Elisabeth Motschmann: "Kultur ist eine Sprache, die überall verstanden wird"
80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Botschafterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland – Europas Zusammenhalt stärken und die erinnerungspolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Griechenland intensivieren“, für dieses Thema möchte ich mich zunächst einmal bedanken. Ich glaube, es ist gut, dass wir uns einem Land zuwenden, dem wir uns bisher viel weniger zugewandt haben. Genau aus diesem Grunde – die Kollegin Schieder hat darauf hingewiesen – haben wir kulturpolitisch im Kulturausschuss ein Dokumentationszentrum beschlossen, in dem wir uns genau denjenigen Ländern und den Opfergruppen, die bisher zu wenig Berücksichtigung gefunden haben, zuwenden. In diesem Dokumentationszentrum soll die Geschichte erzählt und auch jungen Menschen nahegebracht werden. Dies ist mein Thema im Zusammenhang mit Griechenland.
Ich bedaure sehr, dass unsere Zuschauerränge heute leer und nicht mit Schulklassen gefüllt sind; denn unsere Schülerinnen und Schüler werden zwar viele griechische Inseln sehr genau kennen – da haben sie schon am Strand gelegen; vielleicht sind sie auch schon auf der Akropolis gewesen –; aber wenn man sie fragen würde: „Was ist vor 80 Jahren passiert?“, dann, glaube ich, wäre da eine große Leere, es sei denn, sie haben einen wunderbaren Geschichtslehrer.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Genau diesem Nichtwissen müssen wir alle miteinander entgegenwirken.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir sind uns alle einig – bis auf die AfD –, dass der Zweite Weltkrieg unermessliches Leid, Millionen Tote, den Holocaust und einen zerstörten Kontinent mit sich gebracht hat.
(Dr. Christian Wirth [AfD]: Märchen!)
Das war schlimm für Griechenland, für Europa, für alle Länder Europas und für viele Länder auf der Welt.
Also, wir haben da schon eine kollektive Schuld auf uns geladen, die jetzt nicht verortet werden kann, sondern die sehr global entstanden ist. Deshalb müssen wir in unserer Erinnerungskultur darauf eingehen. Sie ist übrigens ein riesiger Bestandteil der Arbeit des Kulturausschusses; viele wissen das gar nicht: Die Erinnerungskultur ist unser Ding, und es ist gut, dass dies auch im Auswärtigen Ausschuss stattfindet. In dieser Erinnerungsarbeit müssen wir genau in diese Lücke hineingehen und jungen Menschen vermitteln, was passiert ist.
Ich will mich einmal auf die kleinen Brücken konzentrieren. Ich könnte jetzt vieles sagen, was wir in den vergangenen Jahren für Griechenland getan haben, auch finanziell übrigens. Aber ich möchte mich auf die kleinen Dinge konzentrieren, auf den deutsch-griechischen Jugendaustausch, auf das deutsch-griechische Jugendwerk, das jetzt entsteht. Genau da wird ja auch Geschichte vermittelt, wird sich ausgetauscht, wird für Verständnis des anderen geworben und ein vertieftes Nachdenken möglich sein.
Ich wünschte mir auch, dass mehr Deutsche die griechische Sprache lernen. Das hat leider auch sehr nachgelassen.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Aber Sprache verbindet. Kultur baut Brücken. Kultur ist eine Sprache, die überall verstanden wird. Musik ist eine Sprache, die überall verstanden wird. Wir können gerade in diesem Bereich – da geschieht auch so viel – Zeichen setzen. Deshalb würde ich sagen: Das ist ein positives Kapitel der Zusammenarbeit, der Kontaktbildung, der Völkerverständigung zwischen Griechenland und Deutschland. Das alles sind Zeichen, die in die Zukunft gerichtet sind.
Ich möchte, dass in Zukunft Generationen in Frieden miteinander leben, dass sie sich besser verstehen, dass nie wieder so etwas passiert, wie es vor 80 Jahren passiert ist, dass es eine ganz natürliche Hemmschwelle gibt, überhaupt auf den Gedanken zu kommen, ein anderes Land zu überfallen. Das kann nicht sein. Wir erleben auch schon – oh, ich muss zum Ende kommen –, dass diese junge Generation inzwischen viel europäischer lebt und denkt als wir, und das ist ein hoffnungsvolles Zeichen.
Ich will am Ende sagen: Mein oder unser Weg sind nicht die Reparationszahlungen, sondern ich möchte oder wir möchten, dass wir durch dieses lebendige Brückenbauen, durch das Vermitteln von Geschichte – hier wie dort, aber vor allem hier – unsere Verantwortung für unendliches Leid wahrnehmen, was wir auch über Griechenland gebracht haben. Aber das ist nicht mit Geld gutzumachen, Herr Gysi. Das können wir nur durch die vielen kleinen und großen Aktionen, die ich eben versucht habe zu skizzieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Marianne Schieder [SPD])