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Christoph Bernstiel: Wir brauchen dringend eine Debatte über den Umgang mit Tätern und Opfern in unserem Land

Rede zum Kriminalitätsstatistikgesetz

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Deutschland ist nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt. Die Polizeiliche Kriminalstatistik aus dem Jahr 2017 belegt das. Die Zahl der Straftaten ist erneut um 5 Prozent gesunken und ist damit so niedrig wie seit 26 Jahren nicht mehr. Dennoch fühlen sich viele Menschen unsicher in unserem Land. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik nur die Fälle erfasst, in denen unsere Ermittlungsbehörden auch tatsächlich gearbeitet haben. Nicht erfasst sind hingegen alle Straftaten und Delikte, die im Verborgenen begangen werden oder erst gar nicht zur Anzeige gebracht wurden. Diese Fälle schreibt man dem sogenannten Dunkelfeld zu.

Die Autorin Marlene Lufen schrieb in ihrem vielbeachteten Buch „Die im Dunkeln sieht man nicht“, dass alle drei Minuten eine Frau in Deutschland vergewaltigt wird. Doch nur 70 Prozent dieser Fälle werden angezeigt. Marlene Lufen erklärt das unter anderem so – ich zitiere –:

... die meisten schämen sich, rechnen sich nur geringe Erfolgschancen aus oder versuchen, den Vorfall schnell zu vergessen. Die Beweisaufnahme nach einer Tat ist schwierig, die Polizeibefragung gleicht einem Verhör und im Gerichtssaal empfinden sie das Prozedere als erniedrigend.

So kann das nicht bleiben. Wir brauchen dringend eine Debatte über den Umgang mit Tätern und Opfern in unserem Land. Es kann nicht sein, dass Vergewaltiger ungestraft davonkommen und Frauen sich nicht trauen, solche Taten zur Anzeige zu bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Doch den Opfern sexueller Gewalt helfen wir nicht, indem wir Wissenschaftlern uneingeschränkten Zugang zu sensiblen Quellen unserer Sicherheitsbehörden ermöglichen, so wie es die Grünen in ihrem Gesetzentwurf fordern.

Mit Skepsis blicken wir im Übrigen auch auf den Vorschlag, künftig Bevölkerungsbefragungen zur Aufklärung des Dunkelfeldes durchzuführen; denn erfahrungsgemäß sind solche Umfragen äußerst manipulationsanfällig und tragen nur wenig zur realen Kriminalitätsbekämpfung bei. Sinnvoller wäre hier, eine Befragung der Opfer durchzuführen, sich darauf zu konzentrieren und die sogenannte deliktspezifische Forschung zu stärken. Über allen Bemühungen zur Verbesserung der Statistik muss jedoch das Ziel stehen, Straftaten zu verhindern. Dies können wir erreichen, indem wir unsere Sicherheitsbehörden stärken und mit den erforderlichen rechtlichen Kompetenzen ausstatten.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Mihalic?

Christoph Bernstiel (CDU/CSU):

Gerne im Anschluss. – Doch genau das versuchen die Grünen immer wieder zu verhindern.

Drei Beispiele. Im Jahr 2016 stimmten Bündnis 90/Die Grünen gegen die erleichterte Ausweisung von straffälligen Ausländern. Im Juni 2017 lehnten sie die Einführung der Schleierfahndung zur Terrorismusbekämpfung in allen Bundesländern ab. In meinem Bundesland Sachsen-Anhalt forderte die Grünenlandtagsfraktion sogar die Abschaffung des Verfassungsschutzes.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Man muss sich daher schon fragen, wie ernst die Grünen die Kriminalitätsbekämpfung tatsächlich nehmen, wenn sie keine Gelegenheit auslassen, um unsere Sicherheitsbehörden zu kritisieren oder sogar zu schwächen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Abschluss möchte auch ich etwas zu den Kosten sagen. Sie gehen von ungefähr 2 Millionen Euro pro Jahr aus, um die Kriminalitätsstatistik zu verbessern. Das sind 8 Millionen Euro pro Legislaturperiode.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist für die Sicherheit unseres Landes!)

Verbrechen verhindert man nicht mit Statistiken, sondern mit Polizisten auf der Straße und mit klugen Köpfen in unseren Ermittlungsbehörden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zusätzliche Mittel im Sicherheitsbereich sollten daher zuerst in gutes Personal und erst dann in Statistiken investiert werden. Denn den meisten Opfern von Gewalt ist es egal, ob sie in einer Statistik erfasst werden oder nicht. Sie wünschen sich vielmehr, dass anderen Menschen ihr eigenes Schicksal erspart bleibt. Da sollten wir ansetzen. Genau das werden wir tun.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)