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Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL
(Quelle: picture alliance/dpa | Jens Büttner)

Merz: „Keine Denkverbote“

  • Unionsfraktion fordert von Bundesregierung einen Plan gegen die drohende Energiekrise
  • Öffentliche Hand muss bei Einsparungen von Strom und Heizung vorangehen
  • Alle Möglichkeiten der Energieerzeugung nutzen

Spitzenpolitiker der Unionsfraktion haben die Bundesregierung aufgefordert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um eine Energiekrise abzuwenden. Fraktionschef Friedrich Merz warnte vor „Denkverboten“. Auch Fraktionsvize Jens Spahn sprach sich für ein pragmatisches Vorgehen „ohne Scheuklappen“ aus. Ein Energieengpass müsse unter allen Umständen vermieden werden, erklärte der stellvertretende Vorsitzende Andreas Jung.

Insgesamt bemängeln die Unionsabgeordneten die Konzeptlosigkeit der Bundesregierung angesichts der Unberechenbarkeit Russlands in der Frage der Gaslieferungen. „Die Bürgerinnen und Bürger erwarten jetzt einen Energiesicherheitsplan, wenn Russland tatsächlich kein Gas mehr liefern sollte“, schrieb Merz in einem Gastbeitrag für die „Bild“-Zeitung. Die Gaspipeline Nordstream 1, durch die Deutschland einen Großteil seines russischen Gases bezieht, wird seit Montag gewartet. Ob Russland nach Ende der Wartung um den 21. Juli herum wieder Gas durch Nordstream 1 leitet, ist offen. 

Regierung hält Informationen zurück

Jung beklagte die mangelnde Transparenz der Regierung. Sie liefere seit Anfang Mai keine belastbaren Informationen mehr darüber, wie sie die Energieversorgung im Notfall sichern wolle, sagte er im Interview mit Welt-TV. Auch die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, Julia Klöckner, nannte die Pläne des Bundeskanzlers in Welt-TV nebulös. Der Wirtschaftsminister beschreibe die Lage zwar sehr gut, müsse allmählich aber in den „Macher-Modus“ kommen.

Wenn die Koalition vom schlimmsten Fall ausgehe, dann müsse sie auch handeln, verlangte auch Jung. Er setzt sich für einen Energiesparplan des Bundes mit den Ländern und Kommunen ein. Wenn beim Kühlen, Heizen und Beleuchten in öffentlichen Gebäuden gespart werde, dann gehe davon die Botschaft aus: „Die Lage ist ernst, wir gehen voran, wir fordern's nicht nur von den anderen“, sagte er der ARD-Tagesschau. Anreize zur Heizungsoptimierung für Privathaushalte und Auktionen für freiwillige Einsparungen in der Industrie seien weitere Bausteine des Krisenmanagements, sagte er Welt-TV.

Kernkraftwerke länger laufen lassen

Neben Einsparungen beim Verbrauch von Strom und Heizung geht es auch um Möglichkeiten, russisches Gas zu ersetzen. Merz unterstrich, dass die Unionsfraktion grundsätzlich hinter dem Atomausstieg steht. Doch angesichts der besonderen Umstände sollte die Möglichkeit ins Auge gefasst werden, die drei Kernkraftwerke, die noch am Netz sind, über das Jahresende hinaus laufen zu lassen. Übergangsweise brauche man den Atomstrom, „um der neuen Situation auf dem Energiemarkt Herr zu werden“, bekräftigte auch Klöckner. Schließlich beziehe Deutschland Atomstrom aus anderen Ländern.

Spahn sprach sich im Interview mit „Pioneer“ ebenfalls für ein pragmatisches Vorgehen aus. Die deutschen Kernkraftwerke, die sechs bis sieben Prozent des Stroms lieferten, seien sicher, und die vorhandenen Brennstäbe reichten vorübergehend aus. Jung befürwortet neben der längeren Laufzeit der Kernkraftwerke auch die weitere Nutzung der Biomasse, wie er im Interview mit dem Sender n-tv betonte. Ebenso äußerte sich Merz, denn: „die Silos sind voll“.  

Bürger entlasten

Nicht zuletzt forderte Merz Hilfen für die Bürgerinnen und Bürger, die wenig Geld zur Verfügung haben und unter dem Preisschock leiden – nicht nur bei Heizöl, Gas und Benzin, sondern auch bei Lebensmitteln. Merz schlug unter anderem die weitere Senkung der Energiesteuern vor sowie einen Abbau der kalten Progression bei der Einkommensteuer, damit die Bürger mehr Netto vom Brutto haben.  Um den Anstieg der Lebensmittelpreise zu dämpfen, sollte sofort mehr Obst und Getreide auf allen stillgelegten Flächen angebaut werden dürfen.