Stephan Pilsinger: "Nicht zulassen, dass unser Gesundheitssystem unter der Last zusammenbricht"
Rede zur Priorisierung bei der Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Allein in Deutschland sind dem Coronavirus vorgestern über 950 Menschen zum Opfer gefallen – an einem einzigen Tag. Über 4 800 Menschen kämpfen aktuell auf unseren Intensivstationen um ihr Leben. Vielerorts mochte man in den vergangenen Tagen trotzdem nicht auf den geselligen Glühwein inmitten der belebten Einkaufsstraßen verzichten. Auch deshalb infizieren sich aktuell trotz mehrwöchigen Teil-Lockdowns immer mehr Menschen mit dem Virus, leider auch immer mehr ältere Menschen und Menschen aus Risikogruppen. Unsere Kliniken und insbesondere die Intensivstationen stehen heute an ihrer Belastungsgrenze. Viele Häuser mussten in den vergangenen Tagen bereits Patienten abweisen.
Wir dürfen es nicht zulassen, dass unser Gesundheitssystem unter der Last der zahlreich schwer erkrankten Coronapatienten zusammenbricht. Genau aus diesem Grund mussten wir die Maßnahmen zu Beginn dieser Woche noch einmal massiv verschärfen. Das strikte Reduzieren von Kontakten und die konsequente Umsetzung der erweiterten AHA-Regeln bleiben auf absehbare Zeit unsere wirksamste Waffe gegen das Virus.
Doch es gibt Hoffnung. Ich möchte an dieser Stelle noch nicht von einem sprichwörtlichen Licht am Ende des Tunnels sprechen – so weit sind wir noch nicht –; aber mit dem ersten bald zur Verfügung stehenden Impfstoff haben wir dem Virus endlich etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen. Bis eine ausreichende Anzahl von Menschen die Impfung erhalten hat, ist es trotzdem noch ein sehr langer Weg. Die gute Nachricht aber ist: Nach den vorliegenden Daten verhindert eine Impfung in der überwiegenden Zahl der Fälle schwere und tödliche Krankheitsverläufe. Deshalb halte ich es auch für wichtig, hier im Deutschen Bundestag noch einmal klar zu sagen: Nehmen Sie das Angebot auch wahr und lassen Sie sich gegen das Virus impfen!
(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])
Die Impfung wurde in den klinischen Studien von allen 43 000 Testpersonen gut vertragen. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf. Es ist ein historischer Durchbruch, dass Forscher aus Deutschland innerhalb so kurzer Zeit eine Waffe gegen die zerstörerische Pandemie entwickelt haben. Dieser Impfstoff, meine Damen und Herren, wird Leben retten. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten der Impfstoff nur auf dem Wege einer Notfallzulassung genehmigt worden ist. Die Zulassung des Impfstoffs durch unsere europäischen Behörden wird damit die erste reguläre Zulassung sein.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut geboten, gemeinsam mit Experten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und des Deutschen Ethikrates Kriterien für eine Priorisierung von Covid-19-Impfstoffen vorzuschlagen. Uns wird vonseiten der Opposition immer wieder vorgeworfen, man müsse die Priorisierung in einem Bundesgesetz regeln. Aber – das sage ich Ihnen ganz offen – kein Gesetzgeber kann in einer so sensiblen Fragestellung fundiertere Empfehlungen aussprechen als die Wissenschaft und ein Gremium wie der Ethikrat.
Vizepräsident in Claudia Roth:
Kommen Sie zum Schluss, bitte.
Stephan Pilsinger (CDU/CSU):
Sobald die Impfungen starten, sind die drei Institutionen zudem aufgerufen, die Effekte der ersten Impfphase auf die Pandemie herauszuarbeiten, sowohl in Bezug auf die epidemiologischen als auch in Bezug auf die ethischen Implikationen. Durch diese Maßnahmen schaffen wir die nötigen Voraussetzungen dafür, dass die knappen Impfstoffe sinnvoll und zum Schutz der besonders betroffenen Bürgerinnen und Bürger eingesetzt werden, auch ohne ein entsprechendes Gesetz. Das ist richtig. Deswegen bitte ich darum, die Bundesregierung in ihrem bisher stattgehabten Verfahren zu unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)