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Michael Kuffer: Das Aufenthaltsrecht ist kein Give-away, kein staatliches Trostpflaster

Rede zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, wo soll man da anfangen? Ihr Entwurf führt zu einer völligen Zweckentfremdung des Aufenthaltsrechts. Er ist rechtsstaatlich befremdlich, weil er einen „Handel“, ein Ausgleichsgeschäft zur Situation der Opfer zum Gegenstand hat, das weder der Tataufklärung und Strafverfolgung dient noch irgendeinen sinnvollen spezifischen Beitrag zum Ausgleich erlittener Nachteile leistet. Er ist darüber hinaus verfassungswidrig, weil er in nicht nachvollziehbarer Weise verschiedene Opfergruppen gegeneinander ausspielt, und er ist schließlich die Kopie einer Idee, die die Grünen bereits vor zwei Jahren in einer Kleinen Anfrage geäußert hatten und von der in der damaligen Antwort der Bundesregierung, Drucksache 18/11059, nachzulesen ist, warum sie Quatsch ist.

Das dauerhafte Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, gewissermaßen die Vorstufe zur Staatsbürgerschaft, ist angelegt auf ein besonderes Partnerschaftsverhältnis zwischen dem Ausländer und diesem unserem Staat. Es zu gewähren, erfordert entweder ein besonderes Loyalitätsverhältnis zu diesem Staat oder einen qualifizierten Nutzen für diesen Staat und/oder seine Gesellschaft. Es ist absurd, dieses Aufenthaltsrecht für andere Zwecke, etwa die Entschädigung von Opfern oder die indirekt-symbolische Bestrafung von Tätern, einsetzen zu wollen. Das Aufenthaltsrecht ist kein Give-away, kein staatliches Trostpflaster.

Obendrein berührt die Frage des Aufenthaltsrechts nicht solitär das Verhältnis zwischen Täter und Opfer, sondern die Interessen aller Bürger, wahrscheinlich auch aller Steuer- und Beitragszahler in diesem Land. Was die indirekte Bestrafung der Täter über Gesinnungsmechanismen auf Kosten der Gemeinschaft angeht: Also, wenn ich nicht wüsste, dass die Grünen auch schon mal einen solchen Geistesblitz hatten, würde ich sagen: Auf eine solche Schnapsidee kann man nur als postkommunistische SED-Nachfolgepartei kommen.

Wer sagt Ihnen denn, dass nur Ausländer Opfer rechter Gewalt werden können? Das sollten Sie den Opfern der abscheulichen antisemitischen Gewalttaten der letzten Jahre, beispielsweise hier in Berlin dem deutschen Rabbiner Daniel Alter und seiner Tochter, lieber nicht sagen. Was machen Sie denn mit deutschen Opfern rechter Gewalt? Ein Bleiberecht nutzt denen ja nichts. Machen Sie sie dann zu Ehrenbürgern, oder befreien sie von der Steuer? Ich meine, mit welchen Highlights dürfen wir denn von Ihnen hier noch rechnen? Und worin liegt Ihrer Ansicht nach genau der Grund, die Opfer rechter Gewalt gegenüber anderen Gewaltopfern zu privilegieren? Also: Sie spielen Opfergruppen gegeneinander aus. Und dass Sie nicht erkennen könnten, dass Sie dabei mitten im tiefroten Bereich eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Absatz 1 GG operieren, dass Sie diese Offensichtlichkeit nicht erkennen, glaube ich Ihnen nicht. Es ist Ihnen einfach egal, die Show ist Ihnen lieber.

In diesem Zusammenhang: Das richtige und sachbezogene Instrument wäre eine Duldung des Ausländers für die Dauer des Strafverfahrens, wenn die Anwesenheit des Betroffenen von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für erforderlich gehalten wird. Die Grundlage dafür gibt es aber schon: § 60a Absatz 2 Satz 2 Aufenthaltsgesetz. Auch für Härtefälle, dringende humanitäre oder persönliche Gründe, wie Sie sie in der Problembeschreibung zu Ihrem Gesetzentwurf darstellen, gibt es bereits eine gesetzliche Lösung: in § 60a Absatz 2 Satz 3 oder in § 23a Aufenthaltsgesetz.