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Dr. Volker Ullrich: Die politischen Stiftungen leisten im In- und Ausland eine bedeutende Arbeit

Gesetz über die Rechtsstellung und die Finanzierung parteinaher Stiftungen

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die parteinahen Stiftungen sind Teil der politischen Kultur unseres Landes. Nach bitteren historischen Erfahrungen haben wir uns nicht nur darauf verständigt, dass es eine unlösbare Bindung unseres Gemeinwesens an Menschenwürde und Demokratie gibt, sondern dass wir für diese Ordnung auch allesamt eintreten müssen. Niemals mehr soll es eine Demokratie ohne Demokraten geben.

(Jürgen Braun [AfD]: Ohne parteinahe Stiftungen!)

Deswegen liegt die Förderung politischer Bildungsarbeit und das Werben für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im öffentlichen Interesse; und das ist auch gut so für unser Land.

Die politischen Stiftungen leisten eine bedeutende Arbeit, nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland. Mit vielen Hundert Repräsentanten sind sie Botschafter für Menschenrechte und Demokratie.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, ja!)

Wer sich die Entwicklung des Transformationsprozesses beispielsweise in Mittel- und Osteuropa angesehen hat, stellt fest, dass die politischen Stiftungen – gleich welcher parteipolitischen Nähe – sehr stark dafür gekämpft haben, dass dieser Transformationsprozess auch gelingen konnte. Es war ein wichtiges Eintreten auch für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit.

Nicht vergessen werden darf auch die journalistische Nachwuchsförderung. Dies ist ein großartiges Werben für Pressefreiheit in der Welt. Gerade auch dieser Einsatz ist vor dem Hintergrund einer zunehmenden Bedrohung – auch der freien Presse – eine sehr wichtige Arbeit, die die Stiftungen weltweit leisten.

Nun wird darüber gesprochen, ob es eine gesetzliche Grundlage brauche. Ich darf Ihnen zurufen – es ist bereits angesprochen worden –, dass es diese gesetzliche Grundlage bereits gibt, und zwar in Form des Haushaltsgesetzes. Auch dieses ist ein ordentliches Parlamentsgesetz und kann dazu dienen, die Mittel für die politischen Stiftungen nach den Regeln, die der Haushaltsausschuss vorgibt, auszukehren. Also, die Behauptung, es würde keine materiell-rechtliche Grundlage vorliegen, ist vor dem Hintergrund des tatsächlichen Charakters des Haushaltsgesetzes, aber auch vor der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einfach nicht zutreffend. Ich denke, Sie sollten hier nicht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung und des Gesetzescharakters von einer Grauzone oder gar von verfassungswidrigen Zuständen sprechen. Das gibt die Sachlage eindeutig nicht her.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das Gesetz, das Sie vorgelegt haben, hat einen schwerwiegenden Konstruktionsfehler. Das Verfassungsgericht betont in seiner Rechtsprechung, dass es zwar eine Nähe zwischen der parteinahen Stiftung und der sie tragenden Partei gibt, dass aber die Grenze klar und deutlich gezogen werden muss. Insbesondere müssen diese Stiftungen staatsfern sein. Wenn Sie aber die Stiftungen zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts machen, dann werden sie inkorporierter Teil des Staates und verfehlen damit ihre Wirkung. Damit stellen Sie im Grunde das Stiftungswesen zur Disposition. Das wollen wir nicht. Das wollen Sie vielleicht, weil Sie die Demokratie schwächen wollen. Wir wollen an diesem bewährten Merkmal festhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist auch nicht in Ordnung, dass Sie zwei wesentliche Punkte nicht mehr aufnehmen, zum einen die journalistische Nachwuchsförderung und zum anderen die Begabtenförderung. Ja, wir müssen junge Menschen, die sich zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie bekennen, unterstützen und fördern, damit sie Botschafter dieser Werte und dieser Haltung werden.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Glaser?

Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU):

Ja.

