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Dr. Katja Leikert: "Die gesamte Pandemiebekämpfung funktioniert nur global"

Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 25. und 26. März 2021

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wäre die Pandemie ohne die Europäische Union verlaufen, ohne die große Solidarität, wie wir sie in keinem anderen Teil der Welt gesehen haben? Sicherlich schlechter für unsere Bevölkerung. Es hätte sicherlich mehr schreckliche Bilder wie aus Bergamo gegeben, mehr Todesfälle und mehr wirtschaftlichen Schaden. Unsere Europäische Union kann in der Krise echte, greifbare Erfolge aufweisen.

Vielleicht machen wir uns diese Erfolge auch ab und zu einfach mal bewusst: Mit EU-Mitteln in Höhe von 1 Milliarde Euro haben wir die Erforschung von Impfstoffen und Medikamenten europäisch vorangetrieben. Nie gab es schneller einen Impfstoff. Auch das ist ein Ergebnis unseres Zusammenhalts als Europäer. Es ist doch völlig illusorisch, zu glauben, wir hätten uns mit 26 anderen Staaten zusammenraufen können, um so viel Geld in die Impfstoffforschung zu geben. Dank dieser gemeinsamen Investition stehen eben nicht alle Impffabriken in China oder den USA. Wir produzieren in Europa aktuell an elf Standorten Impfstoffe. Insgesamt könnte an über 26 Standorten in Europa produziert werden, und genau da wollen wir hin – da muss Europa besser werden –: mehr Impfstoffproduktion in Europa für Europa.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das heißt nicht, dass wir jetzt eine „Europe first“-Strategie wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn einen hochspezialisierten Impfstoff wie den von BioNTech kann man eben nicht alleine herstellen. Der in Mainz entwickelte Impfstoff hat 280 hochspezialisierte Inhaltsstoffe aus 83 Ländern. Das geht nur europäisch, und das geht übrigens auch nur international.

Übrigens funktioniert auch die ganze Pandemiebekämpfung nur global. Es hilft überhaupt niemandem, wenn wir nur die westliche Welt immunisieren. Dann marschieren die Mutanten schneller auf, als wir impfen können. Die Europäische Union handelt auch hier klug und solidarisch, wenn Impfstoffe im Rahmen der Covax-Initiative der WHO in ärmere Länder exportiert werden; Frau Göring-Eckardt sieht das an dieser Stelle genauso. Und lassen Sie uns bitte auch hier über die Parteigrenzen hinweg zusammenbleiben. Vielleicht gelingt es uns, auch diese Strategie der Europäischen Union, die für globale Verantwortung steht, irgendwann einmal als weitsichtige Strategie zu würdigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, die Europäische Union hat nicht alles richtig gemacht. Niemand hat in der Pandemie alles richtig gemacht. Und es ist gut, wenn Fehler eingestanden und Kurse korrigiert werden. Aber wir dürfen hier, zwölf Monate nach Ausbruch der Pandemie, die Fakten nicht aus den Augen verlieren. Manche wiederholen in Dauerschleife, die Bestellungen seien schlecht gelaufen oder die Strategie sei unklar, oder sprechen, wie Frau Mohamed Ali von der Linken vorhin, von „Realsatire“ oder „katastrophal“. Davon sind wir weit entfernt.

Der Impfstoff wurde gemeinsam optioniert. Insgesamt 2,6 Milliarden Impfdosen sind ausreichend bestellt für alle Europäerinnen und Europäer von Hanau bis Porto, von Wilna bis Palermo. Die Strategie wurde auch klar kommuniziert: Bis zum Sommer sollen 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. – Wir sehen ja bei uns, wie es vorangeht: Aktuell impfen wir in Deutschland alle 0,4 Sekunden. Jeder Zehnte hat bereits eine Impfung. Und ja, natürlich muss das schneller gehen.

(Jan Korte [DIE LINKE]: 90 Prozent nicht!)

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, leider gibt es auch Tiefschläge. Es ist völlig inakzeptabel, dass, wie wir erfahren haben, AstraZeneca 29 Millionen Impfdosen in der Nähe von Rom lagert – wohl für den Export nach Großbritannien – und gleichzeitig nur ein Drittel der zugesagten Menge an die Europäische Union liefert.

Wir von der CDU/CSU-Fraktion sind die Letzten, die Handelsbeschränkungen für gute, grandiose Lösungen halten; auch wir haben in Volkswirtschaftslehre aufgepasst. Aber hier ist es richtig – da hat die Kommission unsere volle Unterstützung –, wenn sie den Export dieser Impfdosen untersagt, bis diese Sache aufgeklärt ist. Im Zweifel hilft dann nur ein Exportverbot. Auch das muss die Europäische Union lernen: Mehr gemeinsame Stärke zeigen zur Durchsetzung der eigenen Interessen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch noch auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu sprechen kommen, weil ich ihn für zentral halte. Auf sich allein gestellt, wären in Europa längst mehrere Staaten bankrottgegangen. Weite Teile der deutschen Wirtschaft wären dabei in Mitleidenschaft gezogen worden. Stattdessen waren wir in der Lage, gemeinsam zu agieren, nicht nur über das EU-Kurzarbeiterprogramm SURE, das viel dazu beigetragen hat, über 25 Millionen Menschen in Europa neue Hoffnung und Sicherheit zu geben. Es ist ein Erfolgsmodell made in Europe.

Der Corona-Wiederaufbaufonds von 750 Milliarden Euro ist ein ganz klares Verdienst der Bundeskanzlerin. Er zeigt schon jetzt, dass die Finanzmärkte damit stabilisiert werden konnten. Herr Glaser, auch das ist vielleicht eine Einsicht für Sie – Sie sind jetzt gar nicht mehr da, sehe ich –: Der Euro ist nach wie vor die zweitwichtigste Währung der Welt. – Das war eine geschlossene Antwort auf die Covid-Krise. Wir von der CDU/CSU werden größten Wert darauf legen, dass dieses Geld wie vorgesehen in die Zukunft investiert wird – von Digitalisierung bis Klimaschutz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das ist klar: Europa muss lernen und braucht Reformen. – Was Ralph Brinkhaus vor ein paar Wochen für Deutschland gefordert hat, nämlich eine Kraftanstrengung, um unser Staatswesen auf die Zukunft auszurichten, das gilt auch für Europa. Das betrifft die Stabilisierung der Euro-Zone genauso wie den digitalen Binnenmarkt und auch eine globale Handelspolitik. Genau deshalb ist es gut, dass die EU-Zukunftskonferenz am 9. Mai startet.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Leikert, Sie können selbstverständlich weitersprechen, tun das aber auf Kosten Ihrer Kollegen.

 

Dr. Katja Leikert (CDU/CSU):

Ich komme zum Ende. – Genau das muss unser Ziel sein: dass die nächste Krise auf ein wehrhafteres, agileres Europa treffen wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)