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Stefan Rouenhoff: "Eine einheitliche europäische Lösung wäre eindeutig der bessere Weg"

Rede zum Lieferkettengesetz

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es gerade beim Vorredner gemerkt: Die Standpunkte zum Lieferkettengesetz sind bei uns im Bundestag ziemlich unterschiedlich. Trotz aller Differenzen zwischen den sechs Fraktionen hier im Bundestag denke und hoffe ich, dass es in zwei Punkten einen Grundkonsens gibt: Erstens. Deutsche Unternehmen sollen sich auch künftig in Schwellen- und Entwicklungsländern wirtschaftlich engagieren. Zweitens. Das Auslandsengagement deutscher Firmen muss dort die Lebenssituation der Menschen verbessern: Arbeitsplätze schaffen, die wirtschaftliche Entwicklung fördern, Bildungschancen für Kinder und Jugendliche verbessern. Diese Punkte sollten Maßstab unseres Handelns sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schaue jetzt auf die linke Seite des Parlaments: Aus Ihrer Sicht ist ein Lieferkettengesetz umso besser, je umfassender die Auflagen für Unternehmen sind. Ihre weitgehenden Forderungen, gerade auch aufseiten der Linken, kommen bei Ihren Anhängern ganz sicher gut an; aber damit machen Sie sich das Leben auch verdammt einfach. Wenn in Schwellen- und Entwicklungsländern deutsche Investitionen wegen zu hoher gesetzlicher Anforderungen oder Rechtsunsicherheit ausbleiben, ist den Menschen vor Ort nicht geholfen, insbesondere dann nicht, wenn Unternehmen aus anderen Ländern mit niedrigeren Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards auf die Märkte drängen. Wenn wir den Lebensstandard der Menschen in weniger entwickelten Ländern wirklich verbessern wollen, dann müssen wir die deutsche Wirtschaft als unseren Partner sehen und nicht als unseren Gegner.

(Beifall des Abg. Mark Helfrich [CDU/CSU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns allen ist klar: Deutsche Unternehmen engagieren sich nicht aus Wohltätigkeitszwecken im Ausland. Unsere Unternehmen wollen wirtschaftlich erfolgreich sein. Dazu nutzen sie die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung. Darunter waren in den vergangenen Jahren auch schwarze Schafe aus Deutschland – das möchte ich hier überhaupt nicht unter den Tisch kehren –, Firmen, die nicht nach unseren Vorstellungen gehandelt haben. Aber zur Wahrheit gehört eben auch: Neben diesen schlimmen Einzelfällen haben die allermeisten Unternehmen durch Handel und Investitionen das Leben der Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern erheblich verbessert.

(Zuruf des Abg. Michel Brandt [DIE LINKE])

– Wollen Sie das verneinen? – Hunderte Millionen Menschen wurden aus der Armut geholt. Die Lebenserwartung hat sich seit 1950 fast verdoppelt. Das Bruttoinlandsprodukt der Schwellen- und Entwicklungsländer ist in den letzten 30 Jahren zweieinhalbmal so stark gestiegen wie in den Industrieländern. Hierzu hat unsere leistungsstarke deutsche Wirtschaft einen wichtigen Beitrag geleistet.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich verneine überhaupt nicht, dass es noch eine ganze Menge zu tun gibt; das ist gar nicht das Thema. Aber wenn wir verbindliche Sorgfaltspflichten wollen, dann müssen wir sicherstellen, dass sie nicht zu einem Bürokratiemonster werden, dass sie praktikabel und verhältnismäßig sind. Auch sollten wir nach meiner Meinung sehr genau überlegen, ob wir mit einer neuen Regelung sehr unterschiedliche Branchen tatsächlich über einen Kamm scheren wollen.

Einen weiteren Punkt sollten wir bei unseren aktuellen Überlegungen ebenfalls nicht ausblenden: Die Coronapandemie hat Deutschland in die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit gestürzt. Damit verbunden ist ein deutlicher Rückgang deutscher Direktinvestitionen im Ausland. Und wer leidet darunter am meisten? Vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer, mit den entsprechenden negativen Folgen für die dort lebenden Menschen.

Ich weiß, dass einige – gerade auf der linken Seite – jetzt wieder sagen werden: Es ist falsch, das Lieferkettengesetz und die Wirtschaftskrise miteinander in Verbindung zu bringen, weil es ja für das Lieferkettengesetz längere Übergangsfristen geben soll. – Aber bitte lassen Sie uns nicht vergessen: Investitionsentscheidungen werden nicht ad hoc getroffen, sondern Jahre im Voraus. Deshalb sollten wir nicht ausgerechnet jetzt, auf dem Höhepunkt der Coronakrise, die Unsicherheiten in den Handels- und Investitionsbeziehungen mit Drittstaaten vergrößern.

(Beifall des Abg. Markus Frohnmaier [AfD])

Aber genau das würden wir machen, wenn wir beispielsweise die zivilrechtliche Haftung, die ja hier von Ihnen gefordert wird, und die Kontrolle der gesamten Lieferkette in einer neuen Regelung verankern würden. Was wir jetzt brauchen, sind Realismus und Pragmatismus, das, was unser Wirtschaftsminister Peter Altmaier in den laufenden Verhandlungen an den Tag legt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allen Diskussionen über eine nationale Regelung, wissen wir doch alle hier: Eine einheitliche europäische Lösung zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten wäre eindeutig der bessere Weg. Die EU hat ein viel größeres wirtschaftliches Gewicht in der Welt und eine deutlich bessere Chance, neue Standards auch international durchzusetzen. In Brüssel ist die Diskussion über eine gesetzliche Regelung aktuell in vollem Gange. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir – statt nationaler Schnellschüsse – jetzt unsere gesamte Energie in eine tragfähige europäische Lösung stecken, gemeinsam mit unseren Partnern in der EU.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)