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Dr. Volker Ullrich: Wir müssen darüber sprechen, ob die BaFin ihre Aufsichtspflicht stärker wahrnehmen muss

Redebeitrag zur Reform der Wirtschaftsprüfung

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir über die Wirtschaftsprüfung sprechen, dann bitte ich, zu differenzieren. Wir haben auf der einen Seite viele Hundert kleine und mittelständische Wirtschaftsprüfungskanzleien, die vor allen Dingen für das Handwerk und für den Mittelstand taugliche und kompetente Ansprechpartner sind, und auf der anderen Seite natürlich eine Konzentration von vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Diese Struktur dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Es waren übrigens mal fünf große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Eine hat sich vor zwanzig Jahren wegen eines Betrugsfalls selbst aus dem Rennen genommen.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Ich glaube, wir müssen sehr gut aufpassen, dass wir aus dem Oligopol der großen Vier durch Maßnahmen am Ende nicht ein Duopol oder ein Monopol machen.

Wir brauchen auch auf dem Prüfungsmarkt eine Vielfalt, und es muss vor allen Dingen natürlich auch die Möglichkeit für Unternehmen geben, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auszutauschen. Wenn die Kompetenz in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften so gebündelt ist, dass gerade große Mandate nur noch von ganz wenigen angenommen werden können, dann verfestigt sich möglicherweise eine Kultur – vielleicht auch eine Fehlerkultur –, die wir in dem Maße nicht gutheißen können. Deswegen, glaube ich, brauchen wir in der Tat eine sehr intensive Debatte darüber, wie wir die Wirtschaftsprüfung weiterentwickeln, und da müssen wir über ein paar Ansätze diskutieren, die wichtig sind.

Ich glaube, es ist gegen ein sogenanntes Joint Audit nicht viel einzuwenden, aber wenn ein Joint Audit nur dazu führt, dass aus den Großen Vier wiederum jeweils zwei die Mandate bekommen, dann hätten wir den Kleineren nicht geholfen.

Wir müssen auch darüber sprechen, ob die Trennung zwischen Prüfung und Beratung ein tauglicher Ansatzpunkt ist. Die Generierung von Wissen in den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und die Compliance in den Unternehmen selber müssen hier auch ein Stück weit gegengerechnet werden. Es soll ja einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht generell verboten werden, anderweitig noch Beratungsgeschäft zu generieren. Nur, dieses Beratungsgeschäft darf eben nicht so auf das Prüfungsgeschäft durchschlagen, dass es hier zu Interessenkonflikten kommt. Diese Interessenkonflikte müssen wir ausräumen.

Wir müssen aber auch darüber sprechen, inwieweit die Wirtschaftsprüfung in Richtung einer stärkeren forensischen Prüfung fortentwickelt werden kann. Es geht also um die Frage: Werden Compliance-Verstöße ein Stück weit stärker verfolgt? – Hier wäre die Frage, ob man aufseiten der Aufsichtsräte nicht die Prüfungsausschüsse stärken sollte, damit sie auch ein Stück weit eine eigenständige Kompetenz erhalten.

Schließlich müssen wir darüber sprechen, ob die Regulierungsbehörde, die BaFin, ihre Aufsichtspflicht hier noch stärker wahrnehmen sollte bzw. muss.

Ich glaube, insgesamt lässt sich sagen, dass wir die Ergebnisse des Wirecard-Untersuchungsausschusses abwarten und bewerten sollten.

Wir müssen zudem dafür Sorge tragen, dass die Funktion der Wirtschaftsprüfung beibehalten und gestärkt wird, nämlich auf der einen Seite die Lauterkeit der Abschlüsse zu prüfen und auf der anderen Seite auch die Informationsfunktion für den Kapitalmarkt wahrzunehmen. Da kommt Wirtschaftsprüfern eine wichtige und auch gewichtige Rolle zu. Ich glaube, das ist nicht nur eine Frage der Vorschriften allein, sondern auch eine Frage der Kultur und der Fehlerkultur. Da wird es auch notwendig sein, dass sich hier am Bewusstsein etwas ändert.

Letztlich kann Wirtschaftsprüfung allein kriminelles Handeln von Vorständen und Aufsichtsräten nicht verhindern. Aber man kann dazu beitragen, dass das besser aufgedeckt wird und dass durch Frühwarnsysteme entsprechende Strukturen entdeckt werden.

In dem Sinne: Lassen Sie uns über diese Fragen mit sehr viel Sorgfalt diskutieren!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)