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Volker Kauder: Wir wollen dieses Europa voranbringen

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 04 - Generaldebatte

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte mit dem Thema Europa kurz anfangen, weil es sowohl für unsere Zukunft von großer Bedeutung ist, weil es auch in dieser Haushaltsdebatte eine Bedeutung hat und weil die Werte dieses Europas für die allermeisten in diesem Hohen Haus von großer Bedeutung sind.

(Zuruf von der AfD: Welche Werte?)

Diese Werte stammen aus der christlich-jüdischen Tradition. Zur christlichen Tradition gehört die Erkenntnis, dass jeder Mensch Ebenbild Gottes ist und deshalb eine unverwechselbare Würde hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn es in diesem Haus Kolleginnen und Kollegen gibt, die das christliche Abendland retten wollen und dann über andere Menschen so sprechen, wie Sie es gemacht haben, Frau Weidel, dann hat dies mit dem christlichen Menschenbild nichts zu tun. Es hat damit null zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Das hat sehr wohl damit zu tun! Die deutschen Bürger sind Freiwild durch die steigende Kriminalität durch die Menschen, die Sie reingelassen haben! Dafür sind Sie verantwortlich!)

– Sie sind jetzt mal ruhig und hören zu. Man hat Sie schließlich erst holen müssen, damit Sie überhaupt wieder herkommen. Sie besitzen dieses unglaubliche – ich sage das jetzt mal – Ding,

(Dr. Alice Weidel [AfD]: „Unglaublich“ stimmt! Eine unglaubliche Politik machen Sie!)

sich hierhinzustellen und eine Rede zu halten, und dann verschwinden Sie aus dem Plenarsaal.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Oh, Entschuldigung!)

Damit ich Sie ansprechen kann, muss man Sie extra holen lassen.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie sind doch trotzdem da und können Ihre Rede halten! Was ist denn das für eine Aktion? – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn für ein Stil?)

Was sind denn das für Werte, Frau Weidel?

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie brauchen mir nicht mehr mit dem christlichen Menschenbild zu kommen. Was Sie heute gemacht haben, ist das glatte Gegenteil davon, und dafür sollten Sie sich schämen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie sollten sich schämen, Herr Kauder! – Zurufe von der AfD: Schauen Sie doch mal in den Spiegel, wenn es um Scham geht, Herr Kauder! – Gerade Sie sollten sich was schämen, Herr Kauder! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das waren mehrere Treffer!)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Liebe Kollegen, ich bitte um Ruhe. Hören Sie bitte dem Redner zu.

Volker Kauder (CDU/CSU):

Jetzt will ich Ihnen mal was sagen:

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Kommen Sie zum Thema!)

Sie müssen es genauso ertragen, wenn man Sie kritisiert, wie andere auch.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ertrage ich sehr wohl!)

Großmäulig im Austeilen und schwach im Einstecken – das ist die AfD.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zum Thema. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in dieser Haushaltsdebatte gibt es, glaube ich, drei Schwerpunkte: Erstens. Was haben wir im Bereich der Weiterentwicklung unseres Landes vor? Zweitens. Welche Antworten geben wir auf die Frage der Herausforderung Europa? Drittens. Wie verhalten wir uns angesichts der großen Konflikte, die den Frieden in bestimmten Regionen bedrohen und für uns eine wichtige Aufgabe sind?

Wir haben gesagt: Mit dieser Koalition wollen wir in Deutschland einiges voranbringen. Wir wollen dieses Land modernisieren. Das ist unser Anspruch. Wenn man nun in den Haushalt 2018 schaut, sieht man ganz klar, dass damit der Weg der Modernisierung begonnen wird. Wir haben nicht gesagt – auch der Finanzminister nicht –, dass wir mit all den Aufgaben, die wir haben, im Jahr 2018 fertig sind. Die Planung geht in den nächsten Jahren weiter. Dies zeigt sich auch an der Modernisierung der Digitalisierung und dem schnellen Internet.

Wir setzen uns für die Modernisierung in unserem Bildungswesen ein. Im Bereich der Forschung und Innovation geht es ebenfalls voran. Für all diese Bereiche geben wir Geld aus. Jetzt aber so zu tun, als ob es keine Kompetenzverteilungen zwischen Bund, Kommunen und Ländern gäbe, führt uns nicht weiter, also nach dem Motto: Weil einige Bundesländer es nicht hinkriegen, ihre Aufgaben in der Bildungspolitik zu erfüllen, muss das der Bund machen. So wird Föderalismus nicht zur Stärke in unserem Land. Es muss natürlich jeder seine Aufgabe erfüllen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Um es ganz klar zu sagen: Ja, wir wollen eine Grundgesetzänderung im Bereich der Bildung, Frau Nahles.

(Christian Lindner [FDP]: Aber zusammen habt ihr eben keine Mehrheit mehr!)

Ich möchte aber ganz klar sagen, dass ich darunter nicht verstehe, dass wir in Zukunft die Lehrerinnen und Lehrer aus dem Bundeshaushalt finanzieren; darin sind wir uns auch einig. Wir wollen in der Infrastruktur etwas machen. Klar ist auch, dass die Länder ihre Aufgaben bei der Modernisierung der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer in die eigene Hand nehmen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben gesagt: Wir schnüren ein großes gemeinsames Sicherheitspaket. Wir haben miteinander vereinbart, mehr im Bereich Bundespolizei zu tun. Die Länder haben ebenfalls gesagt, dass sie für die Polizei mehr tun wollen. Wir haben auch gesagt – das ist ein genauso richtiger Punkt –: Jeder muss seinen Beitrag leisten. Das heißt, dass auch die Länder im Bereich der Justiz mehr tun müssen. Und darauf legen wir auch großen Wert.

