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(Quelle: Michael Wittig)

ME/CFS: Mehr Aufmerksamkeit für die vernachlässigte Krankheit

  • Unionsfraktion verschafft Betroffenen Gehör
  • Fachgespräch mit Experten, Politikern und Patienten
  • Öffentliche Anhörung im Bundestag geplant
     

ME/CFS – hinter diesen fünf Buchstaben verbirgt sich immenses Leid. Rund 300.000 Menschen in Deutschland, darunter 40.000 Kinder, leiden an dieser vernachlässigten Krankheit, die unter anderem zu extremer Erschöpfung führt und starke Schmerzen verursacht. Die CDU/CSU-Fraktion möchte die Betroffenen und ihre Angehörigen nicht länger alleine lassen. In einem digitalen Fachgespräch diskutierten Unionsabgeordnete mit Experten und Betroffenen. Über 500 Interessierte nahmen an der Veranstaltung teil.

Es gehe darum, ME/CFS aus dem Schatten zu holen, sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz: „Jedes einzelne ME/CFS-Schicksal ist eines zu viel.“ Der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sepp Müller und der gesundheitspolitische Sprecher Tino Sorge betonten, dass die Union den Betroffenen und ihren Angehörigen Gehör verschaffen wolle. Deren Anregungen sollen aufgenommen werden, um Forschung und Patientenversorgung zu verbessern. Für den 19. April kündigten Müller und Sorge eine öffentliche Anhörung im Bundestag an. 

Krankheit in die Ausbildung aufnehmen

„Wir möchten, dass es endlich vorwärts geht“, unterstrich auch der CSU-Gesundheitspolitiker Erich Irlstorfer, der von der Krankheit 2019 erfuhr und das Thema seither zu seiner Herzensangelegenheit gemacht hat. Es brauche schnelle Lösungen, denn vielen Patienten gehe langsam die Kraft aus, sagte er. Das bestätigte auch die Ärztin Claudia Ebel vom Selbsthilfeverein Fatigatio, die selbst von der Krankheit betroffen ist. Sie ist seit 2012 erkrankt, erhielt aber erst 2017 die
Diagnose. Claudia Ebel beklagte vor allem den Mangel in der ärztlichen Aus- und Fortbildung, weshalb die keineswegs unbekannte Krankheit selten erkannt werde.
Die Krankheit mit dem unaussprechlichen Namen Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die mit einer Vielzahl an Symptomen einhergeht und zu einem hohen Grad an körperlicher Behinderung führen kann. Viele Betroffene können ihren Alltag kaum noch bewältigen, das Haus nicht mehr verlassen. Sie sind oft berufsunfähig, wenn nicht sogar bettlägerig. Typisch auch: Nach einer körperlichen Belastung verstärken sich die Symptome. Die oft verordnete aktivierende Rehabilitation ist deshalb kontraproduktiv. Mit den physischen Problemen einher geht die soziale Isolierung und Stigmatisierung. 

Kaum Chancen auf Behandlung oder Heilung

Weil die Versorgungslage so schlecht ist, weil es kaum Chancen auf Behandlung oder Heilung gibt, ist das Leben der ME/CFS-Patienten von Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit geprägt. Die Unionsfraktion hat es sich seit längerem zur Aufgabe gemacht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Bereits im Januar debattierte der Bundestag ihren Antrag, mit dem sie sich für eine bessere Gesundheitsversorgung, Aufklärung und Anerkennung der Krankheit einsetzt. Darin weist die Fraktion auch darauf hin, dass sich die Zahl der Betroffenen verdoppeln könnte, da Long-Covid-Patienten dieselben Symptome entwickeln. Gleichzeitig hat Corona ME/CFS ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geschoben. 

In ihrem Antrag fordert die Unionsfraktion unter anderem den Aufbau von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen, Beratungsstellen und Aufklärungskampagnen. Ein weiterer Unionsantrag aus dem März verlangt mehr Geld für die Projektforschung sowie eine breit angelegte Forschungsstrategie, die sich an der „Nationalen Dekade gegen den Krebs“ orientiert. 

„Es gibt sehr viel aufzuholen“

Die Notwendigkeit ausgedehnter – und deshalb kostenintensiver - Forschung unterstrichen bei dem Fachgespräch auch die Experten Carmen Scheibenbogen und Judith Bellmann-Strobl von der Berliner Charité sowie Bernhard Schieffer vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Scheibenbogen beklagte besonders, dass Betroffenen oft fälschlich ein Burn-Out oder eine Depression bescheinigt werden. Bellmann-Strobl monierte, dass es nur zwei Spezialambulanzen gebe und dass viele Patienten ihr Leben unversorgt zu Hause fristen. Schieffer mahnte die Politik zu Schnelligkeit im Handeln: „Wir können nicht junge Menschen in Rente schicken.“ 

Sebastian Musch von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS wies darauf hin, dass die Krankheit im Grunde seit Jahrzehnten bekannt sei, aber von Medizin und Öffentlichkeit ignoriert wurde. „Es gibt sehr viel aufzuholen“, sagte er.