Klaus-Dieter Gröhler: In Ideologie kann man nicht wohnen
Redebeitrag zum Einzelplan 06 - Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe in den letzten 90 Minuten den Kollegen der Opposition sehr intensiv zugehört.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Dürr [FDP]: Sehr gut!)
Aber substanzielle Vorschläge zur Veränderung des Einzelplans 06 habe ich kaum entnommen.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)
Was ich gehört habe, Herr Perli, war Ihre Sonntagsrede.
(Victor Perli [DIE LINKE]: Heute ist Donnerstag!)
Sie hatte mit dem, wo Die Linke Verantwortung trägt, überhaupt nichts zu tun. Sie tragen in Berlin Verantwortung. Leider, füge ich hinzu.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ja, leider!)
Sie scheinen vergessen zu haben, dass unter Ihrer Zuständigkeit im ersten rot-roten Senat unter Klaus Wowereit der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin,
(Ulli Nissen [SPD]: Oje!)
damals SPD, Zehntausende landeseigene Wohnungen billig verscherbelt hat und den sozialen Wohnungsbau in Berlin abgeschafft hat.
(Victor Perli [DIE LINKE]: Der Mietendeckel wirkt! Die Mieten sinken!)
Daran krankt heute noch der Berliner Wohnungsmarkt. Heute stellen Sie den Bausenator in der Stadt. Mehr als Ideologie können Sie nicht bieten. Aber in Ideologie, meine Damen und Herren, kann man nicht wohnen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Victor Perli [DIE LINKE]: Nur in Berlin sinken die Mieten! Dank der Linken!)
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Herr Kollege, gestatten sie eine Zwischenfrage?
Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU):
Danke, Herr Präsident, jetzt nicht. – Lassen Sie mich noch hinzufügen – vielleicht hört der Kollege Kühn noch zu, weil auch die Grünen in Berlin Verantwortung tragen –: Inzwischen rät die Senatsbauverwaltung Antragstellern ab, Bundesbaufördermittel, zum Beispiel zum Städtebauprogramm, in Anspruch zu nehmen, weil Berlin es nicht einmal mehr schafft, die 10- oder 20-prozentige Kofinanzierung zu stemmen. Das ist Realpolitik in Berlin. Vielleicht setzen Sie sich einmal an dieser Stelle mit Ihren Kollegen in der Landespolitik auseinander.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Herr Minister, ich glaube, Sie haben hier wirklich einen guten Etatentwurf vorgelegt, einen Etat, der dieses Land sicherer macht.
(Daniel Föst [FDP]: Glauben ist nicht wissen!)
Zusätzliche 1 000 Stellen für die Bundespolizei und 17 Prozent mehr Mittel sorgen dafür, dass in Zukunft mehr Bundespolizei auf den Bahnhöfen und in den Zügen unterwegs ist.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu müsste man erst einmal einstellen!)
Unser Land wird besser geschützt, weil das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – das haben Sie leider nicht gesagt, Frau Kollegin Mihalic – 40 Prozent mehr Mittel im nächsten Jahr bekommt, um bei Krisen und Großschadensereignissen entsprechend gewappnet zu sein.
Unser Land wird in Zukunft auch besser vor digitalen Gefahren geschützt, zum Beispiel vor Cyberangriffen, weil das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zusätzlich 100 Stellen bekommt und 35 Prozent mehr Mittel.
Unser Land wird moderner werden, weil die Menschen in Zukunft nicht mehr zum Amt rennen müssen und sich eine Wartenummer ziehen müssen; denn durch die 3 Milliarden Euro, mit denen das Onlinezugangsgesetz umgesetzt wird, schaffen wir endlich Bürokratie ab.
Ich könnte diese Liste jetzt lange, lange fortsetzen, vielleicht sogar über Stunden gute Nachrichten produzieren. Das wird der Präsident sicherlich verhindern. Deshalb möchte ich mich zum Ende meiner Rede von den Zahlen lösen. Das Innenministerium ist ja nicht nur für Sicherheit, Bauen und Sport zuständig, sondern auch für Heimat, politische Bildung und die Verfassung. Manchmal ist es ganz gut, auch in einer Haushaltsdebatte darüber nachzudenken, woher man kommt und wohin man will und was unser Land auszeichnet und zusammenhält.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber in den letzten Wochen bekommen wir sehr, sehr viel Post. Viele Bürger schreiben: Ihr schafft die Demokratie ab, ihr setzt die Grundrechte außer Kraft, ihr führt eine Diktatur ein. – Ich will jedem zugestehen, dass er über die aktuellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie kritisch nachdenkt. Aber all denen, die das schreiben, möchte ich entgegenhalten: Denkt einmal bei einer solchen Wortwahl darüber nach, was Diktatur wirklich heißt. Mit solchen Bemerkungen verharmlost ihr zwei Diktaturen, die in unserem Land leider geherrscht haben. Und mit solchen Bemerkungen, meine Damen und Herren, beleidigt man auch die Menschen, die zum Beispiel gerade in Minsk für Demokratie und Rechtsstaat, für Meinungsfreiheit und Pressefreiheit auf die Straße gehen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mich erinnern die Fernsehbilder aus Minsk immer sehr an die Ereignisse vom Herbst 1989 in Leipzig und dann auch hier in Ostberlin. Ich will an dieser Stelle einmal den Menschen in Minsk und in Belarus zurufen: Ich hoffe, ihr habt das Glück und den Erfolg, den unser deutsches Volk vor 30 Jahren hatte! Wir stehen an eurer Seite!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)