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Einsamkeit
(Quelle: Rubén Bagüés | Unsplash)

Gemeinsam gegen Einsamkeit

Fachgespräch geht Massenphänomen auf die Spur

Die digitale und mobile Lebensweise nährt das Phänomen der Einsamkeit – und Corona hat diese Entwicklung noch einmal verschärft. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion suchte in einem Fachgespräch nach Antworten. 

Von Einsamkeit sind heute junge Menschen, die auf Grund ihrer beruflich agilen Lebensweise weniger Bindungen aufbauen können, genauso betroffen wie Seniorinnen und Senioren.

In Großbritannien und den Niederlanden hat sich die Politik dieses Themas bereits auf nationaler Ebene angenommen. Auch die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat sich vorgenommen, Konzepte zu entwickeln, um Einsamkeit in allen Altersgruppen zu bekämpfen, und dieses Ziel in den Koalitionsvertrag aufgenommen. 

Abnahme fester Bindungen

Marcus Weinberg, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend, blickte zurück: Vor 200 Jahren war noch die Großfamilie die Norm – von Einsamkeit also keine Spur. Vor 100 Jahren, im Zeitalter der Industrialisierung, wurden noch immer enge familiäre Bindungen gepflegt. Aber: „Heute erfährt das Phänomen Einsamkeit eine neue Dimension: Die großen strukturellen Entwicklungen wie Mobilität und Digitalisierung haben zur Abnahme der festen Bindungen geführt – darunter leiden alle Altersgruppen.“ Die Folgen seien flächendeckende Einsamkeit und Isolation. 

Nationale Koalition

Wimke Schuurmans-Oosterom ist stellvertretende Abteilungsleiterin im niederländischen Ministerium für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport. Derzeit ist sie für das Programm „Eins gegen die Einsamkeit“ zuständig, das das Ziel hat, den Trend der Einsamkeit bei älteren Menschen in den Niederlanden zu brechen. Sie berichtete von der „Nationalen Koalition gegen Einsamkeit“, in der 130 Unternehmen und Organisationen zusammenarbeiten – sie alle haben mit Alltag von Senioren zu tun. Diese Firmen organisieren z.B. Gesprächspartner für betagte Mitbürger, die im Supermarkt für ein Schwätzchen bereitstehen, die zuhören und zugleich Tipps für zielgruppengerechte Veranstaltungen geben.

Mangel an Studien

Britta Oellers, Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion in der Enquetekommission „Einsamkeit – zur Bekämpfung sozialer Isolation in Nordrhein-Westfalen“, berichtete, dass tatsächlich jede Altersklasse heute von Einsamkeit betroffen sei. Aber man brauche eine genaue Definition: Ab wann genau ist man einsam? Die Bandbreite des Themas umfasst übrigens viele Formen des Phänomens – „es gibt emotionale, soziale, ja sogar kollektive Einsamkeit“. Oellers bemängelte, dass es bisher nicht viele Studien zu dem Thema gebe.

Betagte Babyboomer

Manuel Slupina vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung gab zu bedenken, dass in den nächsten Jahre die zahlenmäßig große Generation der Babyboomer in ein betagtes Alter kommen werde – womit auch das Phänomen der Einsamkeit noch einmal deutlich zunehmen dürfte. In dieser Generation gebe es ohnehin mehr Singles und Kinderlose, was die Situation weiter verschärfe. Adrián Carrasco Heiermann, ebenfalls vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, erläuterte, vor welche Herausforderung die Kommunen gestellt werden: „Altersfreundlichkeit ist nicht nur Barrierefreiheit – sondern soziale Teilhabe.“ 

Corona hat Tabu gebrochen

Daisy Gräfin Bernstorff, Vizepräsidentin und Generaloberin des Malteser Hilfsdienst e.V., liegt die Enttabuisierung des Themas am Herzen. Da habe nun Corona in der Tat Vorschub geleistet – „es fällt jetzt leichter, über Einsamkeit zu sprechen“. Die zuständige Berichterstatterin der Unionsfraktion für das Thema Einsamkeit, Katharina Landgraf, wies darauf hin, dass eine stärkere Vernetzung notwendig sei – nicht nur auf kommunaler, sondern auch auf Bundesebene.

Internationale Modelle prüfen

Nadine Schön, Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, unterstrich diesen Ansatz am Ende der Diskussion – auch sie plädierte dafür, die Experten zu diesem Thema besser zu vernetzen und generell die Basis zu verbreitern. Schön schlug zudem vor, genau zu evaluieren, welche Modelle in anderen Staaten erfolgsversprechend laufen, um dann Best Practices für Deutschland herauszuarbeiten. Auf diese Weise könnte dann ein Gesamtkonzept entwickelt werden.