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Dr. Volker Ullrich: "Die Familie ist vom Staat geschützt"

Änderung des Grundgesetzes zur ausdrücklichen Verankerung der Kinderrechte

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes ist stets etwas Besonderes, zumal wenn es sich um den Grundrechtsteil handelt. Mit insgesamt vier Sätzen sollen Kinderrechte im Grundgesetz festgeschrieben werden. Für eine Gesellschaft, deren Zukunftsmusik Kinderlachen sein muss, ist das ein wichtiger Moment. Es geht um die Anerkennung der Grundrechtsberechtigung von Kindern, um das Kindeswohlprinzip, um Anhörungsrechte und um die Klarstellung, dass die Elternrechte unberührt bleiben.

Jetzt mag mancher einwenden: Das ist doch materiell bereits im Grundgesetz geregelt. – Das stimmt auch: Verfassungsrechtlich wird der Kern von Artikel 6 nicht angetastet. Aber es ist eine wichtige und notwendige Klarstellung. Das Kindeswohlprinzip ist bereits jetzt wesensbestimmender Teil des Schutzes von Ehe und Familie, und Kinder – das ist mir wichtig zu betonen – stehen bei den Eltern. Ihre Gemeinschaft, die Familie, ist vom Staat geschützt. Die UN-Kinderrechtskonvention stellt das klar und gilt in Deutschland im Range eines Bundesgesetzes.

Die Frage ist: Ist diese Änderung also nur Symbolpolitik? Darauf muss es zwei Antworten geben. Zum einen: Im Verfassungsstaat sind auch Symbole wichtig. Symbole drücken Haltungen und Wertentscheidungen aus. Also ist die Verankerung von Kinderrechten ein Symbol dafür, welchen Raum wir dem Schutz von Kindern in unserer Verfassungsordnung zuschreiben.

Aber es ist mehr. Es ist auch die notwendige Klarstellung, dass das Wohl von Kindern einen besonderen Rang im Grundgesetz einnehmen wird. Das stärkt nicht den Staat, sondern das stärkt Kinder und Familien; das ist das wichtige Signal.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist auch eine konsequente Rechtsentwicklung. In Grundgesetzdebatten wurde zweimal erwogen, Kinderrechte aufzunehmen: bereits 1948 und 1993. Beide Male hat man sich dagegen entschieden.

(Zuruf von der LINKEN: Wer ist „man“?)

Jetzt sind wir weiter. Wir haben in den letzten Jahren eine Rechtsentwicklung verfolgt, die die Rechte von Kindern stärker in den Mittelpunkt gestellt hat: das Recht auf gewaltfreie Erziehung seit dem Jahr 2000 und die uneingeschränkte Geltung der UN-Kinderrechtskonvention seit 2011.

Kinderrechte sind also ein verfassungspolitisch wichtiges Zeichen. Sie sind auch realpolitisch wichtig, weil wir im Augenblick eine Zeit erleben, in der es Kinder besonders schwer haben, in der Familien leiden. Wir werden mit diesem Gesetz nicht die Folgen von Corona bekämpfen; aber wir senden ein starkes Symbol: dass Kinder einen besonderen Schutz im Grundgesetz genießen. Deswegen bitte ich um konstruktive Beratungen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)