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Dr. Heribert Hirte: "Wir schaffen ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren"

Rede zum Sanierungs- und Insolvenzrecht

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an das anknüpfen, was der Kollege Brunner gerade gesagt hat. Er hat gesagt, kein Unternehmen habe es verdient, in die Insolvenz zu gehen. Das ist so nicht ganz richtig. Wir wünschen keinem Unternehmen, dass es in die Insolvenz gehen muss. Und mit diesem Gesetz wollen wir dazu beitragen, dass dieser Wunsch, dass es nicht zur Insolvenz kommt, in Erfüllung geht.

Mit diesem Gesetz schaffen wir ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren. Wir schaffen die Möglichkeit, gerade nicht in die Insolvenz gehen zu müssen, sondern vorher zur Einigung zu kommen. Aus marktwirtschaftlicher Sicht sind freiwillige Einigungen mit den Gläubigern das Beste, dass man also in einem konsensualen Verfahren weiterkommt. Noch besser ist es, wenn das alles antizipiert wird.

Leider – das ist der Bezug zur Krise – passiert das nicht immer. Deshalb brauchen wir gewisse Mehrheitsentscheidungen und einen gewissen Druck. Genau dafür sorgen wir mit dem Verfahren, das wir jetzt zusätzlich einführen werden. Der Kollege Frei hat den gesamten volkswirtschaftlichen Zusammenhang schon erörtert.

In der Tat geht das zurück auf eine europäische Richtlinie. An der Rechtssetzung dieser Richtlinie – das muss ich betonen – haben wir als Fraktion, haben wir als Bundestag uns im Vorfeld beteiligt. Hier kommt nichts von oben. Nein, das kommt von ganz unten, und es wird von ganz Europa getragen. Das dient im Übrigen indirekt auch der Stabilisierung des Euro.

Wir haben im Vergleich zum Regierungsentwurf ein paar wesentliche Punkte geändert. Einige möchte ich ein wenig erläutern:

Das Wichtigste ist, glaube ich – das merkt man an den Rückmeldungen in den letzten Tagen –, dass wir in diesem vorinsolvenzlichen Verfahren die Möglichkeit der Vertragsbeendigung gestrichen haben. Wir haben das getan, weil wir in der Anhörung sehr deutlich gesagt bekommen haben, dass die Gläubiger sonst möglicherweise bei ihrer Kreditpolitik auf die Möglichkeit eines vorinsolvenzlichen Verfahrens Rücksicht nehmen müssten, dass sie weniger Kredit ausreichen, weniger Warenkredit gewähren würden, dass letztlich die Schuldner dieses Sanierungsrisiko an die Gläubiger weitergeben könnten und dass deshalb auch kleine und mittelständische Unternehmen betroffen wären. Das ist der erste und wichtigste Punkt. Das heißt nicht, dass man darüber nicht hätte nachdenken können – diese Möglichkeit besteht auch in anderen Ländern –; aber in der jetzigen Phase wäre das, glauben wir, ein falsches Zeichen, ein falscher Schritt gewesen.

Wir haben zweitens die Haftungsregelungen für Geschäftsleiter im Vorfeld der Insolvenz in den §§ 2 und 3 des Regierungsentwurfs herausgenommen. Wir haben sie deshalb herausgenommen, weil wir die Sorge hatten, dass sonst zum 1. Januar 2021 viele Geschäftsführer, vor allen Dingen von kleinen und mittelständischen Unternehmen, ihr Amt hätten niederlegen müssen – aus Sorge, dass sie schon in der drohenden Zahlungsunfähigkeit sind. Gerade in der Anhörung wurde uns gesagt: Das betrifft große Teile der Wirtschaft, je nach Bewertung. – Und das ist eines der Probleme. Diese Bewertung ist nicht ganz klar; sie wird im Nachhinein bestätigt. Und wenn Sie ein Unternehmen mit solchen Unsicherheiten belasten, dann ist das ein Risiko. Dieses Risiko haben wir aus dem Gesetzentwurf rausgenommen.

Wir hätten uns gewünscht, dass wir die Liquiditätsplanung, die Planung in die Zukunft, die jetzt in § 1 geregelt ist, noch ein bisschen präziser hätten fassen können, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen. Das haben wir in der Tat in der Kürze der Zeit nicht geschafft. Wir werden aber da im Dialog bleiben. – Vielen Dank.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ei, ei, ei!)

Und wir haben einen wichtigen Punkt gesetzt. Wir haben nämlich die Vergütung sowohl der Restrukturierungsbeauftragten als auch der Insolvenzverwalter klar offengelegt. Jeder weiß jetzt, was das kostet und was die Verfahren im Vergleich kosten. Das ist viel, gerade auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Sicher – das kann ich mir vorstellen – könnte man noch mehr machen. Aber wir müssen jetzt erst mal einen Schritt weiter kommen, und das tun wir.

Frau Kollegin Rottmann, Sie haben recht: Das Verfahren ist am Ende unglücklich gelaufen. Aber ich bin in einem Punkt stolz darauf, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist: Wir als Bundestag – und das haben wir im Rechtsausschuss durchgesetzt – führen die Debatte über die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Wir sind das entscheidende Organ. Stellen Sie sich vor – das war ja anfangs in der Diskussion –, die Ministerin, die hier sitzt, hätte das alleine gemacht.

(Zuruf der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dann hätten wir die Ministerin vielleicht noch kritisieren können, aber wir hätten es nicht mal richtig erfahren. Jetzt diskutieren wir offen darüber. Ich finde es richtig, dass Minister Altmaier sich um Hilfen für kleine und mittelständische Unternehmen bemüht, und ich finde es schade, dass die Grünen dies ablehnen.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Das ist ein gutes Gesetz.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Professor Dr. Hirte.

Bevor ich dem letzten Redner das Wort erteile, will ich auf etwas hinweisen: Ich habe mehrfach gesehen, dass Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fraktionen aus dem Plenarsaal heraus mit ihrem Handy telefonieren. Dies ist unzulässig. Ich weise darauf hin, dass dies mit einem Ordnungsruf belegt werden kann und auch wird. Nehmen Sie das wirklich ernst.

Letzter Redner ist der Kollege Alexander Hoffmann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)