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Alexander Hoffmann: Optimale Rechtsschutzmöglichkeiten sollten für einen Beschuldigten gewährleistet sein

Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung setzt die EU-Richtlinie 2016/1919 um. Hierbei soll das Recht auf einen Verteidiger in den notwendigen Fällen in ein sehr frühes Stadium vorverlagert werden.

Bisher war für die Frage, wann ein Verteidiger zu bestellen ist, § 140 StPO maßgeblich. Hiernach war ein Verteidiger unter anderem dann notwendig, wenn zum Beispiel dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wurde, ein Berufsverbot im Raum stand oder der Fall bestimmte rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufwies. Nun soll der notwendige Verteidiger bereits vor der ersten Vernehmung des Beschuldigten bestellt werden.

Ich will nicht verhehlen, dass ich dieser Neuregelung wenig abgewinnen kann. Denn für die Polizei entsteht zunächst einmal ein zusätzlicher, nicht unerheblicher Prüf- und Arbeitsaufwand. Hinzu kommt der Umstand, dass sich – und das zeigt die Praxis – die Geständnisbereitschaft eines Beschuldigten häufig reduziert, hat er sich erstmal mit einem Verteidiger beraten. Wir sollten diesen Umstand nicht außer Acht lassen. Es wäre naiv, zu glauben, dass jede Verteidigungsstrategie zwangsläufig in ein Geständnis einmündet. Das lassen unsere StPO und unser StGB auch zu, das will ich nicht werten. Allerdings sehe ich nicht ein, dass wir der Polizei ihre Arbeit schwerer machen, als diese ohnehin schon ist.

Hinzu kommt, dass die Richtlinie auch vorsieht, dass man auf die Beiordnung eines Rechtsbeistands verzichten kann. Auch dies kommt in der Praxis gar nicht so selten vor. Es gibt einfach Angeklagte, die keinen Rechtsanwalt wollen. Das ignoriert der vorliegende Entwurf völlig. Die Möglichkeit des Verzichts sieht er nämlich an keiner Stelle vor. Ich will heute schon deutlich machen, dass das einen dringenden Ergänzungswunsch der Union darstellt.

Liest man die Richtlinie genau, muss man zudem feststellen, dass die Richtlinie vom „Beschuldigten“ spricht. Damit wird klar, dass sie nicht für den „Angeklagten“ gilt, also ab Erhebung der Anklage. Damit ist auch die Hauptverhandlungshaft nicht erfasst, also die Haft für den Angeklagten, der zur Hauptverhandlung nicht erscheint. Auch diesbezüglich erweitert der vorliegende Entwurf die notwendige Verteidigung auf einen Bereich, in dem es die Richtlinie nicht vorgibt, wo aber erhebliche Verzögerungen eintreten können, weil zum Beispiel der Richter den neuen Termin zur Hauptverhandlung in seinen ohnehin schon engen Sitzungskalender einpflegen muss, das aber nun auch noch in Abstimmung mit dem Verteidiger.

Ich will abschließend nochmal deutlich machen, dass ich es auch aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten geboten finde, optimale Rechtsschutzmöglichkeiten für einen Beschuldigten zu gewährleisten. Dabei sollte aber sichergestellt sein, dass Ermittlungsarbeit nicht unendlich erschwert wird. Daher wäre meine Bitte, dass wir genau darauf im parlamentarischen Verfahren besonderen Wert legen.