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Dr. Heribert Hirte: Wir sollten darüber nachzudenken, einen Joint Audit zu machen

Redebeitrag zur Reform der Wirtschaftsprüfung

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wirecard-Skandal – das wurde gerade schon gesagt – ist einer der größten Finanzskandale und Betrügereien der deutschen Nachkriegsgeschichte. Lieber Herr Kollege De Masi, 1,9 Milliarden Euro ist die Summe, die in Asien fehlt. Der Schaden für die Anleger und für die deutsche Volkswirtschaft ist um ein Vielfaches größer;

(Zustimmung des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE])

er wird mit etwa 10 Milliarden Euro beziffert. Um das einmal in einen Vergleich zu setzen: 3,5 Milliarden Euro beträgt die jährliche Summe der Schäden, die durch Ladendiebstahl entstehen. Daran sehen wir, was hier für ein Schaden entstanden ist.

Der Schaden ist deshalb noch viel größer, weil das Vertrauen der Anleger, gerade unserer deutschen Anleger, in die deutsche Wirtschaft, in die deutschen Aktiengesellschaften fundamental zerstört worden ist. Wir haben die Sorge, dass jetzt plötzlich noch mehr Ausländer in unsere Gesellschaften investieren und diejenigen aus Deutschland, die eigentlich zur Altersvorsorge in solche Werte investieren sollten, es nicht mehr tun. Deshalb ist es angezeigt und richtig, dass wir hier über die Frage diskutieren, was zu tun ist, was vor allen Dingen im Bereich des Rechtsschutzes zu tun ist; denn da besteht jetzt in der Tat Handlungsbedarf.

Sie von der Linken haben eine ganze Reihe von Vorschlägen vorgelegt; auch in dem Grünenantrag ist eine ganze Reihe von Vorschlägen enthalten. Wir wissen, dass das Finanzministerium bereits einen Referentenentwurf vorgelegt hat, der in der Diskussion ist. Manches davon deckt sich, manches nicht. Lassen Sie mich einige Punkte aus dem, was jetzt schon angesprochen worden ist, herausgreifen:

Erstens. Es wird ganz einfach und relativ pauschal gefordert, die Haftung der Wirtschaftsprüfer müsse erweitert werden – von 1 Million bzw. 4 Millionen Euro auf 8 Millionen bzw. 20 Millionen Euro oder so etwas Ähnliches. Aber ehrlich: Bei einem Schaden von 10 Milliarden Euro ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Aus meiner Sicht wird damit das Problem nicht adressiert. Deshalb, glaube ich, müssen wir, was die Haftung angeht, ein bisschen differenzierter nachdenken.

Ein Ansatz, der im Raum steht, ist, zu sagen: Lasst uns doch die Haftung nach dem Umfang der Prüfungshonorare strukturieren – ein Vielfaches der Prüfungshonorare. Das ist eine angemessene Größendifferenzierung, die man mit einer moderaten Haftungserweiterung einhergehen lassen mag – ein Punkt, über den man meines Erachtens nachdenken muss.

Zweitens. Sie haben die sogenannte Dritthaftung angesprochen, nämlich nicht die Haftung gegenüber dem Auftraggeber, sondern gegenüber den geschädigten Anlegern; sie müsse unbegrenzt sein. 10 Milliarden Euro – das wird nicht funktionieren; denn dann müsste man sich dagegen versichern, die Prüfungshonorare würden ins Unermessliche gehen. Das kann nicht laufen.

Ich glaube, wir können über einen Punkt nachdenken, der in der Diskussion schon geäußert wurde: Eigentlich geht es um den Schutz der Kleinanleger. Das sind diejenigen, die sich nicht durch ein gestreutes Depot sozusagen selbst versichern können. Das heißt: Wer ein Depot hat, das kleiner ist als beispielsweise 100 000 Euro – das ist die Grenze der Einlagensicherung –, also nicht streuen kann, der mag möglicherweise als Adressat in Betracht kommen, und in diesen Fällen – das war falsch, was Sie gesagt haben – gilt schon jetzt nicht die Beschränkung auf Vorsatz. Vielmehr haben wir hier eine Deliktshaftung, die von der Rechtsprechung auf Leichtfertigkeit ausgedehnt wurde. So einfach ist es also nicht.

Drittens. Sie haben gesagt, wir müssten Prüfung und Beratung trennen. Ja, da können wir auf den europäischen Level zurückgehen. Aber der guten Ordnung halber ist wichtig, zu wissen: Das war bei Wirecard nicht das Problem.

(Zuruf des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE])

Und im Übrigen: Wenn man die Dinge dann so verlagern und miteinander vermischen würde, dass man sagt, man brauche allein externe Prüfer, dann fände man zu den Honoraren, die eigentlich gezahlt werden müssten, vielleicht keine qualifizierten Prüfer.

Richtig ist meines Erachtens der Ansatz, darüber nachzudenken, einen Joint Audit zu machen:

(Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

ein großer Wirtschaftsprüfer plus ein kleiner oder mittelständischer Wirtschaftsprüfer zur Kontrolle. Da wäre dann die Frage, wer sie zu bestellen hätte. Und die entscheidende Frage ist, ob es teurer würde. Ich glaube, die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, die im Augenblick eine Art Permanentprüfung macht, wäre dann vielleicht verzichtbar.

Das sind die Überlegungen, die aus meiner Sicht jetzt erörtert werden sollten. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und danke herzlich.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])