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Dr. Volker Ullrich: Es kann keine Doppelbeauftragung geben

Redebeitrag zum Verbraucherschutz im Inkassorecht

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer einen Vertrag eingeht, muss die Gegenleistung, die er schuldet, erfüllen; wer etwas kauft, muss die Ware bezahlen. – Auf diesem Grundkonstrukt ruht das Bürgerliche Gesetzbuch seit 120 Jahren. Und diese Art von Vertrauen ist wichtig und elementar für den Wirtschaftskreislauf.

Leistung und Gegenleistung stehen, wie die Juristen sagen, in einem synallagmatischen Verhältnis, um noch einen Rechtsbegriff einzuführen.

(Beifall des Abg. Sebastian Steineke [CDU/CSU] – Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Ganz wichtig um diese Uhrzeit! – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Nicht so viele Fremdwörter!)

Und wenn die 23 Millionen offenen Forderungen in Deutschland, die die Inkassobranche jährlich abarbeitet, nicht erfüllt werden, dann stehen hinter den nicht bezahlten Rechnungen auch Schicksale, nämlich gerade Mittelständler und kleine Unternehmer, die darauf angewiesen sind, dass die Rechnungen bezahlt werden. Und wenn über 5 Milliarden Euro durch die Inkassobranche jährlich rückgeführt werden, dann sichert das auch dem einen oder anderen Unternehmen das Überleben, und daran hängen auch Arbeitsplätze. Deswegen ist die Begleichung von Forderungen gerade für den Wirtschaftskreislauf eine elementar wichtige Angelegenheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir heute über Inkasso reden, dann sprechen wir nicht über das Ob der Forderungsbeitreibung, sondern wir sprechen über das Wie. Es geht um die Frage, ob es gerade bei kleinen Beträgen tatsächlich fair und angemessen ist, dass die Inkassokosten im Regelfall die offene Forderung übersteigen. Es geht nicht darum, für Kleinbeträge Inkasso abzuschaffen oder hier den Vergütungsanspruch zu vereiteln. Es geht darum, dass wir einen fairen Ausgleich finden. Ich glaube, diesen Interessenausgleich schafft dieser Gesetzentwurf.

Gerade bei kleineren Forderungen bis 50 Euro ist es doch nicht angemessen, wenn durch eine Auslagenpauschale und eine 1,3-Gebühr die Inkassokosten auf bis zu 78 Euro ansteigen. Das ist etwas, wo die Verbraucher sagen: Kann das sein? – Wenn nämlich letztlich die Durchsetzung der Inkassoforderung höher bewertet wird als die eigentlich zu begleichende Rechnung und wenn man weiß, dass im Zivilrecht übrigens auch noch erst mal die Inkassorechnungen angerechnet werden und dann die Hauptforderung beglichen wird, dann haben wir hier ein Ungleichgewicht. Und dieses Ungleichgewicht wollen wir aufheben.

Wir wollen, dass bei Kleinbeträgen, wenn jemand auf ein erstes Mahnschreiben hin sofort bezahlt und sagt: „Jawohl, das schulde ich, und ich überweise den Rechnungsbetrag“, nur noch 18 Euro Inkassogebühren fällig werden, also eine 0,5-Gebühr, und wenn man es später überweist, 36 Euro, also eine 1,0-Gebühr. Ich glaube, das ist auch angemessen, und das können die Inkassounternehmen auch leisten. Warum? Weil wir gerade bei Kleinforderungen, bei Beträgen des alltäglichen Lebens, ohnehin bereits aufseiten der Inkassounternehmen eine automatisierte Abfolge der Arbeitsabläufe haben,

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)

sodass tatsächlich auch aufseiten der Inkassounternehmen ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis dargestellt werden kann. Handelt es sich dagegen um größere Forderungen, dann ist es angemessen, dass tatsächlich auch die Validität der Forderung geprüft wird, sodass hier auch zukünftig höhere Gebühren möglich sind.

Aber klar ist auch: Es kann keine Doppelbeauftragung geben, wenn der Schuldner nicht bereit ist, doppelt zu bezahlen, und auch gar nicht vorhersehen kann, dass er dies muss. Wer also ein Inkassounternehmen und einen Rechtsanwalt beauftragt, der kann sich das nicht zweimal bezahlen lassen. Vielmehr muss sich der Gläubiger der Forderung entscheiden: Lasse ich diese Forderung durch ein Inkassounternehmen oder durch den Rechtsanwalt beitreiben? – Ich glaube, es ist nur fair und angemessen, dass der Verbraucher hier nicht doppelt belastet wird.

Dann wollen wir noch dafür Sorge tragen, dass die Aufsichtsbehörden gerade in den Fällen – und die kommen auch vor –, in denen vermeintliche Forderungen beigetrieben werden, es zu einem sogenannten Identitätsdiebstahl kommt, Inkassounternehmen über die Stränge schlagen oder dem Verbraucher vielleicht auf unangenehme Weise auf den Leib rücken, stärker einschreiten können. Deswegen muss die Aufsichtsbehörde auf dem Schreiben angegeben werden. Ich glaube, das trägt auch dazu bei, hier den Verbraucherschutz zu stärken.

Also alles in allem: Wir wollen, dass wir einen fairen Ausgleich finden zwischen den Interessen derjenigen, die das Geld brauchen, weil sie Leistungen erbracht haben, und den Interessen der Verbraucher, die vor überhöhten Forderungen geschützt werden sollen. Lassen Sie uns über diesen Gesetzentwurf intensiv diskutieren und daraus ein gutes Gesetz machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])