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Christoph Bernstiel: Wer unsere Polizei angreift, der greift uns alle an

Redebeitrag in der aktuellen Stunde zur Extremismusbekämpfung

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wer unsere Polizei angreift, der greift uns alle an. Es sind die Polizei und die Sicherheitsbehörden, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung jeden Tag aufs Neue verteidigen. Ihnen gebührt unser Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

So weit sind sich in diesem Haus fast alle einig, doch nicht alle; dies hat die AfD-Fraktion gestern eindrucksvoll bewiesen. Nach der Ansprache von Wolfgang Schäuble gab es hier Standing Ovations im ganzen Saal.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Aber nicht für Geisel! Das war das Problem! Das wissen Sie doch!)

Nur eine Fraktion blieb sitzen: die selbsternannten Verteidiger des Rechtsstaats und die Rückenstärker der Polizei, die AfD-Fraktion. Deutlicher geht es ja wohl nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Billiges Politmanöver!)

Aber was heißt „Polizei und Justiz stärken, Extremismus konsequent bekämpfen“ eigentlich? Für uns gehören dazu mehrere Dinge: zum einen natürlich eine moderne Ausstattung mit Einsatzmitteln, ausreichend Personal, ausreichend Befugnisse, aber auch politische Unterstützung – und an der mangelt es manchmal bei verschiedenen Parteien.

(Jan Ralf Nolte [AfD]: Politische Unterstützung für Linksextreme! – Weiterer Zuruf von der AfD)

Liebe AfD, eigentlich entlarven Sie sich ja immer wieder selbst mit Ihren Kommentaren, aber jetzt muss man doch vielleicht mal zwei Dinge aufrollen. Herr Curio, Sie haben von einem Fototermin hier vor dem Reichstag gesprochen und gesagt, das wäre ja nicht schlimm. Wissen Sie, nach offiziellen Angaben hatten wir am Wochenende 38 000 Demonstrierende hier in Berlin. Davon war der überwiegende Teil friedlich, wenn auch mit eigenartigen Ansichten, die ich bei Weitem nicht teile. Sie solidarisieren sich aber ausgerechnet mit den paar Hundert, die gewalttätig geworden sind, die Absperrungen durchdrungen haben.

(Dr. Gottfried Curio [AfD]: Fake News!)

– Jetzt hören Sie mal zu; jetzt rede ich. – Einer davon war einer Ihrer Parteikollegen. Der stand vor den Fernsehkameras und schrie – ich zitiere –: „Heute wird Geschichte geschrieben, korrupte Verbrecher müssen festgenommen werden!“ Also, wenn das „Verabreden zum Fototermin“ heißt, dann müssen Sie wirklich mal erklären, in welcher Reihe Sie sich dahinstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht ja noch weiter. Frau von Storch, ich kann ja durchaus verstehen, dass Sie frustriert sind, dass die CDU/CSU mit der AfD keine Koalition eingehen will; wir sind ein attraktiver Koalitionspartner.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine Zusammenarbeit wird Ihnen aber auch noch lange verwehrt bleiben – wenn es nach mir geht, für immer. Aber wenn Sie dann das ganze Parlament hier als „Heuchler“ bezeichnen, dann geht das ein Stück zu weit, und es wird auch der Definition nicht gerecht. Ich sage Ihnen, was heuchlerisch ist: Heuchlerisch ist, wenn Sie sich hierhinstellen und den Linksextremismus kritisieren – zu Recht –, aber kein Wort über den Rechtsextremismus verlieren und sich gleichzeitig noch mit Rechtsextremisten gemein machen. Das ist heuchlerisch, das passt nicht ins Bild. Darüber sollten Sie sich mal Gedanken machen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich habe ja von der politischen Unterstützung gesprochen. Die beginnt auch mit der Sprache. Unsere Polizei ist kein Spielball. Sie ist auch kein Prellbock für politische Auseinandersetzungen. Umso trauriger ist, was wir – wenig überraschend – nach den schrecklichen Ereignissen in der Silvesternacht in Leipzig von der Linkspartei hören. Da gibt es eine Abgeordnete – ich will ihren Namen nicht nennen –, die von „ekelhafter Polizeigewalt“ und „kalkulierter Provokation“ spricht.

