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Alexander Hoffmann: Insgesamt gibt es viele Fragen, die wir vertiefen sollten

Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren setzt die EU- Richtlinie 2016/800 um.

Wie auch im Erwachsenenstrafrecht muss es als Daueraufgabe eines Rechtsstaates betrachtet werden, die Verfahrensregeln regelmäßig an aktuelle Entwicklungen anzupassen. Dabei muss ein Rechtsstaat besonders gründlich die Rechte des Beschuldigten im Blick haben.

Im Jugendstrafrecht kommt hinzu, dass hier – anders als im Erwachsenenstrafrecht – nicht der Sühne- und Strafcharakter im Mittelpunkt steht, sondern der Erziehungsgedanke. Diesem muss im Jugendstrafrecht auch das Strafverfahren bereits Rechnung tragen. Der Erziehungsgedanke soll damit bereits bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Tat implementiert werden.

Dazu trifft der vorliegende Entwurf Neuregelungen zum Beispiel hinsichtlich der Frage, wann ein Verteidiger hinzuzuziehen ist oder ab wann im Verfahren die Jugendgerichtshilfe zu beteiligen ist. Wobei ich Letzteres vom Regelungsumfang schon auch hinterfragen möchte, da die Jugendgerichtshilfe bereits heute in jeder Lage des Verfahrens zu beteiligen ist.

Insgesamt halte ich deshalb den vorliegenden Entwurf für durchaus gelungen. Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch gleich auf Punkte hinweisen, über die wir im parlamentarischen Verfahren dringend sprechen sollten:

Ich habe eingangs den Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht herausgestellt. Ausfluss dieser Idee ist auch das Gebot, dass ein Jugendstrafverfahren möglichst beschleunigt durchgeführt werden soll. Denn nur die zeitnahe, spürbare Konsequenz verspricht die gewünschte erzieherische Wirkung. Heute ist es deshalb so, dass der Jugendgerichtshilfebericht parallel im Verfahren eingeholt wird. Das spart Zeit und verzögert das Verfahren nicht unnötig. Nach dem vorliegenden Entwurf soll das aber dahin gehend geändert werden, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage erst dann erheben darf, wenn der Jugendgerichtshilfebericht vorliegt. Wir sollten also dringend überlegen, ob das dem Grundsatz der Beschleunigung noch ausreichend Rechnung trägt.

Auch die Frage der Hinzuziehung eines Verteidigers ist meines Erachtens nach dem vorliegenden Entwurf nicht zufriedenstellend gelöst. Dieser soll dann hinzugezogen werden, wenn es möglich erscheint, dass beim Beschuldigten erhebliche erzieherische Defizite festgestellt werden. Diese Prognoseentscheidung ist aber in der Regel in diesem frühen Stadium des Verfahrens nicht sicher zu treffen.

Insgesamt also viele Fragen, die wir im parlamentarischen Verfahren vertiefen sollten. Darauf freue ich mich sehr.