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Thomas Silberhorn: "Die Lage bleibt durchaus fragil"

Rede zum Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin im letzten Jahr mehrfach im Kosovo gewesen. Ich bin letzte Woche in Belgrad gewesen. Ich kann Ihnen mitteilen, dass ich auf dem Balkan mehr Dialog und mehr Besonnenheit erlebt habe, als im Beitrag des Vorredners zum Ausdruck gekommen ist. Das sind ein gutes Signal und eine gute Botschaft für die Staaten des westlichen Balkans.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vor 20 Jahren – fast auf den Tag genau – hat der Deutsche Bundestag zum ersten Mal beschlossen, dass sich Deutschland an der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo, dem KFOR-Einsatz, beteiligt. Das geschah in einer Situation, in der das Ausmaß von Vertreibung und Deportationen durch die Kräfte der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien im Kosovo neue Dimensionen angenommen hatte. Mehr als 1,4 Millionen Menschen waren vertrieben und auf der Flucht. Der größte Teil der 1,8 Millionen Kosovo-Albaner war obdachlos. Ganze Landstriche waren verwüstet. Es fanden systematische Vergewaltigungen statt, und über 13 000 zivile Opfer waren zu beklagen. Das war die Situation 1999,

(Zuruf von der AfD: Ist sie bis heute!)

in der sich die NATO entschlossen hat, einzugreifen. Über den Kosovo hinaus galt damals die gesamte Region des Westbalkans als höchst instabil. Deswegen galt es, diesem Flächenbrand, dieser humanitären Katastrophe direkt vor unserer Haustür eine wirksame Antwort entgegenzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es ist tatsächlich gelungen, diese Antwort zu geben und dem Kosovo eine neue Perspektive zu schaffen; auch für die gesamte Region des westlichen Balkans. Gewalt und Unterdrückung im Kosovo konnten beendet werden. Alle militärischen, polizeilichen und paramilitärischen Kräfte der Bundesrepublik Jugoslawien haben sich damals innerhalb kürzester Zeit zurückgezogen. Es wurde ein sicheres Umfeld für alle Bürger im Kosovo geschaffen

(Zuruf von der LINKEN: Das ist eine Lüge!)

und den Vertriebenen und Flüchtlingen eine sichere und freie Rückkehr in ihre Heimat ermöglicht.

KFOR hat die internationalen Organisationen unterstützt bei der Entwicklung von selbsttragenden demokratischen Übergangsstrukturen und bei der Schaffung von friedlichen und normalen Lebensbedingungen für die Bewohner des Kosovo. KFOR hat die Demilitarisierung im gesamten Kosovo einschließlich der sogenannten kosovarischen Befreiungsarmee UCK überwacht und durchgesetzt, und KFOR hat den ungehinderten Zugang humanitärer Hilfsorganisationen im Kosovo gewährleistet. Das ist der Erfolg dieses Einsatzes, den wir nun seit 20 Jahren haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Seit dieser Zeit, seit 1999, hat sich viel getan. Dieser Einsatz hat sich von einer friedensschaffenden Mission mit über 50 000 Soldatinnen und Soldaten zu einer friedensbewahrenden Mission mit derzeit etwa 3 500 Soldatinnen und Soldaten entwickelt. Heute, 20 Jahre später, ernten wir die Früchte dieses Engagements der internationalen Gemeinschaft. Es ist gelungen, ein sicheres, in weiten Teilen kontrollierbares Umfeld für die Menschen im Kosovo zu schaffen, aufrechtzuerhalten und auch lokale Sicherheitsstrukturen nachhaltig aufzubauen. Damit haben wir wichtige Grundlagen dafür gelegt, dass im Kosovo und im gesamten Westbalkan eine stabile Zukunft gestaltet werden kann.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Silberhorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bystron von der AfD?

Thomas Silberhorn, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung:

Ich würde gerne fortfahren, weil ich darauf hinweisen will, dass ich erst im Oktober letzten Jahres in Prizren gewesen bin, als im Beisein des kosovarischen Regierungschefs Haradinaj das Feldlager, das die Bundeswehr 20 Jahre betrieben hat, geräumt wurde. Wir errichten nun dort zusammen mit der kosovarischen Regierung und mit Unt erstützung des Bundesentwicklungsministeriums einen Technologiepark, der Chancen für die nächste Generation schafft. Schöner könnte man nicht darstellen, dass auf der Basis der Stabilität, die mit dem Einsatz der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr geschaffen worden ist, jetzt eine neue Perspektive für die junge Generation im Kosovo entsteht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie auch mich ein herzliches Dankeschön sagen für den Einsatz all der Soldatinnen und Soldaten, die in 20 Jahren mit dazu beigetragen haben, dass diese Perspektiven für den Kosovo entstehen. Ihnen gilt unser tiefer Respekt, und auch das konnte man in Prizren sehen: Beim Verabschiedungsappell haben sich die Menschen, die in den Cafés um diesen Platz herum saßen – die Familien, die Mütter und Väter mit Kindern, die jungen Leute – beim Ausmarsch der Soldaten der Bundeswehr erhoben und stehend Applaus gegeben für den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo.

Meine Damen und Herren, die NATO konnte ihre Kräfte in den zurückliegenden Jahren schrittweise erheblich reduzieren und ihre Fähigkeiten anpassen. Deswegen senken wir auch die Personalobergrenze für die Verlängerung des Mandats auf 400 Soldaten und Soldatinnen ab, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Aber die Lage bleibt durchaus fragil. Es gibt weiter latentes Konflikt- und Eskalationspotenzial, und deswegen ist es notwendig, dass wir diesen Einsatz fortsetzen. Das liegt nicht nur im Interesse des Kosovo. Insbesondere auch die serbische Seite legt Wert darauf, dass die internationale Gemeinschaft mit diesem KFOR-Einsatz mit für Sicherheit und Ordnung im Kosovo sorgt. Deswegen bitte ich Sie um Ihre Unterstützung für eine weitere Verlängerung dieses Mandats.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)