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Christoph Bernstiel: "Wir müssen konsequenter gegen Hetze, Verleumdung und Mobbing vorgehen"

Vereinbarte Debatte - Bekämpfung des Antisemitismus nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor einer Woche, ziemlich genau zu dieser Uhrzeit, machte sich ein Wahnsinniger nach Halle auf. Sein Ziel war, so viele Juden wie möglich zu töten. Selbst ein einziger getöteter Jude wäre für ihn ein Erfolg gewesen. Er traf eine Christin und einen HFC-Fan. Jana und Kevin – das waren ihre Namen. Seine Mordlust war nicht gestillt, er setzte seine Fahrt fort. Im benachbarten Wiedersdorf verletzte er ein Ehepaar mit Schüssen schwer. Es grenzt an ein Wunder, dass diese Menschen nicht auch getötet wurden. Durch einen selbstverursachten Verkehrsunfall wurde er schließlich überwältigt und in Gewahrsam genommen. Er hinterließ eine traumatisierte Gemeinde, eine traumatisierte Stadt und vielleicht sogar eine traumatisierte Nation.

Ich selbst werde nie vergessen, wie es sich angefühlt hat, als mich gegen 12.40 Uhr eine SMS mit folgendem Inhalt erreicht hat: Amokalarm im Paulusviertel. Bisher eine getötete Person, Täter flüchtig. – Zu diesem Zeitpunkt hatte meine Familie gerade das Haus verlassen und befand sich keine 500 Meter vom Tatort entfernt.

Im Laufe des Tages erreichten mich immer dramatischere Meldungen, von denen sich viele Gott sei Dank als falsch erwiesen. Auch zahlreiche Medienanfragen erreichten mich. Ich muss mit Bestürzung feststellen, dass einige Medien bereits über die Ursachen und die Hintergründe spekuliert haben, während circa 700 mutige Polizisten noch damit beschäftigt waren, unsere Stadt vor weiteren Anschlägen zu schützen. An dieser Stelle möchte ich allen Einsatzkräften, die in Halle unterwegs waren und sehr besonnen und mutig agiert haben, meinen tief empfundenen Dank aussprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wilde Spekulationen machten die Runde. Halle sei eine rechtsextreme Hochburg, die Hooliganszene trage eine Mitverantwortung, und die Behörden hätten in Halle viel zu lange weggeschaut, hieß es. Meine Damen und Herren, ich als Hallenser kann Ihnen sagen: Das ist Unsinn. Halle ist keine rechtsextreme Hochburg. Halle ist tolerant, weltoffen, lebendig, tapfer und mitfühlend. Und trotzdem kämpft auch diese Stadt mit dem Krebsgeschwür unserer Gesellschaft. Rechtsextremismus und Hass sind keine typischen Phänomene des Ostens. Die traurige Wahrheit ist, dass das, was in Halle geschehen ist, überall in Deutschland hätte geschehen können. Hass und Gewalt sind mit Vollgas auf dem Vormarsch zur Mitte unserer Gesellschaft. Die Strategie ist die gleiche wie seit 100 Jahren: Erst vergiftet man mit Worten die Köpfe und die Seelen der Bevölkerung, dann folgen Taten.

Unser gemeinsames Ziel muss es daher sein, den Nährboden auszutrocknen, auf dem Hass gedeiht.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau deshalb müssen wir konsequenter gegen Hetze, Verleumdung und Mobbing vorgehen. Doch wer glaubt, dass Intoleranz und Gewalt dafür die richtigen Instrumente sind, der ist ein Narr.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Nur wer Liebe und Mitgefühl in seinem Herzen trägt, kann erkennen, wann Grenzen überschritten werden und wann es Zeit ist, zu handeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wurden genug Grenzen überschritten. Es ist nun an uns allen, zu zeigen, wie ernst wir es meinen, wenn wir sagen: Nie wieder!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)