Skip to main content

Marcus Weinberg: Familien wollen frei sein in ihrer Entscheidung

Rede zum Haushaltsgesetz 2019 (Epl 17) für den Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dann kommen wir mal zu den Maßnahmen, die man in der Familienpolitik anzustreben hat.

Was Familien jedenfalls nicht wollen, ist genau das, was Sie gerade getan haben. Sie erklären eine Ideologie für ein Familienbild. Dieses Familienbild machen Sie sozusagen zur Voraussetzung für Familienpolitik. Familien wollen aber frei sein in ihrer Entscheidung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie wollen nicht ideologiegeleitet diktiert bekommen, was sie zu tun oder nicht zu tun haben.

(Stefan Keuter [AfD]: Haben Sie zugehört?)

Wir haben mit unserem Ansatz in den letzten Jahren gerade das Thema Freiheit für Familien gestärkt und ihnen die Möglichkeit eröffnet, frei zu entscheiden. Frau Kollegin, Sie sollten sich einmal die Umfragen dazu, was Eltern eigentlich wollen, anschauen. Die Mütter wollen früher wieder in den Beruf zurück; die Väter wollen etwas weniger arbeiten, um sich um die Kinder kümmern zu können. Die meisten Eltern sind mit den Rahmenbedingungen auch hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zufrieden. Wenn Eltern sich das wünschen, dann müssen wir als Staat die Rahmenbedingungen dafür setzen. Ich nenne die Stichworte „Ausbau der Kindertagesbetreuung“ bzw. „Angebote der Ganztagsbetreuung für Kinder“.

(Stefan Keuter [AfD]: Das ist Ihre Ideologie!)

82 Prozent der Familien sagen übrigens, dass der Zusammenhalt in Familien stark ist. Das heißt, Kernfundament für die Familie ist der Zusammenhalt in der Familie. Ich glaube, es ist gesellschaftspolitisch gerade in diesen Tagen, in denen wir viel über den gesellschaftlichen Zusammenhalt reden, wichtig, dass wir zunächst schauen, die Rahmenbedingungen für Familien so zu setzen, dass der Zusammenhalt in der Familie gestärkt wird. Deswegen haben wir auch in diesem Haushalt wieder die richtigen Linien gezogen. Wir haben uns immer an dem Dreieck orientiert: Was können wir im Bereich der Infrastruktur tun? Was können wir im Bereich der finanziellen Sicherheit von Familien tun? Und was können wir tun, damit Familien mehr Zeit für sich, für die Kinder, aber auch für die Pflegebedürftigen haben?

Die Ergebnisse der letzten Jahre können sich ja durchaus sehen lassen. Ich will nur daran erinnern: Ausbau der Kindertagesbetreuung von 2006 bis 2013 bei den unter Dreijährigen von ehemals 13,6 Prozent Betreuungsquote auf mittlerweile 33,1 Prozent Betreuungsquote, Rechtsanspruch – auch das hat die Koalition ja im Koalitionsvertrag niedergeschrieben – auf eine Ganztagsbetreuung, Kitaausbau, Baukindergeld und Erhöhung des Kindergelds um am Ende 25 Euro. Das sind dann, wenn Sie zwei Kinder haben, 300 Euro pro Kind im Jahr, das heißt 600 Euro für die Familie. Der Etat liegt mittlerweile bei 10,3 Milliarden Euro – gegenüber ehemals 4,5 Milliarden Euro im Jahr 2005.

Nun ist Geld nicht alles, sondern es geht auch um Qualität. Damit komme ich zum ersten Punkt, zum sogenannten Gute-Kita-Gesetz. Ein Gute-Kita-Gesetz ist Ziel der Koalition. Wir sind jetzt endlich nach dem Ausbau, nachdem wir 10 Milliarden Euro in den Ausbau der Kindertagesbetreuung investiert haben, in der Epoche, in der wir dazu kommen, die Qualität zu steigern. Ich kann für uns von der Union sagen: Für uns sind zwei Dinge wichtig.