Albrecht Glaser (AfD):

Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Darf ich Sie und andere Diskutanten vielleicht noch einmal auf Folgendes hinweisen: Dieses Projekt kann man ja in vielen Einzelfragen, weil tatsächlich viele, auch juristische Probleme darin liegen, anders gestalten; das soll gar nicht bestritten werden. Aber das Wesen eines solchen Vorschlags ist ja, dass wir den Prozess in Gang setzen. Ich darf Sie und die anderen Diskutanten darauf aufmerksam machen: Wenn Sie sich diesem Projekt verweigern, wird der Umfang der Mittel, die einer AfD-nahen Stiftung nach den alten Spielregeln zufließen werden, in Zukunft um ein Vielfaches höher sein als die Mittel, die ihr zufließen, wenn wir dieses Gesetzesvorhaben umsetzen würden.

(Zuruf von der LINKEN: Dafür müssen Sie erst wieder hereinkommen!)

Da Sie sich ja vor solchen politischen Aktivitäten der AfD fürchten, könnte es sein, dass das dann in Bezug auf Ihre Absicht kontraproduktiv ist.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das nächste Mal sind Sie ja nicht dabei! – Gegenruf des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wenn Sie so weitermachen, sind wir bald so stark wie Sie!)

Können Sie sich dazu vielleicht äußern? Ich meine, das ist ja eine ganz interessante Frage taktischer und strategischer Natur.

Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU):

Herr Kollege Glaser, wir werden Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil er schlichtweg schlecht ist. Er ist handwerklich völlig daneben, und Sie sprechen einige Punkte in diesem Gesetzentwurf nicht an, die, wie meine Kollegen bereits ausgeführt haben, in ein Stiftungsgesetz hineingehörten. Sie erkennen nicht, dass es eine Trennung geben muss zwischen einer parteinahen Stiftung und dem Staat selbst.

Aber wenn wir schon über die AfD-Stiftung sprechen, dann muss ich Ihnen zurufen: Werden Sie sich erst einmal selbst im Klaren darüber, welche Stiftung Sie eigentlich präferieren.

(Beifall der Abg. Marianne Schieder [SPD])

Ehrlich gesagt, beide Stiftungen passen nicht zu Ihnen. Desiderius Erasmus war ein Humanist, der für Religionsfreiheit und für Toleranz eingetreten ist. Das passt nicht zu Ihrer Haltung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und dann lassen Sie uns auch über Gustav Stresemann sprechen. Gustav Stresemann, Friedensnobelpreisträger, wusste, dass Deutschland nur in und mit Europa existieren kann, niemals dagegen.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Er war für die Aussöhnung mit Frankreich. Ich sage Ihnen ehrlich: Wenn es mehr weitsichtige Politiker wie Gustav Stresemann in den 1920er-Jahren gegeben hätte,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

wäre mehr für die Aussöhnung mit Frankreich getan worden, und vielleicht wären bitterste Stunden unserer Geschichte nicht passiert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang möchte ich den Enkel von Gustav Stresemann zitieren, der gesagt hat – ich zitiere –:

Was mein Großvater schließlich aus Überzeugung vertrat, steht ja fundamental gegen das, was die AfD verkörpert.

Das sollten Sie sich merken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Name Gustav Stresemann passt nicht zu einer Stiftung, die Ihr Gedankengut als parteinahe Stiftung tragen würde.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam die Arbeit der politischen Stiftungen unterstützen, im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und einer gemeinsamen Verantwortung für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte, für die Bildungsarbeit und für das Eintreten für Pressefreiheit. Ich sage das ganz bewusst auch in diesen Tagen, weil wir merken: Überall in Europa wird die demokratische, offene und plurale Ordnung angegriffen. Die Stiftungen stehen genau für diese Ordnung. Sie verteidigen und festigen sie. Insofern sollten wir auch nicht durch ein schlechtes Gesetz diese Stiftungen infrage stellen. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)