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Dr. Volker Ullrich: Im Mittelpunkt muss dabei das Kindeswohl stehen

Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung der Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, in der Tat, vor einem Jahr hat der Deutsche Bundestag nach einer intensiven und emotionalen Debatte das Recht der Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts geöffnet. Ich möchte betonen, dass sich viele Kollegen vor einem Jahr in diesem Haus die Entscheidung nicht leicht gemacht haben. Auch heute muss gelten, dass diejenigen, die aus guten und hörbaren Gründen mit Ja gestimmt haben, genauso Respekt verdient haben wie diejenigen, die sich nicht zur Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf durchringen konnten. Ich glaube, dass vor allen Dingen der Umgang miteinander im Nachgang zu dieser Entscheidung dazu beigetragen hat, auch eine befriedende Wirkung in der Gesellschaft zu erzielen. Das war auch ganz wichtig, weil es um eines geht: um die Lebensentwürfe von Menschen, um Schicksale und höchstpersönliche Einstellungen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sollten wir mit hohem Respekt und großer Sorgfalt über dieses Thema sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP])

Die Debatte heute zeigt aber auch, dass Kollegen, die vor einem Jahr darauf hingewiesen haben, dass aus juristischen und verfassungsrechtlichen Gründen der enge Zeitplan vielleicht auch Unwägbarkeiten mit sich bringt, nicht ganz unrecht hatten; denn, in der Tat, ein Jahr nach der Entscheidung vom 30. Juni 2017 sind immer noch Fragen im Personenstands- und im Abstammungsrecht offen, die einer Lösung zugeführt werden müssen. Sosehr das Anliegen damals von vielen als berechtigt vorgetragen worden ist, so sehr müssen wir feststellen: Dieser Gesetzentwurf war unvollständig. Wir werden ihn in den nächsten Wochen und Monaten vervollständigen, weil wir es den Menschen auch schuldig sind, einen entsprechenden Rechtsrahmen zu präsentieren.

(Beifall der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was den Gesetzentwurf der Grünen anbetrifft: Er betrifft eine Besonderheit im Personenstandsrecht, nämlich die Frage nach der gesetzlichen Elternschaft. Es ist in der Tat so, dass im Augenblick vermutet wird, dass der Ehemann der Mutter der Vater des geborenen Kindes ist. Dieser Rechtsgedanke soll jetzt übertragen werden auf eine Ehe zwischen zwei Müttern, sodass die Ehefrau der Mutter automatisch auch gesetzlich Mutterschaft für das geborene Kind erwirbt. Ich verstehe auch den Hintergrund: Man möchte einem Kind, das sich ohnehin bereits in einer Familie befindet und Teil der Familie ist, den Prozess der sogenannten Stiefkindadoption ersparen, weil die Stiefkindadoption natürlich ein ziemlich langer und schwerwiegender Prozess ist.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Das Problem ist nur, dass bei den in der Ehe geborenen Kindern einer verschiedengeschlechtlichen Ehe zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Vater auch der biologische Vater ist.

(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht automatisch!)

Bei einer Ehe zwischen zwei Frauen ist es aus bekannten Gründen so, dass das Kind genetisch natürlich nicht von beiden Müttern abstammen kann, sodass tatsächlich rechtlich gegebenenfalls noch ein Vater im Spiel ist. Darin liegt die Schwäche des Gesetzentwurfs: Wir müssen regeln, welches Verhältnis der Vater, der auch noch im Spiel sein könnte, zu den beiden Müttern hat, die dann rechtlich die Eltern des Kindes werden. Ich glaube, wir sollten zumindest im Interesse des Kindes vermeiden, dass das Kind drei Elternteile hat. Das wäre nämlich ziemlich kompliziert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte auch darüber sprechen, dass wir natürlich über die Aspekte der sozialen Elternschaft diskutieren müssen und können; aber, ich glaube, das muss klüger gehen, vor allen Dingen diskriminierungsfreier, weil der Gesetzentwurf nur auf eine Ehe, die zwischen zwei Frauen geschlossen wurde, abstellt. Ich glaube, dass ein Kind, das in eine Lebensverantwortung hineingeboren wird, die aus zwei Männern besteht, natürlich auch nicht die Stiefkindadoption durchlaufen muss. Da gibt es im Gesetzentwurf noch eine gewisse Diskriminierung, weil Sie hier einseitig Ehen zwischen zwei Frauen bevorzugen.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Unerhört!)

Lassen Sie uns doch vielmehr über die Frage sprechen, wie wir gerade in solchen Fällen der gemeinsamen Verantwortung die Stiefkindadoption erleichtern können. Lassen Sie uns darüber sprechen, wie wir nicht neue Diskriminierungsformen aufmachen zwischen Ehen, die zwischen zwei Männern geschlossen wurden, und Ehen, die zwischen zwei Frauen geschlossen wurden. Lassen Sie uns Unwägbarkeiten mit drei Elternteilen tatsächlich vermeiden; denn das wäre für das Kindeswohl nicht das Beste.

Lassen Sie uns im Ausschuss über diese Frage offen und ehrlich diskutieren; im Mittelpunkt müssen dabei das Kindeswohl und eine Bereinigung der abstammungs- und personenstandsrechtlichen Vorschriften im Nachgang zum Gesetz von vor einem Jahr stehen.

Es geht um Familien. Es geht um die Frage, wie wir für die verschiedenen Lebenslagen von Familien das geeignete und beste Abstammungsrecht auf den Weg bringen. In diesem Sinne: Lassen Sie uns uns auf den Weg machen! Ich wünsche allen eine gute Nacht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)