Skip to main content

Marcus Weinberg: Wichtig ist, dass wir unseren Kindern ihr Leben wieder zurückgeben

Rede zum Schutz der Rechte von Kindern in der Corona-Krise

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig und gut, dass wir zu dieser Zeit am Donnerstag über das debattieren, was uns wichtig ist. Natürlich freuen wir uns auch, wenn demnächst wieder die Bundesliga – für die Hamburger: die 2. Bundesliga – spielt, wir im Café sitzen können, zumindest in begrenztem Maß.

Aber wirklich wichtig ist, dass wir unseren Kindern ihr Leben wieder zurückgeben. Noch wichtiger wäre es, wenn wir unseren Kindern dieses Leben in einem etwas besseren Zustand zurückgeben könnten.

Vielleicht sind die Debatten der letzten Wochen und die der nächsten Tage und Wochen eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, was uns diese Coronakrise und all das, was wir erlebt haben, mit Blick auf die Situation von Familien, insbesondere von Kindern, mit auf den Weg geben. Wir haben hier in diesem Plenum im Deutschen Bundestag in den letzten Wochen viel darüber diskutiert, welche Auswirkungen die Coronakrise auf die Familien hat, auf die Seniorinnen und Senioren, auf die Frauen und auf die Kinder.

Herr Müller, eine Sache muss man richtigstellen. – Herr Müller, es wäre spannend, wenn Sie zuhören würden. – Wir haben eine erste Phase erlebt, in der das Thema Gesundheitsschutz prioritär war; es ging um die Stabilisierung des Gesundheitssystems und den Schutz der Risikogruppen. In der damaligen Situation war es tatsächlich so, dass man die Sorge haben musste, dass Kinder von diesem Coronavirus besonders betroffen sind. Jetzt altklug darüber zu reden, dass diese Einschätzung möglicherweise falsch war, halte ich für fatal. Ich möchte in diesem Bundestag keine Debatte darüber führen, ob wir mit Blick auf die gesundheitliche Situation unserer Kinder Dinge zu früh zugelassen haben. Deren Schutz steht immer noch an erster Stelle.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt sind wir in der Phase der Stabilisierung der ökonomischen, kulturellen, gesellschaftlichen Ordnung, Anlage, Komposition. Da will ich durchaus das unterstreichen, was Nadine Schön gesagt hat: Das Ganze ist eine Chance, darüber nachzudenken, wie wir Dinge nicht nur stabilisieren, die uns wichtig waren, sondern wie wir Dinge auch verbessern, verändern können, mehr Nachhaltigkeit erreichen können, also verändern und gestalten, statt nur erhalten, auch mit Blick auf die Familienpolitik.

In der Wirtschaft müssen wir nicht nur darüber nachdenken, wie wir die Ökonomie stabilisieren, sondern auch darüber, wie wir die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit und zu Klimaschutz erreichen. Im Gesundheitsbereich geht es darum, nicht nur das Gesundheitssystem zu stabilisieren.

(Abg. Grigorios Aggelidis [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Im Moment nicht. Danke, Herr Kollege. – Wir müssen ebenso darüber nachdenken, wie wir das Thema „Pflege und Gesundheit“ anders aufstellen. Es wäre eine Chance für den Familienbereich, dies in den nächsten Wochen und Monaten zu tun.

Tatsächlich – das haben die Kollegen angesprochen – erleben Kinder momentan eine für sie nicht oder kaum erklärbare Phase: dass die Kitas geschlossen sind, dass sie nicht mit ihren Freunden spielen, dass sie nicht auf den Sportplatz gehen können. Das verändert natürlich auch die gesamte Situation dieser Kinder. Wir können heute noch nicht die soziokulturellen Folgen abschätzen, gerade für diese verletzlichen und sensiblen Gruppen.

Falls Sie mir eine Frage stellen wollten: Nein, danke, Herr Kollege Aggelidis.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Lassen Sie eine Frage des Kollegen zu?

 

Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):

Nein, das habe ich doch schon gesagt. Jetzt habe ich es das dritte Mal gesagt; jetzt hat der Kollege es auch mitbekommen.

Insoweit ist die Frage, wie wir in den nächsten Monaten und Jahren die Bedeutung der Überschriften in der Familienpolitik entwickeln: Zusammenhalt, Sicherheit, aber auch Freiheit. Sicherheit ist mehr als nur finanzielle Sicherheit, und Freiheit ist dann sicherlich auch mehr als nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Zusammenhalt der Gesellschaft ist gerade für Kinder sicherlich mehr als zum Beispiel die Sicherung von Mehrgenerationenhäusern.

Kinder haben Rechte; das haben die Kollegen richtigerweise angesprochen. Deswegen bin ich dankbar für die heutige Debatte. Kinder haben Rechte, auch und insbesondere in Zeiten von Krisen und von Corona. Wir haben diese Rechte eingeschränkt; wir haben sie massiv eingeschränkt. Aber noch einmal: Wir haben sie auch deshalb eingeschränkt, weil der Schutz der Kinder für uns prioritär war. Jetzt müssen wir allmählich – ich glaube, darüber sollten wir zusammen diskutieren – dazu kommen, dass wir den Kindern ihre Rechte wieder zurückgeben – immer in der Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und der Einschränkung sozialer Teilhabe.

Kinder haben Rechte, was ihre Gesundheit betrifft, Rechte ihrer sozialen Sicherung, ihres Schutzes und auch ihrer Bildung. In Artikel 24 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention heißt es: Jedes Kind hat das Recht „auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“. Dies soll uns leiten.

Es war damals richtig, Kindergärten und Schulen zunächst einmal zu schließen und jetzt allmählich einen Prozess der Wiedereröffnung einzuleiten. Frau Dörner, Sie haben inhaltlich recht, wenn Sie sagen: Die sozialpädagogischen und sonderpädagogischen Bedarfe sollten berücksichtigt werden, sodass also gerade Kinder aus schwierigen Milieus, die vielleicht sonderpädagogischen oder sozialpädagogischen Bedarf haben, wieder zuerst in die Kita kommen. – Da bin ich ja bei Ihnen. Aber das ist Aufgabe der Länder. Das machen auch einige Länder, und sie machen es richtig. Sie überlegen genau: Welche Bedarfe stehen jetzt an? Das ist übrigens ein Ergebnis der Jugendministerkonferenz. Da ist es auch angesiedelt.

Es ist unheimlich populistisch, zu sagen: Wir brauchen keinen Autogipfel, sondern wir müssen die Kinder- und Jugendverbände einladen. – Dafür gibt es die Gremien: die Jugendministerkonferenz. Jeder hat seinen Verantwortungsbereich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich würde gerne noch auf viele Dinge eingehen, auch auf die der antragstellenden Fraktionen. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten sehr konstruktiv, sehr klar und sehr schnell auf diese Coronakrise reagiert. Ich appelliere an uns: Lassen Sie uns diese Kultur der Zusammenarbeit und der Betrachtung dessen, was Familien und Kinder in den nächsten Jahren brauchen, fortführen. Ich glaube – das muss zum Schluss stehen bleiben –: Es ist für uns eine Chance, dass wir diese schwierige Krise nicht nur meistern, sondern daraus auch eine neue Perspektive entwickeln, wie wir Kinder und Familien in diesem Land sehen. Das, glaube ich, sollte uns leiten. Deswegen bitte ich für diese Diskussion um breite Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)