Ihren Gesetzentwürfen steht, weit darüber hinausgeht, als nur zu erlauben, dass ein Arzt auf seiner Homepage sagen kann: Schwangerschaftsabbruch gehört zu meinem Leistungsspektrum. – Es geht weit darüber hinaus und nimmt Formen an, die wir nicht akzeptieren werden. Solche Werbung wird ganz konkret von Firmen und Kliniken im Ausland schon betrieben. Das ist mit dem Recht des ungeborenen Kindes, mit seinem Recht auf Menschenwürde von Anfang an nicht vereinbar.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Ich denke, so geht man an das Thema nur heran, wenn man den Gedanken an ein Kind mit eigenen Grundrechten ausblendet und nur von Schwangerschaftsgewebe spricht. In diesem Sinne ist es letztlich sogar folgerichtig, jede Einschränkung abzulehnen. Hier liegt der Unterschied zu unserer Bewertung. Nach unserer Überzeugung, die auch dem Ansatz des Bundesverfassungsgerichts entspricht, geht es um ungeborenes menschliches Leben, mit Menschenwürde und Lebensrecht von Anfang an – unabhängig davon, ob es ihm jemand zuspricht.

Das ganze Individuum ist von Anfang an, schon in diesen ersten Stadien, angelegt. Es muss nichts mehr hinzukommen, was den Menschen erst zum Menschen macht. Er entwickelt sich, sagt das Bundesverfassungsgericht, als Mensch und nicht zum Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Meine lieben Kolleginnen – das sage ich ausdrücklich, weil es hier um dieses heranwachsende Leben und sein Lebensrecht geht –, man kann beim Thema Abtreibung nach meiner Überzeugung nicht so diskutieren, als ginge es ausschließlich um Rechte von Frauen, um sexuelle Selbstbestimmung, um Freiheit, Emanzipation und Gleichberechtigung. Das wird dem Recht des Kindes nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Für das Kind steht alles auf dem Spiel. Gleichzeitig ist es in der denkbar vulnerabelsten Situation; denn es ist abhängig von der Mutter, die bei einer ungewollten Schwangerschaft – das ist uns natürlich sehr bewusst – selbst auch in ihrer eigenen Lebensplanung und in ihrer eigenen körperlichen Integrität massiv betroffen ist.

Der Staat muss hier eine Schutzpflicht gegenüber dem Kind wahrnehmen. Das hat er in einem ziemlich klugen Konzept auch umgesetzt. Es gibt dem Lebensrecht des Kindes Raum, aber erkennt auch an, dass die ungewollte Schwangerschaft für die Mutter mit Zumutungen verbunden ist und dass nur sie allein letztendlich die Entscheidung treffen kann und treffen muss, wie es weitergeht.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Dafür braucht es eine Grundlage!)

Der Schutz des Kindes kann nur mit der Mutter zusammen erfolgen. Das ist Grundlage des Schutzsystems. Deshalb stehen wir auch zu diesem System. Es ist sehr gut.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Beratung kommt aber in diesem System eine ganz wesentliche Bedeutung zu. Sie ist es erst, die den Verzicht auf die Strafe auch verfassungsgemäß macht. Da gibt es ein paar weitere Regeln: Derjenige, der die Beratung durchführt, darf nicht selbst den Abbruch durchführen. Außerdem darf es kein materielles Eigeninteresse der Beratungsstelle geben und auch keine Verbindung zu denjenigen, die für einen Schwangerschaftsabbruch ein Honorar erhalten. Das hat seinen guten Grund. Es geht um den Konflikt zwischen Lebensrecht auf der einen Seite und Selbstbestimmungsrecht auf der anderen Seite, und da dürfen materielle Interessen Dritter keine Rolle spielen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin, Sie denken an die Zeit.

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):

Noch etwas hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht: In der Rechtsordnung muss an anderer Stelle deutlich werden, dass der Abbruch missbilligt wird, auch wenn auf Strafe verzichtet wird. Das passt nicht mit Werbung zusammen. Werbung darf den Effekt der Beratung nicht konterkarieren. Werbung stünde im Widerspruch zur Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin.

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):

Nicht zuletzt würde die Trennung zwischen Beratung und eigenem wirtschaftlichen Interesse aufgehoben. Das gefährdet den Schutz des Kindes. Uns geht es um den Schutz des Kindes mit der Mutter zusammen. Deshalb halten wir an der geltenden Regelung fest.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)