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Florian Hahn: Wir brauchen uns mit unserem Solidaritätsbeitrag nicht zu verstecken

Rede zu europäischen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stecken noch mitten in der Coronakrise. Ich fürchte sogar – das muss man ehrlicherweise sagen –, wir sind eher noch am Anfang. Mit einer Durchseuchungsrate von unter 2 Prozent in Deutschland und der Aussicht auf einen Impfstoff erst in Monaten dürfte klar sein, dass wir zum Alltag so schnell nicht werden zurückkehren können.

Mein herzlicher Dank geht an die Bundesregierung, allen voran an die Bundeskanzlerin, und an die Ministerpräsidenten, beispielsweise an meinen Ministerpräsidenten, Markus Söder, die frühzeitig und entschlossen gehandelt haben. Mit Blick auf die Zahlen wird deutlich: Das hat sich gelohnt. Im Moment haben wir uns aber lediglich mit dem Virus arrangiert; wir haben ihn noch nicht besiegt. – Ich rate daher uns allen: Lassen Sie uns weiterhin vernünftig, anhand von Fakten handeln, und geben wir dem Wunsch nach Normalität, den wir alle haben, nicht übereilt nach, nur um die Bürgerinnen und Bürger kurzfristig von ihrer Belastung zu erleichtern; denn das birgt das erhebliche Risiko, dass eine zweite Vollbremsung uns noch gravierender trifft als die erste.

Wir sind noch nicht über den Berg. Wir werden einen langen Atem brauchen. Die Pandemie hat unser Land zu einem guten Teil auf den Kopf gestellt. Aber sie hat uns auch demütig gemacht. Wenn wir uns in Europa und in der Welt umschauen, dann müssen wir mit Dankbarkeit und Demut feststellen, dass wir bisher noch gut davongekommen sind. Die Menschen in anderen Ländern und Regionen hat es viel schlimmer getroffen. Wir haben, auch mit Unterstützung der Opposition, beispiellose erste Rettungspakete geschnürt für die Menschen und die Unternehmen in unserem Land, die durch das Virus in ihrer Existenz bedroht sind. Zwischenzeitlich wurde mit Maßnahmen nachgesteuert. Ob das alles ausreicht, weiß niemand. Wir beobachten das alles sehr genau.

Im Kampf gegen Corona haben wir uns eine Atempause verschafft und etwas Zeit gekauft, Zeit, die andere Länder nicht haben, weil die Katastrophe mit Wucht über sie hereingebrochen ist. Deshalb ist es aus meiner Sicht völlig selbstverständlich – daran gibt es nicht den geringsten Zweifel –, dass wir jetzt denen helfen, die sich aus eigener Kraft nicht retten können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])

Umso schmerzlicher ist es – das ist vermutlich der innenpolitischen Konstellation geschuldet –, dass das Bild unserer Hilfsbereitschaft beispielsweise in Italien verzerrt dargestellt und diskutiert wird. „La Repubblica“ schreibt dazu:

Es ist merkwürdig, mit welchem Ton man in Italien nach wie vor über den angeblichen Widerstand der Kanzlerin gegen Coronabonds spricht. Wenn es nicht direkt Beleidigungen sind, empört man sich in den meisten Kommentaren über Angela Merkel. Es ist, als hätte sich Deutschland nicht einen Millimeter bewegt, als die Pandemie in Europa sehr schnell schlimmer wurde. Stattdessen sollte man sich daran erinnern, wie sehr Merkel in diesen ersten anderthalb Monaten in allem nachgegeben hat. … Auch das wird in der Debatte in Italien nie erwähnt.

Ich kann das nur unterstreichen. Wir brauchen uns mit unserem Solidaritätsbeitrag nicht zu verstecken, weder jetzt noch in der Vergangenheit.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Kollege Hahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

 

Florian Hahn (CDU/CSU):

Nein. – Deutlich wird das an der Hilfe für die europäische Wirtschaft: Es ist ein erstes Hilfsprogramm mit einem Volumen von 540 Milliarden Euro verabschiedet worden. Es basiert auf einem Dreiklang der Solidarität: europäischer Rettungsfonds ESM, Europäische Investitionsbank, EIB, und europäisches Kurzarbeitergeld SURE. Für alle drei Maßnahmen gilt: Jetzt geht es um eine zeitnahe Umsetzung, damit die Hilfe schnell ankommt. Die Union ist bereit, bei der notwendigen Beteiligung des Bundestages dafür Verantwortung zu übernehmen.

Meine Damen und Herren, das ist vielen in Europa und auch einigen hier bei uns, wie einige der vorliegenden Anträge aus der Opposition zeigen, noch nicht genug. Das ist zwar deutlich mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, könnte aber in der Tat nicht ausreichen, wobei heute noch niemand weiß, wie viel Geld wir tatsächlich für die Ankurbelung der Wirtschaft in Europa benötigen werden. Dankenswerterweise ist die Europäische Kommission gerade dabei, alles zusammenzutragen, um eine ungefähre Abschätzung abgeben zu können, in welcher Höhe zusätzliche Mittel und Hilfen bereitgestellt werden müssen.

Den Grünen und anderen fällt zur Finanzierung nichts weiter ein als gemeinschaftliche Bonds. Die einen sprechen von Coronabonds, andere von altbekannten Euro-Bonds, wieder andere von Wiederaufbaubonds, ja, sogar Jugendbonds werden ins Spiel gebracht. Jeder scheint unter Bonds etwas anderes zu verstehen; aber alle sind sich einig: Deutschland soll zahlen bzw. haften, am besten für alles. – Dazu kann ich nur sagen: Mit uns wird es das nicht geben. Das haben wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion immer ausgeschlossen, und dabei bleibt es auch in Coronazeiten.

Denn gegen eine europäische Haftungsunion sprechen aus unserer Sicht unter anderem folgende Punkte: Nach unserem Grundgesetz kann es eine Abgabe des Budgetrechts des Bundestages an eine supranationale Ebene nicht geben. Weder die EU noch die Mitgliedstaaten dürfen nach den Verträgen für die Verbindlichkeiten einzelner Staaten, einzelner Länder haften. Und die Kreditsucht lässt sich nicht durch noch mehr Kredite bekämpfen. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich Deutschland übernimmt, als größte Volkswirtschaft der Europäischen Union ins Wanken gerät und so das europäische Projekt „gemeinsame Währung“ massiv gefährdet.

Wir wollen alles tun, um zu helfen, aber auch alles unterlassen, was verfassungsrechtlich und europarechtlich fragwürdig und finanzpolitisch abenteuerlich ist. Die Anträge, die uns vorliegen, werden dem nicht ganz gerecht. Deswegen werden wir sie ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)