Wir haben leider auch die SPD-Parteichefin, die sich nicht immer eindeutig äußert und davon spricht, dass die Einsatztaktik der Polizei zu hinterfragen ist und dass es einen latenten Rechtsextremismus innerhalb der Polizei gibt.

(Jürgen Braun [AfD]: Mit solchen Leuten koalieren Sie!)

Oder nehmen wir die Miri-Gesetze, liebe Frau Justizministerin. Das sind dringend notwendige Gesetze, die unsere Polizeibehörden gefordert haben. Wir bzw. das BMI haben einen Riesenkatalog vorgelegt; davon ist fast nichts übrig geblieben. Auch das ist mangelnde Unterstützung unserer Polizei.

Dann zu Frau Mihalic; sie ist heute nicht da. Ich schätze sie sehr,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ist im Untersuchungsausschuss und streitet für unsere Demokratie!)

doch kürzlich äußerte sie sich in einem Interview in der „FAZ“ und sagte: „Wir Grüne mussten erst lernen, dass die Polizei ein positiver Faktor ist.“ Manchmal fragt man sich: Haben es denn schon alle Grünen verstanden, oder dauert es noch ein bisschen?

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wer denn nicht?)

Und auch bei der lieben FDP: Wenn es zum Schwur kommt, haben wir das Problem, nämlich wenn es um Einsatzmittel und um unsere Verfassungsschutznovelle geht.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich verstehe die Botschaft Ihrer Rede nicht!)

Der Kollege Strasser bezeichnete kürzlich das Verfassungsschutzgesetz der Großen Koalition als „absoluten Fehlgriff“.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben Sie ja gegen alle ausgeteilt!)

Wenn es um so dringend notwendige Befugnisse geht wie die Quellen-TKÜ, die Onlinedurchsuchung und die Telekommunikationsüberwachung, dann sperren sich doch fast alle Parteien in diesem Haus, mit wenigen Ausnahmen. Das ist etwas, was ich nicht nachvollziehen kann. Wenn man sich hierhinstellt und davon spricht, Polizei und Justiz zu stärken, dann muss man das auch mit konkreten Taten unterlegen und darf nicht immer nur schöne Sonntagsreden halten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der FDP: Das muss man auch verfassungsfest machen und nicht irgendwie! – Zurufe der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn wir von „Stärken der Polizei“ sprechen, dann meinen wir das konkret, auch zusammen mit unserem Koalitionspartner, indem wir 2 000 Richter und Staatsanwälte neu einstellen, 15 000 neue Polizisten für Bund und Länder, 64 Millionen Euro für geschützte Fahrzeuge bereitstellen, 650 neue Stellen beim Zoll, 3 900 Stellen im Zuständigkeitsbereich des BMI und der nachgeordneten Behörden.

Aber wir wollen noch mehr – lieber Herr Präsident, bitte geben Sie mir noch die 30 Sekunden –: Wir wollen das Gesetz weiter verschärfen, vor allen Dingen mit Fokus auf den Linksextremismus. Dort gibt es nämlich auch Feindeslisten. Die wollen wir in Zukunft unter Gefängnisstrafe stellen, wir wollen, dass Blockaden mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden können, und wir wollen, dass Widerstand und Angriffe gegen die Polizei mit drei bzw. sechs Monaten Freiheitsstrafe geahndet werden können. Das sind wir unseren Polizistinnen und Polizisten schuldig. Wir werden uns dafür einsetzen. Ich hoffe, dass wir uns dabei auf die breite Mehrheit des ganzen Hauses stützen können.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)