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Rudolf Henke: Nachhaltige Gesundheitspolitik beginnt an der Werkbank

Redebeitrag zu nachhaltigem Leben und Konsum

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Magnitz, wer angesichts von über 300 000 Neuinfizierten an einem Tag zu Beginn dieser Woche von einem „Coronawahn“ spricht und wer angesichts der Tatsache, dass wir am Anfang des Jahres Brände in Australien erlebt haben und jetzt die Waldbrände in Kalifornien erleben mit einer Fläche, die so groß ist wie ganz Mecklenburg-Vorpommern, von einem „Klimawahn“ spricht, der, finde ich, zeigt damit, dass er sich aktiv und bewusst in den Gegensatz zu den Fakten begibt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deswegen – mit allem Verständnis – konzentriere ich mich auf eine andere Facette dieser Debatte.

Ich möchte beim Thema „Nachhaltig leben und konsumieren“ über die Nachhaltigkeit im gesundheitlichen Sinn sprechen. Barbara Hendricks hat ja in der vorigen Debatte daran erinnert, dass sich 2015 192 Unterzeichnerstaaten für die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung entschieden haben und in deren Ziel 3 zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden. Zum anderen hat der Deutsche Bundestag im gleichen Jahr nach drei vergeblichen Anläufen und einer zehnjährigen Debatte das Präventionsgesetz verabschiedet und in diesem das oberste Ziel festgehalten, lebensstilbedingte Volkskrankheiten einzudämmen.

Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, die die Bundesregierung derzeit für 2021 überarbeitet, verfolgt unter anderem folgendes Ziel: Verringerung vorzeitiger Sterblichkeit durch nichtübertragbare Erkrankungen durch Prävention und Behandlung. Allein morgen in der Sitzung des Bundesrates werden wir mit dem Tabakwerbeverbot und der wartefreien Reha-Wiederholung für Minderjährige weitere Schritte gehen. Mitte August hat das Kabinett den Nutri-Score auf den Weg gebracht, ein Meilenstein für die Ernährungspolitik. Durch den Anstieg der Lebenserwartung und durch den medizinisch-technischen Fortschritt haben wir heute einen anderen Blick auf chronische Erkrankungen als früher. Wenn wir nicht Behandlungen einschränken wollen, wenn wir nicht Spargesetze verabschieden wollen, dann ist der einzige Weg zu einer nachhaltigen Finanzierung und um sonst anfallende Kosten zu vermeiden, Prävention und Gesundheitsförderung. Jeder in Prävention investierte Euro bleibt später um ein Vielfaches erspart.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen ist es zu begrüßen, dass die Bundesregierung mit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie dazu beiträgt, vorzeitige Sterblichkeit zu senken, die Raucherquote zu reduzieren und die Adipositasquote zumindest bei Jugendlichen zu reduzieren. Wir stimmen, glaube ich, mit Julia Klöckner komplett darin überein, dass wir gesunde Ernährung einfacher machen müssen. Insofern können wir gerne auch die Nationale Reduktionsstrategie beschleunigen.

Was können wir besser machen, um beispielsweise ernährungsbedingte Erkrankungen wie Diabetes im Ursprung zu vermeiden? Da kann ich Ihnen einen kleinen Blick auf den Zuckerstoffwechsel nicht völlig ersparen: Unser Körper spaltet Kohlenhydrate in Zucker. Dann braucht er körpereigenes Insulin, um den Zucker in die Zellen zu bringen. Wenn die Zellen nun resistent gegen Insulin geworden sind, dann steigt nicht nur der Blutzuckerspiegel, sondern auch die Insulinproduktion nimmt zu – Insulinresistenz. Nun ist Insulin das einzige Hormon, das Körperfett aufbaut. Das ist die wichtigste und die eigentliche Ursache der Fettleibigkeit, die überall in der Welt die Gesundheit bedroht. Diese Zusammenhänge – Insulinresistenz auf der einen Seite, glykämischer Index von Nahrungsmitteln auf der anderen Seite – müssen wir, wenn wir nachhaltig sein wollen, strategisch besser berücksichtigen,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber reden wir doch seit 25 Jahren!)

besser angehen, und wir müssen mehr Aufklärungsarbeit leisten. Es gehört vielleicht auch die eine oder andere traditionelle Ernährungsempfehlung dazu auf den Prüfstand. Aber das lohnt sich, und das zahlt sich aus.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Im Koalitionsvertrag und erneut im gestrigen Leitantrag haben Union und SPD vorgesehen, Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Präventionsgesetzes von 2015 vorzulegen. Die Coronapandemie ist ein klares Zeichen dafür, wie enorm wichtig Prävention ist. In diesem Sinne werbe ich sehr dafür, das neue Präventionsgesetz zeitnah mit genauem Blick auf die alltäglichen Lebenswelten anzugehen. Nachhaltige Gesundheitspolitik beginnt an der Werkbank, in der Kantine und auch auf dem Weg in den Feierabend.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)