Wir haben in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, dass auch die Beitragsfreiheit bzw. die Staffelung der Beiträge ein Ziel ist. Aber für uns ist ganz klar: Uns geht es in erster Linie um den Qualitätsausbau. Das bestätigen uns übrigens alle, die sich mit dem Thema beschäftigen. Von der Bertelsmann-Stiftung, namentlich Herr Dräger, über den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband bis zum Deutschen Städte- und Gemeindebund sagen alle: Achtet in erster Linie auf die Qualitätssteigerung. Satt und sauber reicht nicht. Vielmehr muss es eine gute Qualität der Betreuung geben. – Deshalb werden wir sehr darauf achten, auch in der parlamentarischen Beratung des Entwurfes, der ja möglicherweise bald schon im Kabinett ist, dass hier Beitragsfreiheit, Beitragssenkung und Qualität im Ausgleich sind.

Der zweite Punkt: Es ist natürlich auch eine Frage der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Wir sind gerne bereit, weil es eine nationale Aufgabe ist, viel für den Qualitätsausbau im Bereich der Kindertagesbetreuung zu investieren. Aber wir haben auch die Erwartungshaltung, dass es verbindliche Zusagen und Verträge mit den Ländern gibt; denn auch die Länder haben sich an dieser großen Aufgabe zu beteiligen. Das darf nicht zulasten der Kommunen gehen. Es kann am Ende nicht sein, dass wir als Bund viel Geld bereitstellen – 5,5 Milliarden Euro bis 2021 – und in der Abfolge die Kommunen das dann abarbeiten müssen, die Länder das aber in ihren Haushalten möglicherweise ausgleichen. Wir werden als Union sehr darauf achten, dass die Finanzbeziehungen in dieser Frage gesichert werden.

In diesem Zusammenhang werden wir auch vor der Herausforderung der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern stehen. Sie wissen alle, dass es da viele Berechnungsgrößen gibt. Wir werden bis 2025 einen Mehrbedarf von möglicherweise 300 000 Erzieherinnen und Erziehern haben. Zum einen ist da die Gruppe derer, die in Pension bzw. Rente gehen, zum anderen die Gruppe derer, die wir brauchen, weil ja seit einigen Jahren die Geburtenrate endlich wieder nach oben gegangen ist. Schließlich sind da diejenigen, die aufgrund von Qualitätsstandards, also bezüglich der Gruppengröße, jetzt zusätzlich gebraucht werden.

Ich stimme Ihnen zu: Es wird tatsächlich eine neue nationale Aufgabe werden, auch diese Zahl an Erzieherinnen als Fachkräfte zu bekommen. Da wird der Bund sicherlich auch unterstützen. Sie haben es formuliert, Frau Ministerin: Unterstützen heißt nicht, dass wir es finanzieren. Vielmehr werden wir mit den Ländern und mit den Kommunen gemeinsam eine konzertierte Aktion starten müssen, um diese große Aufgabe bis 2025 hinzubekommen. Ich glaube, auch da muss man an die Aufgabenstruktur der Länder appellieren.

Frau Dörner hat bereits vieles aus unserer Koalitionsvereinbarung zum Thema Kinderschutz zitiert. Ich will es auch noch einmal deutlich machen: In jeder Klasse gibt es ein bis zwei Kinder, die Missbrauch oder sexualisierte Gewalt erlebt haben. Das ist der eigentliche Skandal in diesem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage ganz deutlich für uns: Wir werden in dieser Frage nicht ruhen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir werden genau überlegen. Wir haben in der Koalitionsvereinbarung ja beschrieben, was wir zu tun haben: Qualifizierung der Richter, Gutachten im Sachverständigenwesen, die Frage der Verfahrensbeistände. Alle Personen, die mit Kindern arbeiten, müssen den höchsten Standard erfüllen.

