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Dr. Volker Ullrich: Wir brauchen einen schnellen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften

In Zivilsachen ist der Zugang zum Bundesgerichtshof durch die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht möglich. Als Zulassungsvoraussetzung zählt § 543 Absatz 2 BGB die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Notwendigkeit der Fortbildung des Rechts oder die Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung auf. Das erfolgt völlig unabhängig vom Streitwert. Wird die Revision nicht zugelassen, so kann gleichwohl eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden. Der Bundesgerichtshof prüft anschließend, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen der Zulassung verkannt hat. In diesen Fällen hat der Streitwert eine Relevanz, da die Nichtzulassungsbeschwerde an die Bedingung einer Beschwer von über 20 000 Euro anknüpft.

Nun ist es noch nicht so lange her, dass wir letztmals über die Befristung dieser Wertgrenze in diesem Haus gesprochen haben. Mit Gesetz vom 21. Juni 2018 wurde die Beschränkung der Nichtzulassungsbeschwerde in § 26 Nummer 8 S. 1 EGZPO erneut um eineinhalb Jahre, bis zum 31. Dezember 2019, verlängert. Das Auslaufen dieser Regelung ist der Grund, weshalb wir nun heute erneut darüber beraten. Es war für uns auch damals schon gewissermaßen befremdlich, dass wir eine Regelung aus dem Jahr 2001 nach wiederholten Befristungen erneut verlängerten. Wie andere Kollegen habe auch ich in den Ausschussberatungen und Plenarreden auf eine letztmalige Befristung hingewiesen und eine Verstetigung angemahnt.

Nach sieben Befristungen innerhalb von achtzehn Jahren soll nun mit diesem Gesetzentwurf die Wertgrenze von 20 000 Euro verstetigt werden. Ich halte dies für einen richtigen Schritt, da wir mit einer solchen Regelung nun für Rechtsuchende, aber auch für die Rechtsanwender in der Justiz und Anwaltschaft, mehr Rechtssicherheit schaffen.

Vor allem sichern wir aber die Funktionstüchtigkeit des Bundesgerichtshofs und verhindern eine Überflutung der Zivilsenate mit Nichtzulassungsbeschwerden. Bereits heute stehen sich zugelassene Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden im Verhältnis von 1:5 gegenüber. Ein Wegfall der Streitwertgrenze würde demnach die Zahl der Nichtzulassungsbeschwerden noch weiter ansteigen lassen. Dazu kommt noch, dass die Zulassungsquote im einstelligen Prozentbereich liegt und damit, auf wenige Fälle beschränkt, nicht erfolgreich ist.

Sicherlich wäre eine andere Möglichkeit, den Bundesgerichtshof mit Personal- und Sachmitteln so auszustatten, dass künftig alle Nichtzulassungsbeschwerden ohne Rücksicht auf den Streitwert entschieden werden können. Aber wären damit die Aufgaben des Bundesgerichtshofs als eines der obersten Gerichtshöfe noch gewährleistet? Bei einer deutlich erhöhten Zahl an Zivilsenaten möchte ich bezweifeln, ob eine überschaubare und vor allem einheitliche Rechtsprechung noch gewährleistet werden kann. Das ist aber gerade die Aufgabe eines obersten Gerichtshofs: Rechtseinheit sichern, grundsätzliche Rechtsfragen klären und Recht fortbilden.

Für die richtige Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung stehen vielmehr zwei Instanzen in der Justiz der Länder zur Verfügung. Je nach Eingangsinstanz, ob Amts- oder Landgericht, entscheiden über die Berufungen die Land- oder Oberlandesgerichte und gewährleisten die notwendige Einzelfallgerechtigkeit. In den Bundesländern wird eine qualitativ hochwertige Rechtsprechung geleistet, die maßgeblich zu Rechtssicherheit und Rechtsfrieden beiträgt. Mit dem Pakt für den Rechtsstaat wird auch die Länderjustiz nochmals personell verstärkt, um diese Standards zu erhalten und weiter ausbauen zu können. Ich sehe deshalb keine Notwendigkeit, einen Rechtsweg über drei Instanzen für jeglichen Rechtsstreit bereitzustellen. Der Bundesgerichtshof soll sich vielmehr auf seine Kernaufgaben besinnen.

Die Verstetigung der Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde ist sicherlich das Hauptanliegen dieses Gesetzgebungsvorhabens. Allerdings finden sich noch weitere wichtige Regelungen zur Stärkung der Justiz und der Steigerung der Effizienz des Zivilprozesses in diesem Gesetzentwurf.

Mit der Aufnahme weiterer obligatorischer Spezialspruchkörper bei den Land- und Oberlandesgerichten wird die Spezialisierung weiter ausgebaut. Künftig soll es spezielle Kammern und Senate für Pressesachen, das Erbrecht, insolvenzrechtliche Streitigkeiten und Beschwerden sowie Anfechtungssachen nach dem Anfechtungsgesetz geben. Wie es in der Anwaltschaft bereits geschehen ist, müssen wir auch bei den Gerichten den Sachverstand für diese Rechtsmaterien noch weiter bündeln. Auf der anderen Seite können wir in unserem föderalen System mit großen Gerichten in den Ballungszentren und eher kleineren Gerichten in der Fläche nicht den gleichen Spezialisierungsgrad garantieren. Deshalb erhalten die Landesregierungen die Ermächtigungsbefugnis zur Errichtung weiterer Spezialspruchkörper und können flexibel auf die jeweiligen regionalen und strukturellen Situationen in den Ländern reagieren. Zuletzt wird mit einer Vielzahl von punktuellen Änderungen der ZPO die Effizienz des Zivilprozesses gesteigert. So soll künftig die Hinzuziehung von Sachverständigen auch außerhalb einer förmlichen Beweisaufnahme zur Unterstützung des Gerichts möglich sein oder die Voraussetzungen des gerichtlichen Vergleichs vereinfacht werden.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Wir brauchen aber vor allem einen schnellen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens, damit die Streitwertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde ab dem 1. Januar 2020 fort gilt. Machen wir uns an die Arbeit.