Alexander Krauß: "Aus dem Negativbeispiel Tschechien kann man sehr gut lernen"
Keine langfristigen Grenzkontrollen – Verlässliche Perspektive schaffen
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Frage, die Schließung der Grenzen zu Tschechien und Tirol ist für die betroffenen Unternehmen eine große Belastung. Sie ist eine noch größere Belastung für die betroffenen Mitarbeiter, die zu uns nach Deutschland einpendeln, und es ist eine Zumutung für uns alle, denen ein vereintes Europa am Herzen liegt.
Die Entscheidung zur Grenzschließung war hart, aber notwendig. Warum? Ich komme aus dem Erzgebirge, dort ist mein Wahlkreis. Gleich in der Nachbarschaft ist der Landkreis Karlsbad. Er hat derzeit eine 14-Tage-Inzidenz von 2 220. 2 220 Inzidenz! Am Dienstag war der Tag in Tschechien, an dem es so viele Neuinfektionen gab wie vorher in fünf Monaten der ersten Welle der Pandemie. Tschechien, das direkt an uns grenzt, ist derzeit das Land auf der Welt mit der höchsten Infektionsrate.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das aber nicht von heute auf morgen!)
In Tschechien wird derzeit diskutiert, ob man die Industrie nicht herunterfahren sollte, damit man das Infektionsgeschehen in den Griff bekommt. Teile des Landes sind schon jetzt abgeriegelt, zum Beispiel das Grenzgebiet, woher ich komme, das an uns grenzt. Tschechien hat das selber abgegrenzt. Sie sagen: Wir wollen die Bewegungsfreiheit dort eingrenzen, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. – Dieses Land hat den Notstand ausgerufen. Dieses Land steuert derzeit in die vierte Welle hinein, die den Bürgerinnen und Bürgern dort wahnsinnig Angst macht. Das ist die Realität.
Tschechien hat zu Beginn der Pandemie wahnsinnig viel richtig gemacht, unter anderem die Grenze zu Deutschland geschlossen. Damit hatten die Tschechen die Pandemie relativ gut im Griff. Sie haben seit dem Sommer vieles falsch gemacht. Sie haben zum Beispiel das gemacht, was uns die FDP im Sommer auch vorgeschlagen hat, nämlich die Pandemie für beendet erklärt. Ein fataler Fehler, der sich bitter gerächt hat.
(Benjamin Strasser [FDP]: Niemand hat das vorgeschlagen! Die pandemische Grundlage von nationaler Tragweite ist etwas ganz anderes! Lesen Sie mal das Gesetz!)
Aus dem Negativbeispiel Tschechien kann man sehr gut lernen, was man nicht tun sollte, zum Beispiel die Pandemie für beendet zu erklären.
(Beifall bei der CDU/CSU – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Das haben wir nicht getan!)
Das hat einen Jo-Jo-Effekt ausgelöst: immer mal schließen, wieder aufmachen. Im Dezember hat man dann gesagt: Jetzt machen wir die Skigebiete auf. – Also, man hat eine wunderschöne Schaukelbewegung reingekriegt mit einem immer weiteren Ansteigen der Infektionszahlen. Und man hat es leider geschafft, dass die britische Mutation aus Tschechien zu uns eingewandert ist. Das sind auch keine Einzelfälle; das gehört zur Wahrheit dazu. Wenn man sich die zehn Landkreise in Deutschland mit der höchsten Inzidenz anschaut, dann muss man sich doch fragen, wieso sechs davon an der tschechischen Grenze liegen. Da muss es doch wohl einen Zusammenhang geben, der nicht aus der Luft gegriffen sein kann. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Beschränkung der Einreise schmerzt uns alle. Aber sie ist unvermeidlich und notwendig. Tschechien muss von sich aus die Lage in den Griff bekommen. Wir dürfen uns nicht von Tschechien oder Tirol anstecken lassen; das ist im Interesse unserer Bürger. Es ist im Übrigen auch im Interesse unserer Unternehmer; denn ohne die Grenzschließung wäre die Ladenöffnung bei uns in unerreichbare Ferne gerückt.
Ich möchte noch eine Bitte der Bundesregierung mit auf den Weg geben. Wir haben viele – in dem Fall tschechische – Arbeitnehmer, die eigentlich in Kurzarbeit sein müssten. Wir müssen für diese Beschäftigten Regelungen finden, damit sie in dieser Pandemie ein Auskommen haben. Das liegt mir am Herzen. Da muss man beim Thema Kurzarbeit noch einmal nachsteuern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt gilt: Tschechien und Tirol sind am Zug, Herr Kollege Strasser, nicht die Bundesregierung. Diese Länder müssen die Pandemie in den Griff bekommen. Wir können jetzt nicht leichtfertig die Erfolge verspielen, die wir uns in den letzten Wochen mühsam erarbeitet haben. Die Grenzkontrollen sind nur so lange nötig, wie die Lage nicht im Griff ist.
Ich freue mich über jeden Tag, an dem es keine Grenzkontrollen gibt. Aber jetzt haben es Tschechien und Tirol in der Hand, wie lange die Grenzschließungen dauern werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])