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Dr. Volker Ullrich: Wir haben eine erstklassig arbeitende Justiz

Gesetzes zur Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Revision zum Bundesgerichtshof ist zulässig, wenn das Berufungsgericht die Revision im Urteil ausdrücklich zulässt. Sie kann diese Revision zulassen, wenn die Rechtssache eine übergeordnete und grundsätzliche Bedeutung hat, übrigens unabhängig vom Streitwert. Es kann auch um die Bankgebühr von 19,50 Euro gehen, den Handyvertrag oder den Stromtarif.

Wird aber diese Revision nicht zugelassen, dann kann der Beschwerdeführer im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung zum Bundesgerichtshof erzwingen, aber eben nur dann, wenn der Streitwert über 20 000 Euro liegt. Ich meine, das ist eine richtige und kluge Regelung, weil sie auf der einen Seite den Rechtsfrieden garantiert und auf der anderen Seite dafür sorgt, dass der Bundesgerichtshof nicht überlastet wird.

Die Geltungsdauer dieser Regelung würde, wenn wir heute nicht tätig werden, am 30. Juni dieses Jahres auslaufen. Deswegen ist es richtig, dass wir die Dauer dieser Regelung nachher verlängern.

Was würde denn passieren, wenn wir die Geltungsdauer nicht verlängern würden? Dann würde der Bundesgerichtshof eine Vielzahl von weiteren Nichtzulassungsbeschwerden bekommen, und zwar zu vielen Fällen, die keine grundsätzliche Bedeutung haben und deren Streitwert unter 20 000 Euro liegt.

Natürlich kann die Antwort darauf sein, den Bundesgerichtshof besser auszustatten: mit weiteren Senaten, mehr Personal und weiteren Sälen. Aber ich glaube, die entscheidende Frage ist: Was würde das aus dem Bundesgerichtshof machen? Die Frage der Ressourcen kann nicht das Thema sein. Vielmehr ist die Frage: Welchen Charakter hat dann das Gericht noch? Der Charakter würde darin bestehen, dass aus einem Bundesgerichtshof mit einer überschaubaren Zahl von Senaten ein Bundesgerichtshof mit einer unüberschaubaren Zahl an Senaten werden würde, ein Bundesgerichtshof, bei dem dann überwiegend der Gemeinsame Senat die Rechtsprechung übernehmen würde.

Ich glaube, vor dem Hintergrund unseres Ziels einer Einheitlichkeit der Rechtsprechung und einer hohen Qualität sollten wir den Bundesgerichtshof nicht überfordern, sondern ihm das zuweisen, was er als Aufgabe hat, nämlich die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass wir auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung eine hohe Qualität haben. Das sind wir der Justiz schuldig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es geht auch um Rechtssicherheit. Es geht um Rechtsfrieden. Beides erreichen wir nicht oder nicht besser, wenn wir drei Instanzen haben. Wir haben in Deutschland eine exzellente Rechtsprechung an den Oberlandesgerichten. Viele Streitigkeiten lassen sich mit befriedigender Wirkung an den Oberlandesgerichten entscheiden. Ich glaube nicht, dass wir bei jeder Rechtsstreitigkeit zwangsläufig zum Bundesgerichtshof gehen müssen. Deswegen ist es richtig, dass wir hier eine gewisse Bremse verstetigen, damit wir deutlich machen, dass der Bundesgerichtshof eben ein besonderes Gericht ist und nur so seinen Aufgaben gerecht werden kann.

Ja, es ist etwas – wie soll ich es ausdrücken? – befremdlich, dass wir nun tatsächlich zum wiederholten Male die Geltungsdauer dieser Streitwertgrenze um eine geraume Zeit verlängern. Wir als Gesetzgeber haben die Aufgabe, in den nächsten eineinhalb Jahren im Rahmen einer Reform der ZPO diese Frage zu verstetigen. Wir müssen über die Frage reden, ob Berufungszurückweisungen am Oberlandesgericht tatsächlich ohne Begründung zulässig sind. Wir müssen darüber reden, ob wir die Höhe des Streitwerts von 20 000 Euro, einer Zahl, die übrigens noch aus dem Jahr 2001 stammt, nicht dynamisieren und den Bundesgerichtshof durch einen höheren Betrag weiterhin von Fällen entlasten. Wir müssen auch darüber sprechen, wie wir durch Digitalisierung unsere Justiz für die Anforderungen des digitalen Rechtsverkehrs fit machen. Das sind die Themen, über die wir sprechen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Abschließend möchte ich mich auf einen Punkt konzentrieren, der mir wichtig erscheint. Wir reden heute über ein Spezialgebiet aus der Justiz. Aber insgesamt haben wir die Aufgabe, dass wir die Rechtsprechung in Deutschland nicht schlechtreden sollten und dass wir denjenigen entgegentreten, die sagen: Es wird in diesem Land nicht Recht und Gesetz vollzogen. – Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben eine erstklassig arbeitende Justiz. Wir haben Richter und Staatsanwälte, die sich für diesen Rechtsstaat engagieren. Hinter ihnen stehen wir. Mit der heutigen Entscheidung geben wir unserer Justiz ein Stück mehr Rechtssicherheit und drücken dem Bundesgerichtshof unsere Wertschätzung aus. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)