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Dr. Volker Ullrich: Schutz von Erfindungen und Gedanken kann an nationalen Grenzen nicht halt machen

Rede zur europäischen Patentrechtsreform

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Schutz des geistigen Eigentums ist einer der Grundpfeiler für Wohlstand und eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Einigung auf ein gemeinsames Einheitliches Patentgericht ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen Ringens um den Schutz des geistigen Eigentums auf europäischer Ebene, weil wir erkannt haben, dass der Schutz von Erfindungen und Gedanken, welche diesen Erfindungen zugrunde liegen, an nationalen Grenzen nicht haltmachen kann, sondern die Erfindung europaweit geschützt und das durch ein einheitliches Verfahren untermauert werden muss.

Wenn man sich ansieht, wie diese Reform zustande kam, dann stellt man fest: Das ist ein Meilenstein der europäischen Patentrechtsreform gewesen. Man hat sich darauf geeinigt, dass Patente in drei Sprachen – Deutsch, Englisch und Französisch – ausgestellt werden, dass dieses Reformpaket in Kraft tritt, wenn die größten Länder in der Europäischen Union dem zustimmen und wenn darüber hinaus ein internationales Gericht, auf völkerrechtlicher Basis übrigens, geschaffen wird, welches diese Patente absichert.

Ich glaube, wir sollten ein solches Einigungspaket im Bereich des geistigen Eigentums nicht aus Gründen einer Europafeindlichkeit zerreden, sondern stolz darauf sein, dass wir es geschafft haben, in dem sensiblen Bereich der Patente diese Einigung herbeizuführen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt sagen Sie, die Richter an diesem Einheitlichen Patentgericht seien weder unvoreingenommen noch unabhängig, weil ein Beratender Ausschuss, der auch mit Patentanwälten besetzt ist, über dieses Gericht entscheidet. Dazu möchte ich Ihnen sagen, dass Vorschlagslisten für ein Gericht im internationalen, übrigens auch im nationalen Maßstab nichts Neues sind, sondern gängige Rechtspraxis. Übrigens: Auch die Richter an unserem Bundesverfassungsgericht werden aufgrund von Listen gewählt, die wir als Abgeordnete vorlegen, obwohl wir im Rahmen von Organstreitverfahren von der Rechtsprechung dieser Richter möglicherweise betroffen sind. Also: Das Vorschlagsrecht ändert nichts an der Unvoreingenommenheit, zumal die Richter auch nicht wissen, wer sie vorgeschlagen hat.

Zudem muss man sagen, dass die Besetzung der Richterstellen an diesem Patentgericht gar nicht durch den Beratenden Ausschuss vorgenommen wird, sondern durch den Verwaltungsausschuss. Dieser Verwaltungsausschuss besteht aus Vertretern der Mitgliedstaaten, die sich wiederum auf eine ununterbrochene Legitimationskette bis zu ihren nationalen Parlamenten berufen können, sodass auch dort kein Demokratiedefizit besteht. Also sollten Sie ein solches auch nicht behaupten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Übrigens: Ihr Argument, dass die Möglichkeit einer Wiederwahl der Richter die richterliche Unabhängigkeit einschränkt, ist auch im internationalen Maßstab nicht zutreffend; eine Wiederwahl ist beispielsweise auch beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag möglich. Das sind anerkannte internationale Rechtsgrundsätze, die Sie hier nicht infrage stellen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wenn wir eine Antwort auf die Frage suchen, ob verfassungsrechtlich eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag notwendig war oder nicht, dann empfehle ich, sich die Artikel 23 und 24 des Grundgesetzes einmal ganz genau anzusehen. Artikel 24 ist über 70 Jahre alt. Er besagt, dass sich die Bundesrepublik Deutschland in zwischenstaatliche oder internationale Organisationen einbringen kann. Zur Lösung vieler Probleme auf der Welt muss ja, wie wir wissen, Souveränität geteilt werden. Ja, man könnte sagen, Artikel 24 besagt, die Bundesrepublik Deutschland ist ein völkerrechtsfreundlicher Staat. Für die Übertragung von Hoheitsrechten ist nur dann eine Zweidrittelmehrheit notwendig, wenn entweder die Europäische Union begründet oder geändert wird oder das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert wird.

Eine reine Übertragung von Hoheitsrechten, die Grundrechtsrelevanz hat, ist noch keine Änderung des Grundgesetzes, sondern ein Vorgang, den gerade Artikel 24 vorsieht. Sie ändern aber mit der Errichtung des Einheitlichen Patentgerichtes das Grundgesetz nicht dem Grunde oder seinem Wesensgehalt nach, weil die grundrechtlichen Ansprüche an einen Rechtsschutz gewahrt werden. Es gibt unabhängige Richter, ein Beschwerdeverfahren und die Möglichkeit, entsprechend der eigenen Betroffenheit Klage zu erheben. Somit handelt es sich um ein ganz normal arbeitendes internationales Gericht. Ein solches sieht auch das Grundgesetz vor. Deshalb ist eine Übertragung von Hoheitsrechten in diesem Fall auch ohne die für Verfassungsänderungen vorgesehene Mehrheit möglich. Das sieht das Grundgesetz vor. Sie sollten auch nichts anderes behaupten, sonst diskreditieren Sie das ganze Parlament.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wir sind ein Arbeitsparlament. Wir haben uns in den Ausschüssen und in den Fraktionen auf dieses Einheitliche Patentgericht verständigt. Wir sind uns im Deutschen Bundestag seit vielen Jahren einig, dass wir diesen Weg der europäischen Zusammenarbeit gehen wollen und gehen müssen, und haben uns sehr viele Stunden über dieses Thema unterhalten. Deswegen ist es nicht zutreffend, sondern vielmehr als billig zu bezeichnen, dass Sie hier den Bundestag in Geiselhaft nehmen und letzten Endes den Parlamentarismus diskreditieren wollen. Das ist dieses Themas nicht würdig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)