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Michael Frieser: Wir stoßen eine moderate, in zwei Schritten aufgesetzte Reform an

Redebeitrag zum Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Ich kann nicht mehr zählen, die wievielte Rede das zum Thema Wahlrecht ist. Aber wir kommen heute zu einem Abschluss.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das glauben auch nur Sie! Jetzt geht es erst richtig los!)

Dieser Abschluss gefällt nicht jedem.

Aber ich will noch mal grundsätzlich anfangen. Das deutsche Wahlrecht ist unserer Verfassung, aber vor allem der staatlichen Ordnung geschuldet,

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das zukünftige aber auch! – Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Das deutsche Wahlrecht wird jetzt zum bayerischen Wahlrecht! Das ist die Wahrheit!)

also föderalen Elementen wie auch nationalen Elementen. An dieses Gleichgewicht beim Wahlrecht, zu dem man sich am Ende durchgerungen hat,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wird der Bundestag kleiner?)

sollten wir keine Axt anlegen.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht „man“, sondern Sie!)

Deshalb sollte ein Kompromiss, der in den letzten Jahren durch die Wahlreformkommission beim Präsidenten, aber auch durch viele Diskussionen gefunden wurde, nicht so schlechtgeredet werden, wie er ist.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: „Nicht so schlechtgeredet werden, wie er ist“? Doch! Der ist schlecht!)

Er muss nicht jedem gefallen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja schon ein Gang zurückgeschaltet! – Lachen und weitere Zurufe von der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Erheiterung und Lärm waren noch nie ein Indiz für Sachkenntnis, meine sehr verehrten Damen und Herren. Vielleicht hören wir mal zu!

(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Und die Sachverständigen!)

Die entscheidende Grundlage ist, dass wir die föderalen Elemente, die nationalen Elemente, das grundsätzliche Prinzip der Verhältniswahl, aber auch der Direktmandate nicht wesentlich antasten.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Das stimmt! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Es passiert also nichts!)

Es ist Auftrag der Verfassung, dass es hier zu einem Ausgleich kommt.

Wir als Koalition legen Ihnen einen Kompromiss vor.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Der ist Murks!)

Ich darf sagen: Große Bereitschaft der Opposition, sich darüber zu unterhalten, habe ich bisher noch nicht gespürt,

(Widerspruch bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

obwohl es genug Ansätze dazu gegeben hätte.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Genau so! Richtig! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das ist doch auch großer Murks! Unglaublich!)

Der Kompromiss läuft darauf hinaus, dass wir einen Versuch unternehmen, an mehreren Stellschrauben zu drehen.

(Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Sie sind doch ein Illusionist!)

Das bedeutet in erster Linie, das Wahlrecht in seinen Grundsätzen zu belassen und nicht mit der Axt willkürlich viele Direktmandate wegzuschlagen. Am Ende des Tages ist das wesentliche Element dieser Wahl, den direkten Kontakt des Bürgers, der Wählerin, des Wählers vor Ort zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den haben wir auch!)

Wir versuchen durch die Dämpfung im ersten Zuteilungsschritt, der übrigens nicht unsere Erfindung ist, sondern der eine Reaktion auf das Wahlrecht ist, bei dem die Union, die SPD, die Grünen und die FDP dabei waren, am System zu schrauben.

Dieses Wahlrecht können wir aufgrund dessen, was uns das Verfassungsgericht vorgegeben hat, heute nicht einfach ändern.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das will auch niemand!)

Das bedeutet, wir müssen diesen mit Blick auf die Verteilung auf Regionen im Land notwendigen ersten Zuteilungsschritt erhalten. Daran mangelt es bei Ihrem Entwurf. Eine Dämpfung ist aber unser Ansinnen.

In zweiter Linie ist die Frage zu beantworten: Können wir sehr maßvoll die Zahl der Direktmandate verringern, um den Spread bei den abgegebenen Stimmen im Verhältniswahlrecht bei den Direktmandaten zu reduzieren? Dagegen gibt es natürlich Vorbehalte. Ich habe es schon gesagt: Der wesentliche Grundsatz beim Thema Direktmandate ist nun mal der direkte Kontakt zu den Bürgern. Ich halte niemandem vor, dass er keinen Kontakt zu den Bürgern hätte.

(Manuel Höferlin [FDP]: Als ob wir den nicht hätten! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Es gibt keine Abgeordneten erster und zweiter Klasse! Sie wissen das ganz genau!)

Aber ein wesentliches Element unserer Verfassung ist – das ist der entscheidende Punkt –, dass ein Direktmandat auch ein Teil der repräsentativen Demokratie ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Reiner CSU-Egoismus! Null Patriotismus! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So peinlich! Ich würde unter der Tür durchkriechen!)

Insofern, glaube ich, sind wir gut beraten, das maßvoll zu tun, es durch die Dämpfung des ersten Zuteilungsschrittes überhaupt erst sinnvoll zu machen und eben nicht die blanke Axt zu schwingen.

Nächster Punkt. Sie werden noch wahnsinnig viele Ausführungen zum Thema „ausgleichslose Überhangmandate“ hören. Was haben wir uns in diesem Land an Gefälligkeitsgutachten über die Frage, was das bedeutet, zumuten müssen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre mir so peinlich! Ich würde unter den Teppich kriechen!)

Die Katastrophe scheint zu nahen, weil drei ausgleichslose Überhangmandate da sind.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Eine der schwächsten Reden seit Langem!)

Selbst das Verfassungsgericht sagt, dass man

(Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Wollen Sie überhaupt etwas ändern?)

etwa in Höhe einer halben Fraktion dieses Bundestages damit leben kann, dass Mandate unausgeglichen bleiben. Warum? Weil es ein konstitutives Element ist. Auf der einen Seite stehen die Direktmandate, die im Grunde die Rechnung für das Problem des Ausgleichs zahlen sollen, das auf der Seite des Verhältniswahlrechts entsteht. Insofern ist es wirklich ein sehr mäßiger, sehr geringfügiger Eingriff,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: „Sehr mäßiger Gesetzentwurf“ wollten Sie sagen!)

der sich proportional noch nicht mal auswirkt.

Glauben Sie doch diesen Unsinn nicht über die Berechnungen, die im Augenblick angestellt werden. Wenn wir das alles so leicht berechnen könnten,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Die haben sich alle verrechnet! Nur die CSU kann rechnen! Nur in Bayern kann man Mathe! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dann hätten wir das in der Wahlreformkommission getan. Der Bundeswahlleiter – zufällig jemand im Land, der was davon versteht – sagt Ihnen, dass alles Hochgerechnete, Skalierte

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten gar nichts gemacht! Sie waren für was ganz anderes!)

keine wirkliche Auskunft darüber geben kann, wie die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages aussieht.

Deshalb – getragen vom gemeinsamen Willen in der Koalition, diesen Bundestag nicht über ein Ziel hinausschießen zu lassen, ihn nicht in irgendeiner Art und Weise unkontrolliert anwachsen zu lassen –

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es hilft alles nichts!)

haben wir uns zusammengefunden, um eine moderate, in zwei Schritten aufgesetzte Reform anzustoßen.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Sie verstecken Ihren Egoismus hinter Karlsruhe! Das ist alles!)

Wir laden immer noch ein, sich diesem Ansinnen anzuschließen, statt irgendwelchen Ideen, die am Ende mindestens verfassungstechnisch fragwürdig sind, hinterherzulaufen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Sehr gute Rede! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es hilft alles nichts! Es wird Ihnen nicht gelingen!)