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Grundsatzrede Friedrich Merz
(Quelle: CDU/CSU-Bundestagsfraktion)

Zeitenwende: „Nur Stärke schreckt ab“

  • Merz fordert bessere Ausrüstung und mehr Personal für die Bundeswehr
  • CDU/CSU-Kongress diskutiert über sicherheitspolitische Prioritäten
  • Konsequenzen aus dem russischen Krieg gegen die Ukraine

Angesichts der sicherheitspolitischen Herausforderungen hat Unionsfraktionschef Friedrich Merz eine Zeitenwende gefordert, die den Namen verdient. Dem Wort müssten Taten folgen, sagte er auf dem Bundeswehr-Kongress der CDU/CSU-Fraktion in Berlin. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, fügte er unter Verweis auf die Bedrohung von Seiten Russlands und anderer Autokratien. „Nur Stärke schreckt ab.“

Mehr als 400 Gäste waren der Einladung zu dem Kongress gefolgt, der sich mit der Neuausrichtung der Bundeswehr befasste. Denn zwei Jahre nach Ausrufung der „Zeitenwende“, die eine unmittelbare Reaktion des Kanzlers auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine war, hat die Bundeswehr noch immer mit erheblichen Defiziten zu kämpfen. Obwohl sie „kriegstüchtig“ werden soll, machen ihr schleppende Beschaffungsprogramme und eine prekäre Personallage zu schaffen.

Frieden und Freiheit haben ihren Preis

Merz wies darauf hin, dass nur eine „voll ausgestattete Bundeswehr“ den Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung erfüllen könne. „Unseren Soldaten schulden wir in einer Zeit, in der Krieg in Europa herrscht, erstklassiges Material und Ausrüstung.“ Politik und Gesellschaft müssten bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen, „wenn wir weiterhin in Frieden und Freiheit leben wollen“. 

Merz machte darauf aufmerksam, dass das Sondervermögen für große Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro nahezu aufgebraucht sei. Wenn der Kanzler sein Versprechen halten wolle, bis in die 2030er Jahre hinein mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, so entstehe eine Deckungslücke im Haushalt von 30 bis 50 Milliarden Euro.

Gesellschaft muss wehrhafter werden

Wenn Zeitenwende nicht nur immer neue Schulden bedeuten solle, dann brauche es einen „tiefgreifenden Wandel der Prioritäten“. Sicherheitspolitik müsse einen höheren Stellenwert einnehmen, mahnte Merz. „Unsere gesamte Gesellschaft muss wehrhafter und resilienter werden.“ Damit sprach der Fraktionsvorsitzende auch die Personallage der Bundeswehr an, die die „Achillesferse“ der Streitkräfte sei. Das Soll von 203.000 Soldatinnen und Soldaten wird nicht erreicht. Derzeit fehlen 20.000 Männer und Frauen. 

Daher setzte sich Merz dafür ein, den Soldatenberuf attraktiver zu machen – etwa mit neuen Karriere- und Standortmodellen, um den Lebensrealitäten junger Menschen besser gerecht zu werden. Man müsse auch „das Momentum nutzen“, um über ein Gesellschaftsjahr zu diskutieren, denn unter den Jüngeren bestehe hohe Bereitschaft, einen Dienst für unser Land abzuleisten. Im Gespräch ist das „Schwedische Modell“. Danach müssten jedes Jahr über 700.000 junge Menschen erfasst und gemustert werden, die dann auf freiwilliger Basis einen Wehrdienst ableisten könnten. 

In zwei Panels diskutierten anschließend Politiker und Experten darüber, was sich in der Bundeswehr verändern muss und wie das Personalproblem gelöst werden kann. Einig waren sich etwa der verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion, Florian Hahn, und der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, dass sich die Bundeswehr künftig auf die Landes- und Bündnisverteidigung konzentrieren müsse. Amtshilfe im Inland wie zu Pandemiezeiten werde sie nicht mehr leisten können. Beide forderten mehr Tempo bei der Aufrüstung und beim Aufbau von Fähigkeiten.

„Kein Anlass, sich zurückzulehnen“

Der Director-General und Chief Executive vom International Institute for Strategic Studies, Bastian Giegerich, nannte es wenig nachvollziehbar, dass trotz der neuen Bedrohungslage den politischen Akteuren die Dringlichkeit des Handelns offenbar noch nicht bewusst geworden sei. Es gebe „keinen Anlass, sich zurückzulehnen“. 

Die Personalobergrenze der Bundeswehr ist nach den Worten von Schelleis noch nicht ausgereizt. Erforderlich seien perspektivisch 240.000 Soldatinnen und Soldaten oder gar mehr, wenn man die NATO-Planungen berücksichtige. Allerdings verwies Generalstabsärztin Nicole Schilling, Vizepräsidentin und Ständige Vertreterin beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, darauf, dass die Nachfragesituation stagniere – auch wenn die Zahl der Bewerber ganz leicht zugenommen habe. Kein Problem bestehe indes darin, die klassischen Kampftruppen zu besetzen. Schwierigkeiten gebe es aber im Bereich der Fachkräfte, um die die Bundeswehr mit der Privatwirtschaft auf dem Arbeitsmarkt konkurriert.

Schieflage bei den Fachkräften

Bei den Fachkräften sieht auch die CDU-Verteidigungspolitikerin Kerstin Vieregge eine „absolute Schieflage“, denn die Industrie werbe mit Prämien, die die Bundeswehr nicht bieten könne. Vieregge beklagte, dass in manchen Schulen Jugendoffiziere nicht über die Bundeswehr informieren dürften. Sie sprach sich dafür aus, die jungen Leute dort abzuholen, wo sie erreichbar seien – in den sozialen Medien. 

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst André Wüstner, warb dafür, die Bundeswehr für junge Menschen attraktiver zu machen – durch verbesserte Ausrüstung und Unterbringung, flexiblere Dienstzeitmodelle und langfristige Beschäftigungsperspektiven. Der CSU-Außenpolitiker Thomas Erndl legte den Akzent auf gesellschaftliche Anerkennung. Seine Anregung: Menschen, die in der Truppe gedient haben, sollten anschließend als Multiplikatoren dienen.
 

Grundsatzrede von Friedrich Merz

Rede des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag beim Kongress „Die Bundeswehr zwei Jahre nach Ausrufung der Zeitenwende“ am 10. April 2024.