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Dr. Volker Ullrich: Es geht darum, dass wir die Schwächsten besonders schützen

Rede zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Coronakrise sind eine große Herausforderung für unsere Rechtsordnung. Wenn vieles stillsteht, ist das nichts anderes als ein gesellschaftlicher Wegfall der Geschäftsgrundlage. Recht und Lebenswirklichkeit lassen sich nicht voneinander trennen. Deswegen spannen wir heute einen rechtlichen Schutzschirm über vielerlei Vertragsbeziehungen auf. Es geht darum, dass wir die Schwächsten besonders schützen und Zeit gewinnen, um aus der Krise herauszukommen.

Im Wesentlichen geht es darum, dass wir die Mieterinnen und Mieter im Mietrecht stärker schützen wollen. Es besteht durch dieses Gesetz kein Anspruch darauf, die Miete nicht zu bezahlen. Aber wenn jemand coronabedingt die Miete nicht bezahlen kann, dann muss er nicht fürchten, dass ihm die Wohnung gekündigt wird. Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten.

Aber klar ist auch, dass wir einen Interessenausgleich brauchen. Wir müssen auch an die kleinen Vermieter denken, die von den Mieteinnahmen abhängig sind, um ihre Darlehen zu bedienen. Auch hier gilt: Wer das Darlehen nicht bedienen kann, muss keine Angst haben, dass das ganze Darlehen sofort fällig gestellt und er damit zahlungsunfähig wird. Hier liegt, meine Damen und Herren, ein wichtiger Interessenausgleich.

Wir müssen auch über die Frage des Insolvenzrechts sprechen. Gerade in schwierigen Zeiten kommt es darauf an, Zeit zu gewinnen und Geld einzunehmen, durch Hilfsfonds oder eine zeitliche Streckung, um damit den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Eine Insolvenzantragsfrist von nur drei Wochen ist in dieser Krise nicht ausreichend; deswegen wird sie verlängert.

Wir sorgen auch dafür, dass die Unternehmen handlungsfähig bleiben, indem sie die Beschlüsse fassen können, die zur Bilanzierung, aber auch zur Ausschüttung des Bilanzgewinns notwendig sind. Deswegen führen wir eine virtuelle Hauptversammlung ein. Ja, das hat Änderungen in Bezug auf die Wahrnehmung der Rechte des Minderheitsaktionärs zur Folge. Aber ich glaube, dass wir auch hier einen guten Interessenausgleich finden, um Unternehmen in schwierigen Zeiten handlungsfähig zu halten.

Ja, meine Damen und Herren, das Ganze muss zeitlich begrenzt sein, weil eine Ausnahmesituation nicht die Regel werden darf. Wir müssen hier so wie bei anderen Punkten sehr besonnen vorgehen. Ich glaube, dass diese Krise – das haben die Beratungen heute deutlich gemacht – keine Krise des Rechts ist; denn alle Eingriffe in Grundrechte sind verhältnismäßig, zeitlich begrenzt und gut begründet. Wir bringen damit zum Ausdruck, dass unsere freiheitlich-demokratische Ordnung auch mit einer solchen Situation im Rahmen des Rechts umgehen kann. Das ist die wichtige Botschaft: Wir können durch Recht und Gesetz eine Krise bewältigen. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)