Dr. Georg Nüßlein: Es geht auch um die Frage, wo die Grenzen der Globalisierung sind
Rede zur Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Momentan wird eine Frage ziemlich häufig diskutiert, nämlich die Frage, warum unser Land, wie es jetzt scheint, ziemlich glimpflich durch diese Krise kommt. Was unterscheidet das Gesundheitssystem Deutschlands von anderen? Ich will das ganz kurz schlagwortartig beleuchten.
Erstens. Wir haben gut ausgebildetes, leistungsbereites und leistungsfähiges Personal, und zwar – ich sage das bewusst aus politischen Gründen – nicht nur akademisch ausgebildetes Personal.
Zweitens. Wir haben keine Zugangsschranken. Die Versicherung macht hier einiges aus. Das mag in den USA ein Problem sein.
Drittens. Wir haben eine flächendeckende Versorgung durch unsere Krankenhäuser – auch im ländlichen Raum; das hat Alexander Dobrindt vorhin beleuchtet. Sie ist ganz wichtig, und wir müssen sie in Zukunft noch stärker schützen und ins Blickfeld der Politik rücken.
Viertens. Wir haben keine Staatsmedizin. Herr Bartsch, wenn Sie nach England schauen, dann können Sie sich anschauen, was da geleistet wird. Das ist etwas, was mich nicht hoffnungsvoll macht, dass Ihr Konzept irgendeine Chance hat, etwas zu verbessern. Ganz im Gegenteil.
Fünftens. Die Politik hat an dieser Stelle früh und klar eingegriffen und gemeinsam mit duldsamen Bürgern, die verstanden haben, um was es geht, tatsächlich dafür gesorgt, dass wir das Problem eindämmen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihre Bundeskanzlerin hat von der Stärkung des öffentlichen Gesundheitssystems gesprochen, und zwar zu Recht!)
– Hören Sie auf! Jetzt sind die anderen dran.
Jetzt komme ich zu dem, was mich an der Debatte heute am meisten schockiert hat. Das war nämlich die Rede von Herrn Münzenmaier; hier rechts sitzt er, genau. Der Herr Gauland hat sich zurückgehalten. Das mag mit Altersweisheit zu tun haben, das könnte aber auch damit zu tun haben, dass er gewusst hat, dass der nächste Redner hier etwas anderes vortragen wird.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Oh Gott!)
Das war aber nur ein Vorgeschmack auf das, was uns demnächst blühen wird. Wenn das, was wir hier politisch veranlasst haben, und das, was unser Gesundheitssystem leistet, am Schluss Erfolg haben, dann werden Sie, von denen man die ganze Zeit nichts gehört hat, aus Ihren Löchern kommen und sagen: Das war alles unnötig, ihr habt die Wirtschaft ohne Not ruiniert, ihr habt das und jenes gemacht. – Das werdet ihr tun, nachdem ihr euch vorher versteckt habt.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Am 12. Februar!)
Sie werden sich das anschauen und dann, wenn alles gut gegangen ist, den Neunmalklugen spielen, die Diffamierbarkeit des Ganzen ausnutzen und sagen: Wir von der AfD haben es gewusst. Man hätte alles ganz anders machen können.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Ich sage das an dieser Stelle so prophezeiend, weil ich weiß, dass das so kommt, und weil man das jetzt schon sagen muss, weil Sie das letztendlich genauso machen müssen.
(Beifall des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU] – Sebastian Münzenmaier [AfD]: Haben Sie Sorgen! Aha!)
Natürlich gibt es ein paar Dinge, die man noch verbessern kann. Ich denke zum Beispiel an die Versorgung mit Schutzkleidung. Wir sind jetzt auf dem Weg und sagen: Lasst sie uns in Deutschland produzieren. Das ist ganz entscheidend. Es geht auch um die Frage, wo die Grenzen der Globalisierung sind.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Merken Sie was?)
– Schreien Sie doch nicht die ganze Zeit, sonst muss ich auch noch lauter reden. Wie können wir, bei der Versorgung mit Medikamenten, dafür Sorge tragen, dass wir sie nicht in China bzw. Asien kaufen müssen, sondern dass das bei uns geht? Da gibt es auch entsprechende Maßnahmen. Ich bin zum Beispiel jemand, der dafür eintreten wird, dass wir in Zukunft, wenn wir Rabattverträge, also die Medikamentenbeschaffung, ausschreiben, nicht nur einem, sondern mindestens zweien den Zuschlag geben und dass davon einer den Zuschlag bekommt, der eine europäische Lieferkette nachweist.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ist es!)
Diese Dinge werden wir also ändern müssen; das ist vollständig richtig. Aber dass Sie jetzt schon anfangen, das, was wir hier tun und was die breite Mehrheit der Menschen zu Recht mitträgt,
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Noch! – Enrico Komning [AfD]: Warten Sie mal ab!)
zu diffamieren, ist schändlich.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden natürlich zu Öffnungen kommen müssen. Dabei kommt es, wie der Herr Gauland gesagt hat, ganz klar auf die Eigenverantwortung an. Aber die Eigenverantwortung der Menschen ist nicht die Lösung, sondern die Bedingung dafür, dass die Lockerungen, die jetzt auf dem Weg sind, gelingen,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
und ich appelliere an die Menschen, dass sie das entsprechend umsetzen. Dann wird es uns glücken, relativ zügig auch wieder in ein sinnvolles Wirtschafts- und Gesellschaftsleben einzusteigen.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Also sagen Sie, wir haben Recht, aber wir sollen es nicht so laut sagen, da es Kritik an der Regierung ist!)
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Enrico Komning [AfD]: Das war nichts! – Sebastian Münzenmaier [AfD]: Sie haben es versucht!)