Der Themenbereich „sexualisierte Gewalt und Kindesmissbrauch“ ist einer der dramatischsten in dieser Gesellschaft. Da muss ich sagen: Auch da geht wieder der Appell an die Länder. Wir haben für uns gesagt: Wir wollen eine klare Qualifizierungsoffensive der Richterinnen und Richter haben. Es kann nicht sein, dass die Länder sich in dieser Frage sperren. Wenn es eine gemeinsame Aufgabe ist, dann sind wir gerne dabei, zu unterstützen, aber wir sagen auch ganz deutlich: Das müssen wir gemeinsam hinbekommen. Deswegen auch an dieser Stelle der Appell an die Länder: Bitte die Qualität in der Richterausbildung und die Qualifizierung der Richter voranbringen!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden dann natürlich alle Akteure beteiligen. Die berühmte erste Reform des SGB VIII war ja nicht ganz so erfolgreich. Ich bin aber guter Dinge, dass wir es jetzt hinbekommen, dass wir gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren, wenn wir uns ein bisschen mehr Zeit nehmen, ein gutes Konstrukt hinbekommen, um in den nächsten 12 bis 18 Monaten eine SGB-VIII-Reform auf den Weg zu bringen, die dann auch für die nächsten Jahre wirken wird.

Ein weiterer Punkt: Thema Zusammenhalt. Da wurde schon von der Kollegin Nadine Schön die Frage der Programme und die Erwartungshaltung, die wir als Union haben, angesprochen. Es ist gut, dass es die 115 Millionen Euro gibt. Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir werden in Zukunft stärker darauf achten, dass die Mittel auch bei denen ankommen, die diese dann ganz gezielt einsetzen, um die Demokratie zu stärken. Eine deutliche Kontrollfunktion des Staates – das hat der Kollege von der FDP ja auch angesprochen – müssen wir in diesem Bereich leisten.

Letzter Punkt – das möchte ich auch noch einmal unterstreichen –: Es gibt 30 Millionen Menschen in diesem Land, die sich engagieren, zum Beispiel bei der Freiwilligen Feuerwehr, beim Fußballverein. Das sind die Träger der Zivilgesellschaft. Das sind übrigens diejenigen, die den Zusammenhalt stärken. Natürlich gibt es viele staatlich geförderte Gruppen, die auch Demokratieprogramme umsetzen. Das finde ich auch wichtig. Aber noch einmal: Die eigentliche Stärke der Gesellschaft ist das Engagement von Ehrenamtlichen in vielen kleinen Vereinen, in dörflichen Gemeinschaften, aber auch in Großstädten. Ich komme aus Hamburg. Auch bei uns gibt es Jugendfeuerwehren. Das kennen Sie alles.

Ich sage hier ganz deutlich: Wenn wir das Ehrenamt stärken wollen, dann müssen wir – Stichwort „Stiftung“ – sehr stark darauf achten, dass wir nicht die nächste staatliche Organisation schaffen. Wir müssen vielmehr denjenigen Antworten geben, die uns fragen: Wie verhält es sich aktuell mit der Steuergeschichte? Wie verhält es sich mit der Erleichterung, wenn ich ehrenamtlich zwei Tage mit der Gruppe wegfahre? – Unser Kerngeschäft, das wir zu leisten haben, ist, die Rahmenbedingungen zu setzen. Deswegen werden wir bei der Frage nach der Ehrenamtsstiftung bzw. Freiwilligenstiftung sehr darauf achten, dass wir die jetzigen Strukturen stärken. Wir wollen im Ergebnis dazu kommen, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft von diesen Gruppen wieder mitgetragen wird; denn in diesen Zeiten brauchen wir alle Gruppen der Gesellschaft, bei denen das Thema Zusammenhalt eine Rolle spielt.

Noch einmal – damit komme ich zum Anfang zurück –: Es ist die Familie, die als Allererstes diesen Zusammenhalt lebt und stärkt. Deswegen ist Familienpolitik ein wichtiges Politikfeld; denn damit stärken wir auch den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)