Skip to main content

Dr. Heribert Hirte: Wir haben Ressourcen, die begrenzt sind

Gesetzes zur Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung

Lieber Nachtwächter!

(Heiterkeit)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, ich nehme das als Kompliment.

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Sie haben heute Morgen schon angekündigt, dass Sie eigentlich nicht mehr kommen wollten. Daran, dass Sie doch kommen müssen, haben wir den ganzen Tag gearbeitet. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fechner, Sie haben es in Ihrer Rede zur ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs so schön gesagt:

Wer recht hat, muss auch recht bekommen, und das schnell und kostengünstig.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Genau!)

Das treibt uns hier alle gemeinsam um. Deshalb haben wir in unserer Koalitionsvereinbarung auch einen „Pakt für den Rechtsstaat“ verabredet, an dem wir arbeiten. Dabei müssen wir insbesondere die Länder – das möchte ich bei dieser Gelegenheit betonen; wir haben das schon heute Morgen einmal in einem anderen Zusammenhang gesagt – mit ins Boot ziehen.

(Stephan Brandner [AfD]: Es war gestern Morgen!)

– Richtig, gestern Morgen. Ich hatte die Uhr jetzt nicht ganz so genau im Kopf; sie ist nämlich hinter mir.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Nein, die ist auch vor Ihnen, Herr Kollege. Wenn Sie nach vorne gucken, sehen Sie sie.

(Heiterkeit)

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Frau Kollegin Rottmann, Sie haben die Frage gestellt, warum die Eingangszahlen bei den unteren Gerichten zurückgehen, und behauptet, darauf gebe es keine Antwort. Doch, darauf gibt es eine Antwort. Eine Antwort ist nämlich das Internet. Die Menschen haben gerade bei kleinen Streitigkeiten in einem deutlich höheren Maße als früher Zugang zum Recht, und sie führen einfache Rechtsstreitigkeiten nicht mehr, wohl aber komplexe Streitigkeiten. Das sind die, die zum BGH gehen. Das ist dann auch einer der Gründe, warum wir hier eine Diskussion darüber haben, ob die Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde noch einmal befristet verlängert werden soll.

Um es deutlich zu sagen: Ich würde mir wünschen, wir müssten über keine Grenzen nachdenken und jeder könnte unbegrenzt vor den Gerichten klagen. Aber wir haben Ressourcen, die begrenzt sind, und deshalb geht das so nicht.

Noch richtiger und wichtiger wäre es, wenn wir nur bei einer einzigen Instanz bleiben könnten, sodass die erste Entscheidung die richtige Entscheidung ist. Denn jede Berufung, jede Revision kostet zusätzliches Geld für die Parteien, kostet Zeit, und eine Partei muss auf die richtige Entscheidung, die vielleicht auch nur vermeintlich richtige Entscheidung, länger warten.

Weil die zweite Instanz auch verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Rechtsweggarantie als Rechtsschutzinstrument nicht zwingend geboten ist – der Kollege Ernst von den Linken ist nicht da; mit ihm habe ich immer wieder darüber gestritten –, habe ich auch im Zusammenhang mit TTIP und CETA gesagt: Wir brauchen nicht zwingend eine zweite Instanz. Wir brauchen eine richtige Entscheidung. Deshalb – weil wir eine Rechtsschutzgarantie nur in Bezug auf eine Instanz haben – kann auch nicht davon die Rede sein, dass die Grenze, um die es hier geht, eine willkürliche Grenze ist; schließlich mussten wir gerade diese zweite Instanz nicht einräumen.

In der Tat, wenn wir uns vor Augen führen, dass 10 Prozent der Nichtzulassungsbeschwerden erfolgreich sind – theoretisch könnte das auch bei den Beschwerden unterhalb dieser Ebene der Fall sein –, dann sollten wir über die Frage nachdenken – mit Blick auf den Antrag der Grünen sage ich, darüber werden wir auch nachdenken –, ob es irgendwelche Alternativen gibt, um sozusagen dieses Restproblem des fehlenden Rechtsschutzes zu lösen. Ein Problem gehen wir gerade an: Das ist die Musterfeststellungsklage. Denn da geht es natürlich um die Frage, wie in vergleichbaren Fällen von grundsätzlicher Bedeutung Recht durch die Instanzen besser gewährleistet werden kann.

Ich will noch zwei weitere Punkte nennen, über die man nachdenken könnte. Kostenregelungen könnten ein Ansatz sein – der Kollege hat das eben schon angesprochen –, dass man etwa dann, wenn man die jetzige Wertgrenze nicht beibehalten möchte, sagt: Ein Mindeststreitwert von 20 000 Euro ist kostenrelevant. Man kann auch über die Frage nachdenken, ob der Streitwert isoliert für die Revisionszulassung im Hinblick auf andere, parallele Verfahren nach oben gesetzt werden kann. Insofern: Möglichkeiten gibt es. Ich bin am Ende.

Vielen Dank. – Vier Sekunden schenke ich Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)