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Dr. Heribert Hirte: Wir haben ein wichtiges Gesetz eingebracht

Redebeitrag zum COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank für die freundliche Begrüßung! Ich wollte schon sagen: Es ist derselbe Präsident wie letzte Woche, das gleiche Thema wie letzte Woche. – Wir haben ein wichtiges Gesetz eingebracht, und ich freue mich, dass die Justizministerin heute Abend extra noch da ist; denn es geht um die Frage, wie wir mit den Insolvenzen umgehen, die sich coronabedingt ergeben haben.

Wir als Staat haben zu Beginn der Coronakrise die staatliche, sozusagen die strafrechtliche Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Wir haben sie ausgesetzt, weil wir wussten, dass sonst Insolvenzlagen unter Strafe zum Vorschein kommen. Deshalb war das ein richtiger Schritt, den wir am Anfang der Coronakrise gemacht haben. Und so ist es jetzt auch ein richtiger Schritt, dass wir sagen: Wir müssen in die zum Teil traurige Normalität zurückkehren.

Wir gehen diesen Schritt – wir haben das schon letzte Woche diskutiert – differenziert: Erstens. Für die Unternehmen, die zahlungsunfähig sind, die echt ihre Schulden nicht mehr sofort bezahlen können, führen wir die Insolvenzantragspflicht wieder ein; wir beleben sie wieder ab 1. Oktober – ein wichtiger Schritt zur Rückkehr in die insolvenzrechtliche Normalität.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens. Bei bloß überschuldeten – das sage ich ganz bewusst – Unternehmen machen wir das aber nicht. Frau Skudelny wird das gleich nachhaltig kritisieren; das ist mir schon klar.

(Heiterkeit der Abg. Judith Skudelny [FDP])

Wir machen es unter anderem deshalb nicht, weil beim Antragsgrund der Überschuldung der Nachweis schwierig ist. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass in dem Reformgesetz, das wir jetzt schon mehrfach angesprochen haben und das wir in den nächsten Tagen erwarten, vielleicht etwas mehr dazu drinsteht, dass man diesen Grund etwas modifizieren oder gar abschaffen muss. Deshalb ist es richtig, dass wir in dem Gesetz, das jetzt zur Debatte steht, diesen Grund jedenfalls noch bis zum 31. Dezember aussetzen. Und wir haben die Hoffnung und die Zuversicht, dass wir dann zu einer Dauerlösung übergehen können.

(Enrico Komning [AfD]: Na ja!)

Wir haben bei diesem Gesetz in drei Punkten noch einmal etwas klargestellt; wir haben es in einem Änderungsantrag zu unserem Fraktionsentwurf noch ein wenig präzisiert. Wir haben nämlich erstens präzisiert, dass die Aussetzung, die jetzt zurückgenommen wird, nicht früher gewährte Darlehen betrifft. Dabei geht es – ich hatte es letzte Woche eigentlich schon als selbstverständlich angesprochen – um die sogenannten KfW-Darlehen. Insofern ist die Rücknahme nicht erfolgt. Diese Darlehen bleiben also privilegiert.

Diese Privilegierung – das ist der zweite Punkt, den wir noch klargestellt haben – bleibt auch für die Sonderfälle erhalten, in denen eine Insolvenzantragspflicht unter Strafbewehrung – etwa bei Personengesellschaften – früher gar nicht bestand, aber trotzdem Kredite privilegiert werden sollen. Die sprachliche Klarstellung hat uns das Justizministerium dankenswerterweise zugeliefert.

Was wir nicht gemacht haben – und das war in der Diskussion –, war, auch Stundungen etwa von Mietzahlungen, aber insbesondere von Sozialversicherungsbeiträgen zu privilegieren. Darüber kann man nachdenken – das möchte ich ganz deutlich sagen –, aber nur unter einer Voraussetzung – und deshalb waren die Texte, die da kursierten, meines Erachtens nicht direkt zielführend –, dann nämlich, wenn dem Unternehmen neue Liquidität zugeführt wird. Das ist nämlich das, was in diesem Gesetz jetzt schon drinsteht: Wer neue Liquidität zuführt, wer das Unternehmen sozusagen am Leben erhalten will, der soll dafür nicht bestraft werden, nicht anschließend Anfechtungsansprüchen ausgesetzt sein. Das gilt aber nicht für alle Sozialversicherungsbeiträge, es gilt auch nicht für alle Mietzahlungen, die gestundet sind. Da müsste man möglicherweise noch einmal über einen besseren Text nachdenken. Meines Erachtens folgt das aber schon jetzt aus dem aktuellen Gesetzestext, sodass die Änderung, die in der Diskussion war, in diesem Punkt nicht erforderlich ist.

Ich möchte noch einen dritten und letzten Punkt ansprechen. Ich habe letzte Woche schon darauf hingewiesen: Im Zusammenhang mit dem Gesetz, dessen Änderung – sozusagen die Rücknahme – wir jetzt beraten, ist im März auch eine gesellschaftsrechtliche Reform in Kraft getreten, das Maßnahmengesetz, das zum Beispiel befristet eine virtuelle Hauptversammlung ermöglicht.

Das Bundesjustizministerium hat – erstens – die Möglichkeit, den zeitlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes durch Verordnung zu verlängern. Aber ich habe – wir haben bei uns in der Fraktion diesen Punkt diskutiert – bei einigen der Regelungsgegenstände Bedenken, ob sie noch coronabedingt verlängerbar sind. Das betrifft etwa die Einschränkungen des Fragerechts der Aktionäre, durch die in der Hauptversammlung keine Interaktion mehr stattfindet. Ob das jetzt noch gelten kann, obwohl man sich als Gesellschaft auf die Fortführung der früheren gesetzlichen Regelung vorbereiten kann, daran habe ich Zweifel, im Übrigen auch verfassungsrechtliche Zweifel.

Das gilt – zweitens – auch für die Verkürzung der Einladungs- und ähnlicher Fristen. Das war im März nötig, denn da kam das alles ganz schnell; aber ob das mit Blick auf das Jahr 2021 – dann finden die Hauptversammlungen statt, um die es geht – noch nötig ist, daran kann man zweifeln.

Es gilt – drittens – für das Teilnehmerverzeichnis. Im Übrigen geht es hier um ein Problem, das auch bei Parteien auftritt; das Innenministerium arbeitet an entsprechenden Gesetzentwürfen. Wenn wir eine elektronische Versammlung haben, dann müssen wir auch wissen, wer die Teilnehmer waren, die durch Briefwahl an der Veranstaltung teilgenommen haben; sonst kann man ja die Mehrheitsverhältnisse nicht kontrollieren. Wir haben uns deshalb an Ihr Haus gewandt, Frau Justizministerin, und glauben, wir müssten in diesen Punkten noch etwas nachsteuern, ungeachtet der Frage, ob die virtuelle Hauptversammlung als solche aus Gründen der Rechtssicherheit auch für das nächste Jahr ein geeignetes Instrument ist. Aber das ist eine weitere Baustelle.

Man könnte noch viel dazu sagen; aber dann würde der Präsident sagen, ich solle Schluss machen. Also schenke ich dem Präsidenten zehn Sekunden meiner Redezeit, bedanke mich für die Aufmerksamkeit, hoffe und bitte um Ihre Zustimmung und wünsche einen schönen guten Abend. „Gute Nacht“ darf ich ja noch nicht sagen; das ist letzte Woche kritisch angemerkt worden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Hirte, Sie haben mir nichts geschenkt; denn Sie haben die zehn Sekunden jetzt noch mit Ihren Worten ausgefüllt. Aber das ist in Ordnung.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Das war einkalkuliert!)