Ich möchte bei der Überprüfung zur Halbzeit der Legislaturperiode – diese haben wir ja vereinbart, um zu sehen, was wir erreicht haben –, aber vor allem am Ende dieser Legislaturperiode schon feststellen können, dass jeder seinen Beitrag geleistet hat. Dieses Land wird nicht moderner, wenn nur der Bund Geld in die Hand nimmt und seine Aufgaben erledigt. Vielmehr muss jeder auf jeder Ebene seine Aufgaben erledigen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Andrea Nahles [SPD])

Dann wird Deutschland moderner, und darauf legen wir einen großen Wert.

Das Thema Europa hat, ich finde, zu Recht, eine große Rolle gespielt. Ich habe an diesem Rednerpult schon mehrfach leidenschaftlich für dieses Europa geworben und immer wieder darauf hingewiesen, nicht zu kleinteilig darüber zu reden. Ich habe darauf hingewiesen, dass gerade für unsere Generation, die erste Nachkriegsgeneration in Deutschland, Europa nicht in erster Linie ein Europa von Euro und Cent war, sondern dieses Europa eine Wertegemeinschaft, eine Friedenseinrichtung ist. Für dieses Europa möchte ich auch in Zukunft leidenschaftlich streiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich höre regelmäßig von verschiedenen Seiten: Wie kann man leidenschaftlich für ein Europa streiten, wenn man nicht alles gut findet, was Macron oder andere vorschlagen? Ich sage dazu: Auch in diesem Europa wird über den richtigen Weg diskutiert,

(Christian Lindner [FDP]: So ist es!)

genau wie in diesem Deutschen Bundestag. Das ist überhaupt nichts Außergewöhnliches. – Ich weiß ganz genau, lieber Herr Kollege Lindner, dass auch Sie ein leidenschaftlicher Europäer sind.

(Zurufe von der SPD: Na ja!)

Man kann sich aber nicht an dieses Rednerpult stellen und auf der einen Seite sagen: Wir brauchen mehr Europa. Wo bleiben die Antworten auf Macron? – Auf der anderen Seite sind dann aber – wenn man genauer hinsieht, merkt man es – drei Viertel Ihrer Antworten gegen Macron und gegen das, was gerade diskutiert wird.

Ich glaube, keiner braucht dem anderen vorzuhalten, was er nicht richtig macht. Es wäre richtiger, wenn wir uns gemeinsam darauf verständigen: Wir wollen dieses Europa voranbringen.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: 100 Prozent! – Andrea Nahles [SPD]: So ist es!)

Dazu gehört natürlich auch, dass in diesem Europa eingehalten wird, was wir miteinander vereinbart haben. Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel: Wir haben die – wie Macron sagt – Bankenunion auf den Weg gebracht. Das ist überhaupt keine Frage; das waren wir, die sie auf den Weg gebracht haben.

(Zuruf von der AfD: Glückwunsch!)

Wir haben aber gesagt: Es gibt eine Bedingung, die eingehalten werden muss. Diese lautet: Es muss eine klare Risikominimierung stattfinden. Wenn die EU-Kommission dann sagt: „Auf diese Minimierung warten wir nicht. Wir gehen weiter“, dann ist dies ein Vorgang, den ich als Trickserei bezeichne und der das Vertrauen nicht stärkt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen ist es völlig richtig, wenn wir sagen: Wir legen großen Wert darauf, dass die Regeln eingehalten werden.

(Zuruf von der AfD: Hört! Hört!)

Ein noch so leidenschaftlicher Einsatz für Europa hilft nichts, wenn wir uns nicht auch an das halten, was wir miteinander vereinbart haben. Auch das ist Teil einer Wertegemeinschaft.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, einen letzten Hinweis möchte ich geben: Ich bin dankbar, dass die Bundesregierung bzw. die Bundeskanzlerin sich in diesen Tagen so intensiv mit den außenpolitischen Herausforderungen beschäftigt. Wir haben heute Nachmittag einen großen Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema „Möglichkeiten der Rückkehr von Christen und Jesiden in die Ninive-Ebene“. Mit diesem Thema beschäftigen wir uns schon eine ganze Zeit lang, und wir sind dem Entwicklungsminister Müller dankbar, dass er dort einen großen Beitrag leistet.

Diese Aufgabe ist noch lange nicht gelöst. Ich kann dazu nur sagen: Wenn man eine solche Diskussion führt, muss man auch zeigen können, dass man mit einer gewissen Kompetenz und Stärke arbeitet. Dazu gehört, Frau Nahles, sowohl die ODA-Quote einzuhalten als auch die Bundeswehr auszurüsten. Niemand spricht von Aufrüsten. Aber ich kann es nicht akzeptieren, wenn der Wehrbeauftragte, der früher ein SPD-Kollege im Deutschen Bundestag war, starke Sprüche über den Zustand der Bundeswehr macht und Sie in der SPD sagen, dass dagegen nichts unternommen wird, weil man dafür kein Geld einsetzen will.

(Widerspruch bei der SPD)

Diese Aufgabenteilung können wir nicht akzeptieren, beim besten Willen nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben die Ausgaben für Verteidigung an die Ausgaben für Entwicklungshilfe geknüpft. Darauf werden wir auch in dieser Koalition bestehen. Wir hatten bei unserer gemeinsamen Klausurtagung einen guten Start, und das wollen wir auch fortsetzen. Aber wir wollen schon, dass – neben den Ausgaben für Soziales usw.; das ist alles in Ordnung – auch unsere Bundeswehr in einen Zustand versetzt wird, der ihren Aufgaben entspricht. Da werden wir nicht lockerlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])