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Dr. Volker Ullrich: "Wir wollen die Rechte der Kinder stärken"

Rede zur Änderung des Grundgesetzes - Kinderrechte

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter den vielen Beschreibungen unserer Welt ist auch eine möglich, die die Kinder in den Mittelpunkt stellt und die deutlich macht, dass unsere Welt jung ist. Über 2 Milliarden Menschen sind derzeit unter 15 Jahre alt. Für diese Menschen weltweit ist die UN-Kinderrechtskonvention Hoffnung und Zuversicht zugleich. Wir wissen, dass wir nur eine Zukunft haben, wenn wir auf die Kinder setzen

(Stephan Brandner [AfD]: Indem wir uns auf die Kinder setzen? Was sagen die Kinder, wenn wir uns auf sie setzen? Ich setze mich nicht auf Kinder!)

und ihnen die bestmöglichen Voraussetzungen gewährleisten, überall auf der Welt.

Ich weiß, dass dies in vielen Teilen der Welt noch nicht in dem Umfang möglich ist, wie wir es uns erwünschen. Trotzdem bedeuten 30 Jahre Kinderrechtskonvention auch 30 Jahre Hoffnung. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Moment. Die großen Punkte der Kinderrechtskonvention kann man zusammenfassen mit dem Streben nach einem besseren Kindeswohl, nach einem Verbot von Diskriminierung, nach Beteiligung und nach einem Recht auf Leben und Entwicklung. Das alles findet sich in dieser Konvention, die übrigens bereits im Range eines einfachen Bundesgesetzes in Deutschland vollumfänglich gilt. Deswegen ist in der Tat die Frage erlaubt, ob es eine Begründungsnotwendigkeit gibt, neben der UN-Kinderrechtskonvention auch eine Verfassungsänderung herbeizuführen.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass auch unter der Geltung des bereits seit 70 Jahren bestehenden Artikels 6 unseres Grundgesetzes hervorragende Veränderungen für Kinder in Deutschland möglich waren.

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Als im Jahre 1948/49 das Grundgesetz verabschiedet worden ist, sind in den Schulen in Deutschland Kinder noch gezüchtigt worden. Das Recht auf gewaltfreie Erziehung ist erst im Jahr 2000 in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden. Das zeigt, dass wir bereits einen langen Weg hinter uns haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts heißt es ganz klar: Das Wohl der Kinder liegt den Eltern besonders am Herzen. Eine kindgerechte Entwicklung steht auch im Mittelpunkt des Erziehungsauftrages. – Das hat dazu geführt, dass sich in unserem Land zu Recht unendlich viel getan hat.

Trotzdem stehen wir vor dem juristischen Problem, dass wir einerseits die Kinder mit ihren besonderen Lebenssituationen in den Blick nehmen müssen, andererseits aber bei der Beurteilung ihrer Stellung die UN-Kinderrechtskonvention als einfaches Bundesgesetz heranziehen müssen. Deswegen haben wir uns als Große Koalition auf den Weg gemacht, ausgehend von dieser Situation etwas Besseres zu schaffen. Dabei trete ich jedem entgegen, der das juristisch – bewusst oder unbewusst, weil er es nicht anders weiß – falsch bewertet. Nach wie vor steht im Mittelpunkt unserer Überlegungen das Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder, weil die Eltern die Verantwortung bei der Erziehungsarbeit tragen. Damit ist die Familie die Organisation, die für die Erziehung der Kinder zuständig ist. Gleichwohl wollen wir, dass die Eltern im Rahmen ihrer Erziehungsleistung durch ein Staatliches Wächteramt begleitet werden. Wir wollen die Rechte der Kinder stärken und damit deutlich machen, dass uns eine kindgerechte Gesellschaft besonders am Herzen liegt. Um deutlich zu machen, dass die Stärkung von Familien im Mittelpunkt unserer Politik steht, wollen wir dies durch eine Änderung im Grundgesetz zum Ausdruck bringen. Die Kinder und ihre Rechte liegen uns besonders am Herzen.

Wir wollen und werden eine Änderung des Grundgesetzes aber sehr sorgsam angehen. Da stellt sich zunächst die Frage, wo diese Änderung angesiedelt sein wird, ob in Artikel 2, wie einige Staatsrechtslehrer vorschlagen, oder in Artikel 6. Ich glaube, sie gehört in das Umfeld der elterlichen Sorge, der Sorge der Eltern für ihre Kinder, weil wir daran nichts ändern wollen. Ich mache auch darauf aufmerksam, dass die Verfassung gerade in den ersten 20 Artikeln eine schöne, ästhetische Sprache hat. Kinder haben es verdient, dass wir in einer schönen, ästhetischen Sprache auch ihre Rechte besonders hervorheben.

Ja, man kann darüber sprechen, ob das, wie manche behaupten, Symbolpolitik ist oder nicht. Aber ich glaube, wenn wir für die Rechte von Kindern eintreten, wenn wir uns weiterhin auf den Weg machen, eine kindgerechte und familienfreundliche Gesellschaft zu entwickeln, dann kann das niemals Symbolpolitik sein. Vielmehr ist es ein wichtiger staatlicher Auftrag, den wir umsetzen.

(Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])

Wir haben das Grundgesetz in den letzten Jahren in vielen Punkten geändert, insbesondere in einer Sprache, die eher an Verwaltungsrecht erinnert. Ich erinnere an die Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Dann können wir uns doch im gleichen Atemzug überlegen, wie, mit welchem Satz wir die Rechte von Kindern im Grundgesetz verankern. Aber das wird nicht ausreichen. Es wird auch darum gehen, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen. Wir müssen uns nach wie vor für die Verbesserung von Bildungschancen für Kinder sehr stark einsetzen, auch für eine inklusive Bildung. Wir sind gerade dabei, die Kinder- und Jugendhilfe auf noch bessere, praxistauglichere Füße zu stellen. Wir müssen auch über die Entlastung von Familien im Steuerrecht sprechen und darüber, warum der Kinderfreibetrag noch immer nicht auf der Höhe des Freibetrages für Erwachsene ist. Das alles sind Themen, über die wir sprechen können. Am Ende des Tages kommt es darauf an, wie wir die Rechte von Familien, aber auch die Rechte von Kindern ganz konkret stärken. Unser Ziel muss sein, eine der kinderfreundlichsten Gesellschaften auf der Welt zu sein. Der Satz, dass Kinder unsere Zukunft sind, ist keine unverbindliche Programmempfehlung, sondern der Kern unserer Politik. Deswegen werden wir eine Grundgesetzänderung sehr sorgsam angehen. Die Kinder, um die es geht, haben es verdient, dass wir uns mit dieser Grundgesetzänderung sehr sorgsam und intensiv beschäftigen. Machen wir uns auf den Weg!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)